SiemensNixdorf:

Kein Unix-Konzept

27.07.1990

Siemens und Nixdorf befinden sich in einem Dilemma: Solange sie die bestehenden inkompatiblen Midrange-Produktreihen Quattro, Targon und MX weiterpflegen, wozu sie sich den jeweiligen Anwendern gegenüber vorgeblich verpflichtet fühlen, kann das Konstrukt Siemens-Nixdorf Informationssysteme (SNI) nicht zügig zusammenwachsen. Der derzeitige Erfolg der IBM im Mittelstandsmarkt mit dem durch und durch proprietären Anwendungssystem AS/400 verschärft die Situation. Für Branchenkenner ist klar, daß die Unix-Schlacht nicht im technisch-wissenschaftlichen Bereich, sondern auf dem Feld der kommerziellen Datenverarbeitung geschlagen wird - und hier insbesondere bei den mittleren Systemen. Es zeigt sich wieder einmal, wie Zaudern (von Siemens und Nixdorf) der gemeinsamen Unix-Sache schadet, während Big Blue abkassiert.

Die SNI-Architekten können einwenden, daß es schlichtweg unmöglich sei, das Problem zu lösen. Einerseits ließe sich beispielsweise die 8870-Position nicht halten, andererseits würden es die Kunden nie verzeihen, wenn sie aufgegeben würde. Da ist was dran. Nur wäre es falsch, den Punkt "Bereinigung der Produktpalette" bei Verhandlungen mit Kunden auszuklammern. Die Anwender sind im allgemeinen nicht so "gemein", die Hersteller in eine technologische Sackgasse zu treiben, indem sie sich, was einzelne Produkte betrifft, allzu anhänglich zeigen. Die Zeit ist reif für eine Ablösung der 8870-Technik. Leider haben es einige Anwender versäumt, sich auf die bevorstehende Umstellung vorzubereiten. Wer sich aufregt, Nixdorf ließe ihn im Stich, will damit womöglich nur von der eigenen Ratlosigkeit ablenken - und viele Mittelständler sind ratlos, wenn es darum geht, Perspektiven für die DV im eigenen Hause zu entwickeln. Eine konstruktive Kritik an der Produktpolitik des Herstellers ist darin nicht zu erkennen.

Wie sähe die im Falle Nixdorf 8870 aus? Nun: Die Migration von der 8870- zur Unix-Welt ist softwaretechnisch kein Problem mehr, entsprechende Tools von Drittanbietern sind auf dem freien Weichware-Markt vorhanden. Doch hier beginnen die Paderborner zu mauern. Preisfrage: Wen will Nixdorf treffen, wen schützen? Außerdem mischt ja auch noch der neue Partner Siemens mit. Man darf unterstellen, daß die Münchner die Aussicht auf ein dickes BS2000-Geschäft heiß macht - und nicht so sehr die Option auf einen Unix-Deal, dessen Tragweite noch nicht bekannt ist.

Rechnungen dieser Art sind in der DV-Industrie noch nie aufgegangen - man frage ehemalige Honeywell-, Bull-GE-, Burroughs-, Univac-, Singer- oder ICL-Manager. Profitiert von dieser Einstellung der Fusionierer nach dem Motto "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß" hat letztlich immer nur die IBM.