CIM bringt der Elida Gibbs GmbH planerische Sicherheit

Keine Integration ohne ausgefeiltes Management

03.11.1989

CIM ohne Produktionsmanagement funktioniert bei uns nicht. Zu diesem Ergebnis kamen die Entscheidungsträger der Berliner Elida Gibbs GmbH. Deshalb haben die Zahncreme-Hersteller ein System installiert, daß ihnen helfen soll ihre Fertigung flexibler zu gestalten und die Kapazitäten besser auszulasten.

Das bei Elida Gibbs installierte Produktions-Managementsystem liefert für planerische Entscheidungen aktuelle Informationen darüber, was bereits gefertigt worden ist und welche Margen noch produziert werden müssen. Hauptsächlich erhöht dieser CIM-Baustein die Produktionsflexibilitäts vermittelt eine verläßliche Kenntnis der Lieferbereitschaft und sorgt für ein im ganzen Betrieb einheitliches auf einem permanenten Soll-Ist-Vergleich basieren des Zahlenmaterial

Komplexe Aufgabenstellung

Die CIM-Aufgabenstellung ist komplex. Das Ziel einer flexiblen Nutzung und hohen Auslastung der Produktionskapazitäten ist verbunden mit einer termin-, bedarfs- und verarbeitungsgerechten Bereitstellung aller erforderlichen Ressourcen wie Zahncreme, Packstoff und Fertigungsanlagen.

Das Unternehmen nutzt hierarchisch aufeinander abgestimmte Rechnersysteme. CIM-Kern ist das Produktions-Managementsystem Proman von der Berliner PSI GmbH, das sowohl den Produktionsfortschritt lückenlos registriert, als auch den Anlagenzustand permanent überwacht. Dadurch können Ausfälle und Schwachstellen sofort erkannt und Gegenmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden. Informationslogistische Grundlage für Proman ist ein lückenloser Informationsfluß vom PPS-System bis zu den technischen Systemen der Fertigung sowie vom Wareneingang bis zur Ablieferung.

Hohe Auslastung durch fristgerechte Bestückung

Für eine hohe Auslastung der Produktionskapazität sind zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen. Die fertigungslogistischen Probleme liegen dabei im fristgerechten Bereitstellen der Zahncremegrundmasse, vor allem aber der Packstoffe (Tuben, Spender, Faltschachteln, Versandkartons). Die Abwicklung von Exportaufträgen erhöht wesentlich die Vielfalt der bereitzustellenden Materialien.

Die Packstoffe sind ein fertigungslogistisches Problem für sich. Sie sind einerseits so zu disponieren, daß sie in ausreichender Menge und rechtzeitig dem Produktionsprozeß zugeführt werden können. Andererseits darf der Vorrat nicht so groß sein, daß bei einem - häufige vorkommenden - Wechsel der Verpackung Lagerbestände übrig bleiben, die dann praktisch Makulatur sind. Die Qualität der Packstoffe bestimmt als weiterer Faktor den Durchsatz und die Störanfälligkeit der Fertigungslinien.

Erheblichen Einfluß auf die Auslastung der Linien hat die Rüstzeit. Sie liegt minimal bei zwei Stunden und kann durchaus auch 24 Stunden betragen. So sind bei einem Produktwechsel die Abfüllanlagen zu reinigen, oder alternative Tuben- und Faltschachtelgrößen erfordern einen Wechsel der Formatteile. Dies gilt auch in bezug auf die Bündelung der in Folie zu verschweißenden Verkaufseinheiten und das Verpacken in unterschiedlich große Versandkartons. Doch auch das Austauschen der Packstoffe ist ein organisatorisch aufwendiger Vorgang.

Steigerungen der Effizienz sind nur möglich, wenn die Umrüstvorgänge als solche optimiert und organisatorisch bedingte Stillstandzeiten vermieden werden. Aufgabe der Fertigungsplanung ist es dabei, die richtige Reihenfolge zu finden, um die einzelnen Linien so mit Produkten beschicken zu können, daß möglichst wenig Umrüstvorgänge erforderlich sind.

Welche Produkte das Unternehmen in welcher Reihenfolge produziert, das bestimmt der Markt. Hier ist ein permanentes Ansteigen kundenspezifischer Aufträge zu verzeichnen. Auch der Handel praktiziert inzwischen durch den Abbau von Zwischenlägern eine Art Just-in-Time-Konzept. Der Hersteller muß daher seine Ware sozusagen direkt ins Verkaufsregal liefern und deshalb im Verkaufsrhythmus produzieren.

Schwer kalkulierbare Verkaufszahlen

Die schwer zu kalkulierenden Verkaufszahl wiederum erschweren die Wahl von optimalen Losgrößen und erfordern ein häufigeres Umrüsten der Linien. Während das Berliner Werk vor fünf Jahren noch etwa 150 Umrüstvorgänge durchzuführen hatte, ist diese Zahl inzwischen auf fast das Doppelte gestiegen. Diese Entwicklung dürfte sich noch weiter fortsetzen.

Die EG-Komponente ist ein wichtiger Zukunftsaspekt, da der Handel künftig im EG-Binnenmarkt vermehrt Produkte europaweit dort einkaufen wird, wo er sie am günstigsten bekommen kann. Wenn die deutsche Elida Gibbs wettbewerbsfähig bleiben will, muß sie noch vorhandene Rationalisierungspotentiale von ausschöpfen. Hier greifen die informationslogistischen CIM-Instrumente des dort eingesetzten Produktions-Managementsystems.

Hardware-Ausfälle sind keine Katastrophe

Der Zahncreme-Hersteller praktiziert ein an der Leitebene orientiertes Rechnereinsatzkonzept. Auf der Unternehmensleitebene ist in der Firmenzentrale in Hamburg als Zentralrechner ein System IBM 4381 installiert, auf dem als für das Werk Berlin relevante Anwendersysteme das Materialdispositionssystem Madison und das Produktionsplanungs- und Steuerungssystem Epos (PPS) implementiert sind. Das Dispositionssystem arbeitet mit einer Jahres- und einer Monatsplanvorgabe, nimmt eine Nettobedarfsermittlung für die Roh und Packstoffe vor, veranlaßt deren Abruf und überwacht ihn. CIM-Schnittstellen bestehen zum PPS- und zum Lagerverwaltungssystem auf der Werksrechnerebene. Zu den Aufgaben des PPS-Systems gehören die Kapazitätsplanung, die Bedarfsermittlung für Fertigware, die Kapazitätsgrobplanung und die Personalplanung. Eine CIM-Schnittstelle besteht zum Produktions-Managementsystem.

Auf der Werks- beziehungsweise Produktionsleitebene ist als örtlicher Werksrechner im Werk Berlin eine VAX 8350 von Digital Equipment installiert, die als eigentliches Trägersystem für das Produktions Managementsystem und für ein Lagerverwaltungs- und Lagerplatzsystem fungiert. Eine CIM-Schnittstelle verbindet dieses System mit dem Produktions-Managementsystem. Dessen Aufgabenspektrum umfaßt die Schichtplanung, die Anlagenüberwachung, die Auftragsabwicklung und die Störzeitenanalyse. Es ist als CIM-Baustein zwischen PPS-System und Prozeßleitebene angesiedelt.

Auf der Anlagen-, respektive Prozeßleitebene schließlich ist ein Verwaltungsrechner für die Taktgeber, Sensoren, Zähler und die speicherprogrammierten Steuerungen eingesetzt. Er fungiert auch als Konzentrator für die Maschinenterminals.

Mit diesem Hardwarekonzept können bei Ausfall eines Rechners in einer Leitebene die anderen Systeme in den beiden anderen Leitebenen jeweils autark weiterarbeiten Nach Behebung einer Betriebsstörung aktualisieren sich die Systeme wechselseitig.

Der als Werksrechner eingesetzte Supermini läuft unter dem Betriebssystem VMS mit dem relationalen Datenbanksystem Ultra. Die CIM-Schnittstelle zum Zentralrechner in Hamburg wurde über die als Gateway Rechner benutzte Micro VAX N realisiert. Die Koppelung zu den technischen Systemen und den Maschinenterminals erfolgt über einen Gateway-PC der AT-Klasse. Dabei werden für die Einbindung am Markt verfügbare Standards verwendet. Das System erfaßt permanent die produzierte Menge. An den Fertigungslinien sind Industrieterminals installiert, über die sowohl Informationen abgerufen als auch Stillstandsgründe technischer oder organisatorischer Art erfaßt werden können.

Die Fertigungsauftragsdisposition basiert auf einem im PPS-System verwalteten Jahresplan, aus dem die Monatsvorgaben abgeleitet werden. Mit dieser Datenbasis wird für jedes Werk ein für vier Monate geltender Kapazitätsbelegungsplan für alle Fertigungslinien erstellt und periodisch fortgeschrieben. Der aktuelle Monat wird in Wochenpläne verfeinert und der Maschinenbelegungsplan für die laufende Woche täglich an den Ist-Zustand angepaßt.

Die Arbeitsvorbereitung disponiert mit Hilfe der vom Produktions Managementsystem gelieferten Informationen. Das Midrange System übernimmt hierfür vom PPS-System des Zentralrechners das dispositiv abgesicherte Wochenprogramm. Dazu gehören Produktionsaufträge, Umrüstzeiten sowie geplante Leer- und Reparaturzeiten.

Manuelle Zuteilung direkt an die Linie

Das Management-System löst diese Vorgaben in Schichtaufträge je Linie auf. Diese werden manuell vom Meister oder automatisch direkt an die Linie zugeteilt. Der aktuelle Schichtauftrag wird ereignisgesteuert im Echtzeitbetrieb durch einen Soll-Ist-Vergleich fortgeschrieben. Permanent erfaßt werden der Auftragsstatus, der Produktionsfortschritt wie Ablieferung, Taktzahl und Effektivität, die anlagen- und auftragsbezogenen Zeiten für das Umrüsten und Anfahren, die Produktion, die Qualität und die Ausfalle sowie der Packmittelverbrauch. Außerdem nimmt das System eine aggregatbezogene Anlagenzustandsüberwachung vor.

Mit dem Produktions-Managementsystem hat sich das Unternehmen ein Werkzeug für die Arbeitsvorbereitung und die Meisterebene geschaffen, um verläßliche Aussagen über aktuelle Produktionsmenge zu haben. Durch planerische und organisatorische Maßnahmen im Rahmen der CIM-Strategie ist ein Interessenabgleich zwischen hoher Auslastung und kurzfristiger Lieferbereitschaft möglich. Die genaue Kenntnis der produzierten Menge und der noch zu produzierenden Marge erleichtert die Materialdisposition (einschließlich des Bereitstellens der Zahncremegrundmasse) und hilft organisatorischen Stillstand zu vermeiden.

Kürzere Umrüst-, Anfahr- und Ausfallzeiten sowie geringere Materialverluste sind ebenfalls ein Ergebnis von mehr Informationen, die aktueller und in höherer Qualität als früher bereit gestellt werden können. Durch aktuelle, objektive und übergreifende Informationen über das Produkt und die Produktionsanlagen ist zudem eine Fehlerfrüherkennung möglich, durch die sich wiederum Schwachstellen rechtzeitig beseitigen lassen.

Das Produktions-Managementsystem wurde etappenweise eingeführt. Im ersten Schritt wurden im Mai 1989 die kommunikationstechnischen Voraussetzungen für die Koppelung zwischen dem Werksrechner VAX 8530 und den Fertigungslinien geschaffen. Als weitere Implemetierungsschritte folgten das An- und Abmelden der Schichtaufträge und das Verwalten der Monatsmenge sowie (seit kurzem) das Erfassen der Maschinenzeiten.

Noch im Implementierungsstadium befindet sich als letzte Kernanwendung die für die Techniker nützliche Störmelde-Analyse. Arbeitsvorbereiter und Meister dagegen erhalten bereits das komplette lnformationsangebot aus dem Produktions-Managementsystem. Im Gespräch ist außerdem die Einführung des Gesamtsystems im Werk Buxtehude.

UIf Bauernfeind ist freier Fachjournalist in Leinweiler an der Südlichen Weinstraße

Das Unternehmen

Die Elida Gibbs GmbH ist eine auf Körperpflegemittel spezialisierte Gesellschaft des Unilever-Konzerns. Ihr Berliner Werk ist mit seinen 130 Mitarbeitern Europas größte Zahncremefabrik.

Die Fertigung untergliedert sich in das Herstellen der Zahncreme, das Füllen und Einkartonieren der Tuben beziehungsweise Spender sowie das Verpacken in Verkaufs-, respektive Versandeinheiten. Das Werk Berlin verfügt über acht schnell-laufende Abfüll- und Packlinien, deren Kapazität jeweils bis zu 190 Tuben in der Minute betragt. 1988 wurden über 97 Millionen Tuben abgefüllt.

Erste Priorität hat für Elida Gibbs die Versorgung des inländischen Marktes. Trotzdem geht knapp die Hälfte der Produktion in den Export. Die Fertigungsaufträge hierfür werden von ausländischen Schwestergesellschaften erteilt. Das Werk Berlin steht bei der Auftragsvergabe im Wettbewerb mit anderen Fertigungsstätten des Unilever-Konzerns.