Gehaltsstrategien in schwierigen Zeiten

Keine Nullrunden für die Guten

20.12.2002
MÜNCHEN (hk) - Weitsichtige Chefs speisen ihre besten Mitarbeiter auch in schwierigen Zeiten nicht mit Nullrunden ab, so der Tenor einer Diskussionsrunde mit Managern der IT-Branche. Insbesondere das mittlere Management, das sich stark um die Umsetzung der Geschäftsstrategie und die Motivation der Belegschaft kümmert, sollte bei Laune gehalten werden.

Wenn es um das Thema Entlohnung geht, fehlt nie ein Blick zurück in die Zeit von vor zwei oder drei Jahren, als noch - aus heutiger Sicht - astronomische Gehälter, umfangreiche Aktienoptionspakete und große Dienstwagen möglich waren. "Ein Key-Account-Manager verdiente 120000 bis 150000 Euro, heute muss er sich mit unter 100000 Euro zufrieden geben", berichtet Jörg Westphal, Personalchef beim Darmstädter IT-Dienstleister MIS AG, im Rahmen einer von der COMPUTERWOCHE organisierten Roundtable-Diskussion. Aktienoptionen sind - seit der Neue Markt zusammengebrochen ist - kein Thema mehr, meint auch Edgar Kirchmann vom Personalberatungs-Unternehmen SUP in Frankfurt am Main, "obwohl es gerade jetzt, angesichts des niedrigen Preises, sehr interessant sein kann, sie zu bekommen". Insgesamt seien die Gehälter um etwa zehn bis 15 Prozent gesunken, schätzt der Personaler. "Bei den Einsteigern sind die Gehälter konstant geblieben", stellt Manuel Dohr fest, Mitglied der Geschäftsführung und unter anderem zuständig für Personalfragen im Münchner Softwarehaus Ixos. Die Anfängervergütung liegt in den meisten Unternehmen bei rund 40000 Euro im Jahr.

Pensionspläne kommen in Mode

Den größten Unterschied zu früher sieht der Münchner Manager allerdings in den Gehaltssteigerungen: "In der Vergangenheit kam es schon mal vor, dass Mitarbeiter binnen drei Jahren ein Gehaltsniveau von 100000 Euro erreichten." Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang die Rolle der Personalberater. Sie schreckten nicht davor zurück, Zuwächse beim Einkommen von bis zu 100 Prozent zu versprechen, um Manager und IT-Profis abzuwerben. Kirchmann von SUP kritisiert die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen, erwartet aber von qualifizierten Mitarbeitern, dass sie ihren Marktwert realistisch einschätzen und sich erst gar nicht auf solche Versprechen einlassen.

Es hat sich einiges verändert seit den fetten New-Economy-Jahren, beobachtet Ixos-Mann Dohr. Nicht nur, dass die Gehälter stärker in Relation zur wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens gesetzt werden. Vor allem bei Mitarbeitern und Bewerbern fällt ihm ein starkes Sicherheitsdenken auf. Kandidaten interessierten sich weniger für die Kursentwicklung an der Börse und einen schnellen Aufstieg als für die Solidität des Arbeitgebers. Sein Unternehmen hat einen Pensionsplan aufgelegt. "Vor drei Jahen hätte ich es als abwegig angesehen, solch ein Instrument der Alterssicherung in Hightech-Unternehmen einzuführen", so der Münchner Manager. Von 500 Mitarbeitern bei Ixos in Deutschland nähmen nur sieben nicht an diesem Programm teil. Ähnliche Erfahrungen machte die MIS AG: "Bewerber, selbst junge, wollen sich an keinem Hype mehr beteiligen", so Personaler Westphal. Was sie interessiert, sei "ein Umfeld, das stabil ist und berechenbar".

Das holländische Unternehmen Atos Origin, mit 30000 Mitarbeitern, eines der größten europäischen Softwarehäuser, hat sich für eine pragmatische Lösung entschieden. Mitarbeiter erhalten zum Jahresgehalt drei bis vier Prozent dazu, die sie in einen Fonds ihrer Wahl einzahlen können, wie Jans Tielman, Vorstandsmitglied und unter anderem zuständig für den deutschen Markt, versichert.

Allgemein seien moderate Gehaltssteigerungen von im Durchschnitt drei bis fünf Prozent zu erwarten, so die Roundtable-Teilnehmer. Die Personaler der Branche tauschten sich gelegentlich aus und hätten sich, vorausgesetzt, ihr Arbeitgeber könne es sich leisten, auf vier Prozent geeinigt. Bei Ixos werde die Gehaltssumme aber nicht nach dem Gießkannenprinzip gleichmäßig an alle Beschäftigten verteilt. Das Softwarehaus bildet Vergleichsgruppen, und innerhalb dieser kann beispielsweise ein Entwickler unter Umständen zehn Prozent erhalten und ein zweiter leer ausgehen, versichert Dohr. Tielman von Origin will sich auf keine Zahl festlegen lassen. Vorstand und Regionalchefs müssten sich je nach Marktgegebenheiten und der Situation des Unternehmens im lokalen Markt einigen. Wichtig sei ihm, dass die Mitarbeiter die Entscheidungen der Geschäftsführung verständen und akzeptierten.

Die Teilnehmer an der Runde gehen davon aus, dass sich der IT-Arbeitsmarkt langfristig erholen wird. Man müsse daher auf Dauer bereits jetzt in der Personalarbeit den Grundstein für morgen legen. Bezüglich Vergütung sieht das bei Ixos so aus, dass für High Performer zum Teil zweistellige Einkommenssteigerungen vorgesehen sind. Man möchte keineswegs die Guten mit Nullrunden vergraulen und unter Umständen riskieren, diese Leute zu verlieren, sobald es wirtschaftlich aufwärts geht.

Zurück zum Management by walking around

Die Teilnehmer der Runde weigern sich aber, die Motivation der Mitarbeiter nur am Einkommen festzumachen. Sie weisen immer wieder auf die sehr wichtige Aufgabe des Managements hin, die Beschäftigten in diesen schwierigen Zeiten zu führen. "Wir reden im Vorstand nicht viel über Gehälter", versichert Tielman. Von Bedeutung sei vielmehr, sich mit Strategien auseinander zu setzen, den Mitarbeitern die Situation glaubwürdig zu erklären und zu sagen, wie es weitergeht. In zahlreichen Versammlungen versuche man, alle Beschäftigten des Konzerns zu erreichen. "Wir legen auch die Folien vom Vorjahr auf und erklären, warum wir bestimmte Ziele erreicht und andere verfehlt haben." Man müsse die Beschäftigten durch eine gute Arbeit im Management überzeugen. Es sei wichtiger zu erläutern, wie man im nächsten Jahr ein Wachstum erzielen wolle, als über eine zusätzliche Gehaltserhöhung von einem Prozent zu debattieren. Auch Dohr hat eine interessante Erfahrung gemacht: "Die Mitarbeiter akzeptieren noch am ehesten die Entscheidungen des Vorstands, wenn das mittlere Management dies auch tut."

"Wir müssen zurück zum Management by walking around", lautet Westphals Forderung. "Die Führungskräfte sollten sichtbar sein, die Leistung der Mitarbeiter würdigen." Er plädiert dafür, Privilegien, die noch vor einigen Jahren an der Tagesordnung waren, abzuschaffen und das Geld in die Weiterbildung zu investieren. Noch mehr: "Ich verzichte im Zweifelsfall auf eine Neueinstellung, um den vorhandenen Mitarbeitern ein gewisses Maß an Entwicklungsmöglichkeiten zu geben." Der Origin-Vorstand brütet eine ganze Woche darüber, wer in welchem Maße im darauffolgenden Jahr gefördert werden soll. Dohr ergänzt: "Ich will als Unternehmen nicht deshalb bekannt sein, weil ich überdurchschnittlich zahle."