Keine neue Unidata:Schachzüge im Nebel

11.01.1980

LONDON/MÜNCHEN/PARIS (to) - "Computerpolitik" nennt ein Pressesprecher der ICL Deutschland die vorsiehtigen Versuche der "drei Großen in Europa" gemeinsame Interessen auf technischen Gebieten zu finden und zu vertreten. "CII Honeywell Bull, Siemens und ICL streben keine Kooperation an", erklärt ein Siemenssprecher kategorisch, während die offizielle Meinung der CII in den Worten anklingt: "Eine Zusammenarbeit wäre wünschenswert, um gegen die amerikanische Herausforderung stärker zu sein." Einhellig stellen alle drei klar: "Kein neuer Versuch einer Unidata."

Übereinstimmend ist die Ansicht der drei beteiligten Unternehmen, daß das "Lüftlein", das bisher um die Angelegenheit weht, ein derartiges Rauschen im Blätterwald in keiner Weise rechtfertige. Die Fakten stellt Terry Lawrenee, Pressesprecher der CII, folgendermaßen dar: Im September 1979 legte HoneywellChef Jean-Pierre Brule seine Ideen von einer innereuropäischen Interessenkoordination EG-Minister Etienne Davignon vor; er ist für die Europäische Industrie zuständig. Gleichzeitig wurden diese Vorschläge auch Siemens und ICL unterbreitet. Im vergangenen Monat nun nahm ICL nach der firmeninternen Konferenz in London offiziell zu den Vorschlägen Stellung. ICL zeige sich zu Gesprächen über eine mögliche Zusammenarbeit bereit. Auch ICL-Sprecher Dietger Kruschel bestätigt: "Kooperationsgespräche finden statt."

Von der EG erhoffen sich die Franzosen und die Briten vonviegend "moralische Unterstützung". Hat die EG ein Konzept erst gebilligt, ist es leichter, im eigenen Land diesbezügliche Schritte zu unternehmen. An finanzielle Unterstützung glauben beide Partner nicht recht, jedoch sehe man klar die Notwendigkeit, innereuropäische Vereinbarungen zu treffen.

Wie diese Vereinbarungen nun im einzelnen aussehen sollen, darüber gehen die Vorstellungen doch sehr auseinander. Standards in technischer Hinsicht zu erstellen, befürworte Siemens, jedoch beschränke sich das rein auf technologische Fragen. Ansonsten will man unabhingig bleiben. Zwar, konzidiert Pressemann Günter Mahr, versucht jeder sein möglichstes um konkurrenzfähig zu bleiben, ob sich die Gesprächspartner überhaupt näher kommen, das sei die Frage. Jedenfalls betreibe Siemens keine Politik spezifisch gegen außereuropäische - sprich - amerikanische Unternehmen. Kooperationsgespräche, erklärte er rundheraus, fänden nicht statt, und auch über die EG-Einschaltung sei man nicht informiert.

Hintergrund, glaubt der Informationsdienst vwd, sei der von der EG-Kommission ausgearbeitete Verhaltenskodex nach dem bis Ende diesen Jahres die Politik der Auftragsvergabe der Regierungen geändert werde. Es sollen danach nicht mehr vorwiegend einheimische Unternehmen Staatslieferanten sein. Bei ICL resultiere aus dieser Auftragsvergabe rund fünf Prozent des Produktgeschäftes. Außerdem wünscht die EG eine schlagkräftige europäische Computerpolitik.

Die CII sieht auf dem Gebiet der Standardisierung eine Chance der IBM-Konkurrenz Parole zu bieten. Durch ein kompatibles Netzwerkkonzept der Beteiligten, durch eine Basisdefinition von integrierten Schaltkreisen, durch eine Kostenersparnis infolge gemeinsamen Designs konne weiteres Marktterrain erobert werden. Daß solche Ideen nicht einmalig dastehen, zeigt die Existenz

eines Gemeinschaftsunternehmens in Deutschland.