Keine Angst vor einem Neuanfang Dieter Eckbauer

05.11.1993

Viele DV-Marketiers gehen offenbar noch von unmuendigen Anwendern aus. Deren vermeintlichen Anspruechen wird mit einem Angebot begegnet, das wiederum Rueckschluesse auf die Denke der Hersteller zulaesst. Zwei Sichtweisen sind zu unterscheiden: Man gebe, erstens, dem Kunden oder Interessenten immer recht - das verbindet und wirkt vertrauenerweckend. Die zweite Moeglichkeit besteht darin, den Klienten in seinem Autonomiestreben zu bestaerken: Fuer eine Null-acht-fuenfzehn-Loesung wuerden Sie, Herr Kunde, sich doch nie erwaermen. Beide Methoden haben Macken: Der Kunde, der dem Lieferanten allzusehr vertraut, kann laestig werden - Altlastenprobleme sind programmiert. Das endet gewoehnlich mit der Pleite des Produzenten, den die Betreuung auffrisst und der darueber die Neuentwicklung vernachlaessigt: Nixdorf faellt einem ein. Schwerer zu behandeln ist der zweite Fall, wenn naemlich der Anwender erkennt, dass es sich in der Normalitaet bequemer und billiger leben laesst. Dann bleibt dem Verkaeufer nur der erste Weg - der Kunde hat immer recht -, mit den genannten Folgen. Wir diskutieren immer noch das Problem, wie sich nachweisen laesst, dass die DV-Marketiers die Anwender fuer dumm verkaufen wollen und sich dabei am Ende selbst schaden. Ein Beispiel dafuer ist die Outsourcing-Diskussion: Es laesst sich ziemlich genau sagen, welche DV-Funktionen ohne Risiko ausgelagert werden koennen. Dann soll man es auch tun. Wodurch ein Unternehmer fuer seinen Betrieb einen Informationsvorsprung erringt und behaelt, weiss er selbst am besten. Den Bezug zur Informationstechnik herzustellen duerfte nicht schwer fallen. Dann sollte man aber auch die Kirche im Dorf lassen: Outsourcing ist kein Megatrend - es werden einfach ein paar Sachen geradegerueckt, die bisher falsch gelaufen sind. Aehnlich verhaelt es sich mit dem Downsizing, das bei ganz schlauen Anbietern Rightsizing heisst. Selbstverstaendlich sind es keine Skrupel, die die Downsizer unter den DV-Herstellern leiten. Overselling is over - dies mussten sie zur Kenntnis nehmen. An einer ungluecklichen Liebe zu den Mainframes ist noch keiner gestorben. Es erschwert jedoch das Verstaendnis, wenn von "PCs vs. Mainframes" und dergleichen geredet wird, als wuessten die Anwender nicht, dass man mit einem Fahrrad keine Schwertransporte durchfuehren kann. Andererseits faellt ihnen nicht ein, mit einem Sattelschlepper zum Zeitungskiosk zu fahren. Die Dinge liegen wesentlich einfacher, jedenfalls bei dem Hamburger Telefon- und Adressbuchverlag Dumrath & Fassnacht (Seite 1): DV-Chef Anton Speer trennt sich vom Mainframe, einem BS2000- System, das nicht mehr in die Landschaft passe. Nach 15 Jahren - so lange existierten die BS2000-Anwendungen - sei es fuer ihn an der Zeit gewesen, sein Geschaeft einmal zu ueberdenken. Damit entspricht der IT-Manager zugleich den Forderungen der Benutzer. Dieses Beispiel veranschaulicht, was sich in der DV-Welt veraendert hat. Waehrend sich Speer mit einem "normalen Neuanfang" begnuegt, schwelgen die Hersteller in Outsourcing- und Downsizing-Szenarien. Sie muessen aufpassen, dass sie nicht fuer dumm verkauft werden.