Keine Motivation für OSI

30.08.1985

Weil Christian Schwarz-Schilling, so die "Wirtschaftswoche", von OSI abgerückt sei ("ein unerhörter Vorgang"), müsse der umstrittene Postminister von Kanzler Helmut Kohl nun geschaßt werden. Der eigentliche Knackpunkt, laut Wiwo: Mit einer Auftragsvergabe an IBM stelle die Bundespost die Weichen in Richtung SNA (Systems Network Architecture).

Die Tirade wirkte - freilich anders, als es sich die Blattmacher gedacht haben mögen. Gelassen die Reaktion der Bundespost: Niemand könne ernsthaft behaupten, daß sich Schwarz-Schilling gegen die Bemühungen um "Open Systems Interconnection" ausgesprochen habe. Daß die IBM Deutschland einen Auftrag im Rahmen des EPOS-Projekts (Einsatz von DV am Postschalter) erhalten hat, wurde indes von der gelben Behörde bestätigt.

Das Eingeständnis konnte der Post freilich leichtfallen: Die georderten IBM-Informationssysteme 8100 sollen als postinterne Abteilungsrechner isolierte Aufgaben übernehmen - keine SNA-Problematik, geschweige denn ein OSI-Fall, wie es sich überhaupt bei "OSI contra SNA" um eine konstruierte Gegenüberstellung handelt. Doch dazu später. Zu dem Subsystem-Auftrag hier nur noch soviel: Die öffentliche Hand diversifiziert eben ihre Bestellungen - und daß man sich für einen IBM-Exoten wie das angestaubte DDP-System 8100 entschieden hat, legt allenfalls den Schluß nahe, die Post habe entweder zuviel Geld oder zuwenig Ahnung.

So lückenhaft sich die Information der "Wirtschaftswoche" auch erwies, die PR-Behandlung durch die Pressestelle des Postministeriums gedieh zum Trauerspiel nach der Schlagzeilen-Komödie. Das eigentliche EPOS-Geschäft läuft bei den Schalterterminals - 20 000 sollen bis 1990 installiert werden. Merkwürdig: Das Postministerium will partout nicht damit rausrücken, wer den Zuschlag erhalten hat. Daß Nixdorf der glückliche Terminal-Lieferant ist, wird andererseits nicht dementiert. Offenes Geheimnis: Die Paderborner sitzen am Schalter - Schwarz-Schilling macht's möglich.

Wie wird es weitergehen? Keine Frage: Wenn das EPOS-Netz einmal installiert ist, soll die Annäherung an (dann hoffentlich vorhandene) OSI-Standards möglich sein. Das heißt, die Post setzt auf die Alternative, (dann hoffentlich vorhandene) OSI-Produkte anzubinden.

Daran zu erinnern, daß es Herstellerstandards gibt, mit denen man leben muß, blieb ausgerechnet der IBM vorbehalten (siehe Titelstory, Seite 1), die davon am meisten profitiert und allen Grund hätte, diese Tatsache nicht an die große Glocke zu hängen. Nur: Als Quasi-Monopolist kann die IBM mit OSI kokettieren, als wär's ein Teil von ihr - bei Kunden, die heute auf SNA-Produkte angewiesen sind, kommt diese Haltung (großzügig in der Vision, hart in der Sache) gut an.

Ein Beispiel, das zeigt, auf welch schwankendem Boden das OSI-Gebäude steht. Im stillen hoffen die Manager aller etablierten Hersteller, daß sie an ihren eigenen Standards festhalten können. Das bedeutet: OSI-kommt nur, wenn es die Anwender wollen und ihrer Forderung auch entsprechenden Nachdruck verleihen.

Von den IBM-Anwendern wird man solche Motivation am allerwenigsten erwarten können - SNA deckt (beinahe) alles ab. Warum dann noch OSI? In diesem Sinne hätte die "Wirtschaftswoche" ungewollt ja denn doch ins Schwarze getroffen: Ihre SNA-Behauptung würde einen unerhörten DV-strategischen Weitblick Schwarz-Schillings belegen. Doch das ist ein anderes Thema. Ein ganz anderes. Und warum sollte ein Wirtschaftsfachblatt nicht auch einmal danebenliegen?