Rudolf Bauer, Deutschland-Chef von IBM Global Services:

"Keine Verluste mit dem Deutsche-Bank-Deal"

08.10.2004
IBM und die Deutsche Bank scheinen mit dem gemeinsamen Outsourcing-Projekt nicht glücklich zu werden. Rudolf Bauer, General Manager IBM Global Services Central Region und auf IBM-Seite verantwortlich für das Vorhaben, nimmt gegenüber CW-Redakteur Joachim Hackmann Stellung.

CW: Wie läuft das Deutsche-Bank-Projekt?

BAUER: Ich persönlich bin sehr zufrieden mit dem Projekt. Wir pflegen intensiven Kontakt zur Deutschen Bank, auf funktionaler und strategischer Ebene, insofern kann ich gut einschätzen, was die Deutsche Bank in Hinblick auf diesen Vertrag denkt und sagt. Dass ein solches Outsourcing-Vorhaben mit einer Bank, deren Geschäft von einer funktionierenden IT abhängt, kein Zuckerschlecken ist, versteht sich von selbst. Tatsache ist auch, dass es intensive und harte Verhandlungen an jeder Stelle gegeben hat. So gesehen stehen wir gemeinsam vor der Herausforderung, die drei Rechenzentren der Deutschen Bank zu zwei neuen, von IBM errichteten Rechenzentren zu konsolidieren. Das ist ein Projekt von außerordentlicher Größenordnung.

CW: Würden Sie den Deal noch einmal machen?

BAUER: Ja.

CW: Trotz aller Probleme?

BAUER: Es gibt keine Probleme, es gibt Herausforderungen auf technischer Ebene sowie die Herausforderung, Sicherheit und Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Wir haben diese Aufgabe übernommen und haben bereits viel geändert, damit wir die Einsparungen für die Deutsche Bank erzielen können, zu denen wir uns vertraglich verpflichtet haben. Es ist das Geschäft des Outsourcers, die IT besser, schneller und billiger zu machen. Das bringt Schwierigkeiten mit sich, die man meistern muss, und das tun wir.

CW: Machen Sie Verluste?

BAUER: Nein, wir machen keine Verluste.

CW: Gar keine? In Outsourcing-Deals ist es doch normal, dass der Betreiber zunächst einmal investiert.

BAUER: Sie sagen, wir machen Verluste, und ich sage: Nein.

CW: Das "Manager Magazin" nannte einen Verlust von vier Prozent bezogen auf den Auftragswert, der im Vorfeld eingeplant gewesen sei.

BAUER: Bullshit.

CW: Die Behauptung des "Manager Magazins" klingt aber schlüssig, denn in den ersten Jahren zahlt der Outsourcer in der Regel drauf. Vier Prozent wären nicht erstaunlich, in dem Artikel ist jedoch von 20 Prozent tatsächlichem Verlust die Rede. Das wäre dann eine komplette Fehlkalkulation.

BAUER: Das wäre es in der Tat, wenn es wahr wäre. Es ist nicht wahr. Nebenbei bemerkt ist es auch falsch, dass Outsourcer in den ersten Jahren eines Vertrags draufzahlen, das wäre höchst alarmierend. Natürlich gibt es anfangs erhebliche Investitionen, die werden aber über einen längeren Zeitraum verrechnet und abgeschrieben. In der finanziellen Betrachtung ergibt sich damit ein geglätteter Zahlungsstrom.

Zu Beginn bestehen besondere Schwierigkeiten. Das hängt einfach mit der Situation zusammen, in der man mit der Mitarbeiterübernahme, dem Sicherstellen des laufenden Betriebs und den Änderungen zur Kosteneinsparung beschäftigt ist. Der Aufwand, die Schwierigkeiten und die vielen Änderungen zum Start eines Projekts sind normal, nicht jedoch, dass man anfangs drauflegt und erst zum Ende der Laufzeit Geld verdient.

CW: Sie bauen für die Deutsche Bank zwei der modernsten Rechenzentren der Welt, übernehmen mehr als 900 Mitarbeiter und versprechen Einsparungen von eine Milliarde Euro über eine Laufzeit von zehn Jahren....

BAUER: ... diese Einsparziele nennt die Deutsche Bank ...

CW: ..und alles, ohne dass sie Verlust schreiben. Das klingt wie im Märchen.

BAUER: Der Bau der Rechenzentren wird über viele Jahre abgeschrieben.

CW: Bleiben die übernommenen Mitarbeiter bei der IBM?

BAUER: Ja.

CW: Hat es Entlassungen gegeben?

BAUER: Nein.

CW: Haben Sie noch die Verantwortung für den Outsourcing-Deal der Deutschen Bank?

BAUER: Ja, und die werde ich auch behalten.

CW: Was hat dazu geführt, dass die Commerzbank Ende letzten Jahres ihre Outsourcing-Pläne zurückgezogen hat?

BAUER: Die Commerzbank hat sich am Ende eines intensiven und langen Verhandlungsprozesses gegen die Auslagerung entschlossen. Es waren bankinterne Gründe.

CW: Offenbar traute man der IBM die Lieferfähigkeit nicht zu.

BAUER: Die Lieferfähigkeit wurde nie angezweifelt.

CW: Inwiefern bereitet dieser geplatzte Deal Ihnen Probleme?

BAUER: Dass das Commerzbank-Projekt nichts geworden ist, bereitet mir durchaus ein Problem. Mit diesem Geschäft hatten wir gerechnet, und ich würde mich über die Commerzbank als Outsourcing-Kunden freuen.

CW: Gibt es aktuell Verhandlungen mit der Commerzbank?

BAUER: Nein.

CW: Die öffentliche Hand wurde lange als Hoffnungsträger für die Outsourcing-Branche gehandelt, dort bewegt sich derzeit anscheinend am wenigsten. Ist mit den vielen Problemen beim Herkules-Projekt der Bundeswehr die Luft aus diesem Markt raus?

BAUER: Herkules ist das Prestigeprojekt schlechthin. Jenseits dieses Vorhabens bewegt sich sehr wenig.

CW: Vor Herkules gab es bereits ein Public-Private-Partnership-(PPP-)Modell von IBM und der Stadt Leipzig über den Betrieb des Rechenzentrums namens Lecos. Das wurde aber beendet. Man hätte damit zeigen können, dass die Modelle funktionieren.

BAUER: Die Public Private Partnership hat durchaus Zukunft. Die öffentliche Hand muss aber mit Augenmaß vorgehen und darf keine überzogenen Erwartungen haben. Wirtschaftsunternehmen sind einer Kalkulationsbasis verpflichtet, die gewisse Gesetzmäßigkeiten mit sich bringen. Das Modell muss sich auch für den privaten Partner rechnen.

CW: War das der Grund für das Scheitern von Lecos?

BAUER: Nein. Das hatte andere Gründe.

CW: Gibt es überhaupt funktionierende PPP-Modelle in Deutschland?

BAUER: Nein. Ich kenne kein PPP-Modell, weder bei der IBM noch im Markt.

CW: Herkules, Deutsche Bank, Commerzbank, Daimler-Chrysler - die großen deutschen Outsourcing-Projekte sind unabhängig vom Provider oft mit Problemen behaftet. Sind diese Vorhaben nicht warnende Beispiele und lassen die Kunden vor Großinvestitionen zurückschrecken?

BAUER: Herkules und Deutsche Bank kann man nicht miteinander vergleichen. Im ersten Fall gibt es ja noch nicht einmal einen Vertrag. Ich kann unterm Strich auch nicht erkennen, dass große Vorhaben per se Probleme bereiten. Outsourcing ist ein Geschäft, das viel handwerkliche Fähigkeiten, einen klar definierten Umfang und Bedingungen sowie genaue Aufgabenbeschreibungen erfordert. Das ist bei großen Verträgen schwieriger als bei kleinen. Deshalb sind bei großen Projekten naturgemäß die Probleme auch größer.

CW: Große Deals sind häufig Prestigeprojekte. Sind sie daher mit zu hohen Erwartungen behaftet?

BAUER:Der Wettbewerbsdruck ist hier besonders stark. Das gilt insbesondere dann, wenn neue Spieler auf den Markt kommen und unbedingt ins Geschäft wollen. Dazu eignen sich die umfangreichen Aufträge sehr gut, sie sind daher besonders hart umkämpft und werden bis zum Letzten ausgereizt.

CW: Kürzlich hat die US-amerikanische Bank J.P. Morgan einen großen Outsourcing-Vertrag mit der IBM gekündigt. Bemerkenswert daran war der Grund: J.P. Morgan ist überzeugt, die IT besser und günstiger in Eigenregie betreiben zu können. Hat diese Entscheidung Signalwirkung für andere Unternehmen?

BAUER: Ich halte dies für eine singuläre Entscheidung, die auf die Fusion von J.P. Morgan mit Bank One zurückzuführen ist. Der neue Konzern hat eine andere Einstellung gegenüber Outsourcing. Einen nachhaltigen Einfluss auf den Outsourcing- und den Financial-Services-Markt sehe ich nicht. Es wird weiterhin zwei Meinungen zu diesem Thema geben. Die einen zählen IT nicht zur Kernkompetenz und lagern aus. Die anderen sehen ihren IT-Betrieb als integralen Bestandteil ihres Unternehmens.

CW: Nach dem Abschied von Walter Raizner als Geschäftsführer von IBM Deutschland wurde Johann Weihen zu seinem Nachfolger bestellt. Das ist eine überraschende Entscheidung.

BAUER: Herr Weihen hat die aufstrebenden Märkte in Osteuropa viele Jahre sehr erfolgreich für die IBM geführt. Er hat das Geschäft praktisch von Null zu einem signifikanten Markt mit einem erheblichen Beitrag zum Unternehmenserfolg entwickelt.

CW: Herr Jetter und Sie sind beide im Vor- stand und kennen das lokale Geschäft sehr gut. Als Außenstehender hätte man sich auch einen von Ihnen als Raizner-Nachfolge vorstellen können.

BAUER: Ich kann mit der jetzigen Lösung sehr gut leben.

CW: Wie ist die Zusammenarbeit mit Martin Jetter, dem Leiter der deutschen Beratungseinheit?

BAUER: Wunderbar. In der Geschäftsführungsetage von IBM Deutschland herrscht eine sehr offene Atmosphäre und ein lockerer und angenehmer Umgangston. Sie ist kollegial und positiv wie in wenigen vergleichbaren Unternehmen in Deutschland.

CW: Angeblich gab es zwischen Ihnen und Herrn Jetter Streit und einen Machtkampf.

BAUER: Wir pflegen bereits seit vielen Jahren einen sehr guten Kontakt. Ich kann von einer gereizten Stimmung nicht berichten.

Rudolf Bauer

- Im Juli 2001 übertrug die IBM-Zentrale Rudolf Bauer die Gesamtverantwortung für die Dienstleistungssparte Global Services in der Central Region (Deutschland, Österreich, Schweiz und Osteuropa).

- Im Januar 2001 wurde er zum General Manager Business Innovation Services für die Region Europa, Mittlerer Osten nund Afrika (Emea) in der Europa-Zentrale in Paris ernannt.

- Ab Mitte 1998 war er in der Central Region als Vice President Systemintegration tätig.

- 1997 wurde er Industry Service Executive Insurance in der Central Region.

- Ab 1993 leitete er das Regionalen Service Zentrum Nord, Nordwest und Ost.

- 1992 übernahm Bauer den Fachbereich Finanz und Öffentliche Dienste.

- 1991 führte er die Geschäftsstelle Öffentliche Dienste in Hamburg.

- Seit 1979 bekleidete er verschiedene leitende Tätigkeiten in Vertrieb und Marketing.

- 1974 begann Bauer als DV-Assistent bei der IBM und ging in der Folge verschiedenen Tätigkeiten als Anwendungsentwickler und Systemberater nach.

IBMs Geschäftsführung

Seit 1. September verantwortet Johann Weihen (Foto) als Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland GmbH die hiesigen Geschäfte von Big Blue. Er übernahm die Position von Walter Raizner, der zur Deutschen Telekom AG wechselte und dort künftig das mächtige Festnetzgeschäft leiten wird. Weihen startete 1974 seine Laufbahn bei IBM und hat zuletzt die Märkte in Osteuropa für seinen Arbeitgeber erschlossen und entwickelt. In der deutschen Geschäftsführung stehen ihm Rudolf Bauer, General Manager von IBM Global Services, und Martin Jetter, Leiter der Beratungssparte Business Consulting Services zur Seite. Juliane Wiemerslage als Arbeitsdirektorin und Geschäftsführerin Personal sowie Rügen Leicht als Finanzchef ergänzen die deutsche Geschäftsführung.