Kolumne

Keine Entlastung durch neue Domains

24.11.2000
Wolfgang Miedl, Redakteur CW

Hartnäckig hat sich über lange Jahre die Ansicht gehalten, dass mit neuen Top Level Domains (TLDs) die Knappheit der Internet-Adressen behoben werden kann. Doch das ist ein Irrglaube. Kritiker weisen bereits seit längerem darauf hin, dass das Domain Name System (DNS) nicht geeignet sei für das gezielte Suchen von Marken, Produkten, Adressen oder Informationen im Internet. Dazu bedürfte es eines leistungsfähigen Verzeichnisdienstes - und genau das ist das DNS nicht. Schließlich wurde es Anfang der 80er Jahre als Krücke für die schwer zu merkenden IP-Nummern eingeführt, um Rechner einfacher ansprechen zu könnnen.

Stattdessen werden neue TLDs für noch mehr Verwirrung sorgen. Galt bisher die Endung .com als selbstverständliche Topadresse für Firmen und Marken, wird mit neuen Endungen das Auffinden von gefragten Websites noch schwieriger. Vor allem die Internet-Wirtschaft dürfte darunter leiden, wenn ihre Angebote nicht mehr wie selbstverständlich unter URLs wie cocacola.com angesurft werden könnnen, weil Interessenten möglicherweise auch .biz, .info, .coop oder andere TLDs ausprobieren müssen.

Keinesfalls entschärft wird mit neuen TLDs außerdem das anhaltende Problem mit den registrierten Marken. Das Markenrecht bezieht sich nämlich auf den eindeutig kennzeichnenden Bestandteil einer URL, und das ist die Second Level Domain - etwa "cocacola" in cocacola.com. Auch wenn Hunderte neuer Suffixe eingeführt würden, wäre ein großer Teil der neuen Namen sofort von Markeninhabern belegt.

Da der Aufbau eines Internet-Verzeichnisdienstes derzeit noch Zukunftsmusik ist, kann man sich eine einfache Adressierung von Web-Angeboten mit Wörtern anstelle umständlicher URLs nur wünschen. Tatsächlich gibt es dazu bereits viel versprechende Ansätze wie etwa den von Realnames. Der Browser akzeptiert dabei die simple Eingabe von Schlüsselwörtern wie "bmw" oder "computerwoche". Unternehmen, die bereit sind, für den Service zu bezahlen, erhalten eine Topadresse und riskieren nicht mehr mit zweitklassigen DNS-Namen die existenzgefährdende Unerreichbarkeit.

Die Querelen um die Internet-Behörde Icann und das DNS werden sich dadurch zwar nicht erledigen, die Internet-Wirtschaft allerdings kann dem anhaltenden Adress-Tohuwabohu gelassen zusehen.