Keine Zeit für Helden

13.05.1988

"Die Polizei betreibt kein offenes Netz, in das man sich hineinwählen könnte", so das Bundeskriminalamt. Selbstverständlich sind auch die Systeme der Polizei deshalb nicht hundertprozentig sicher, schon gar nicht vor dem "Agent provocateur", möglicherweise ausgebildet im eigenen Hause. Was für die Polizei gilt, gilt auch für andere große, von Computersystemen abhängige Institutionen.

Die Fähigkeit zur Selbstprovokation ist selten wird häufig als "Netzbeschmutzung" mißverstanden, wenn sie ohne das Placet des zu Provozierenden, also in mehr oder weniger verspielter Eigeninitiative, ausgeübt wird. Wissen Können, Phantasie und vor allem Chuzpe sind deshalb offenbar die unabdingbaren Ingredienzen, mit denen auch ein Inhouse-Hacker ausgestattet sein muß, um die präventive Schwachstellenanalyse der eigenen Systeme simulieren zu können. Schaden sollen eigentlich nicht entstehen.

Erfahrung spricht indes dafür, daß Schaden entstehen, also das "Kind erst einmal in den Brunnen fallen" muß, bevor Maßnahmen ergriffen werden. Insofern erscheinen derartige autoaggressive Grenz- und Kompetenzüberschreitungen geradezu als systemerhaltend und erfahren im nachhinein ihre Rechtfertigung. Soweit dürfte speziell "lnhouse-Hacking" zum zufallsgenerierten Feature avanciert sein, Loyalität vorausgesetzt.

Ganz anders die Szene der etablierten Hacker-Vereinsmeier und Ihrer Kriegsberichterstatter, die sich als Marktbeschaffer, als Bedarfsschürer, als Handlungsreisende ohne Auftrag, dafür aber mit um so mehr Sendungsbewußtsein geben. Es kommen einem geradezu die Tränen, liest man einen Satz wie: "Steffen Wernery, Vorstandsmitglied vom Chaos Computer Club in Hamburg, säße nicht in französischer Untersuchungshaft, wenn Philips ihren mit sensitiven Daten arbeitenden Rechner hinreichend gesichert hätte" (siehe Hans Gliss im Thema der Woche auf Seite 7). Soll doch wohl heißen, das Opfer ist schuldig, der Täter ist das Opfer des Opfers. Womit dann, vorausgesetzt, irgendjemand ginge solcher Scheinlogik auf den Leim, endlich auch ein Märtyrer geschaffen wäre, die klassische Figur jedes Heldenmythos?. Den Sicherheitsmarkt dürften die Hacker durchaus richtig einschätzen, sicher stimulieren sie ihn auch; ein Bedürfnis nach Heldenverehrung besteht allerdings nicht.