Interview

"Kein Software-Anbieter von großer Bedeutung"

05.09.1997

CW: Kauft Baan einen Bereich, der schwarze Zahlen schreibt?

Gotthardt: Es sind noch einige Investitionen zu tätigen. Man könnte von einer leicht roten Null sprechen. Für die folgenden Jahre steht das Geschäftsfeld positiv da.

CW: Warum verkaufen Sie Comet?

Gotthardt: Nachdem wir uns die Konkurrenzsituation angesehen haben, stellten wir fest, daß man im internationalen Softwaregeschäft nur mit dreistelligen Millionenumsätzen bestehen kann.

CW: Ihr Umsatz liegt bei etwa 40 Millionen Mark.

Gotthardt: Richtig. Unser Plan war, den Comet-Bereich auszugründen und dafür Partner zu suchen, mit denen wir den nötigen Umsatz erzielen konnten.

CW: Unter anderem mit der SAP...

Gotthardt: Es gibt über alle Verhandlungen ein Stillschweigeabkommen. Wir halten uns daran.

CW: Gefunden haben Sie schließlich einen Käufer anstatt einen Partner.

Gotthardt: Ja. Bei den Diskussionen mit Baan stellte sich rasch eine vollständige Übernahme als vorteilhaft für die Partner, Mitarbeiter und Kunden heraus.

CW: Warum?

Gotthardt: Baan ist in diesem Sektor nach SAP die Nummer zwei. Mit dieser internationalen Präsenz schienen uns dreistellige Millionenumsätze erreichbar. Außerdem hat das Unternehmen großes Interesse an einem Marktsegement zwischen SAP- und PC-Software. Genau das forderten unsere Partner von SNI.

Pagé: Außerdem ist Baan sowohl an unseren Produkten als auch an unseren Partnern und unseren Mitarbeitern interessiert.

CW: So wie Sie das schildern, erhält Baan zu einem günstigen Preis gute Produkte, eine breite Kundenbasis, eine gewachsene Vertriebsstruktur und kompetente Mitarbeiter. Aber was hat SNI davon?

Pagé: Wir sehen Baan auch als möglichen Vertriebskanal. Außerdem gewinnen wir einen weiteren Partner für unsere Hardwareplattform.

CW: Es geht Ihnen also darum, über die Softwareverkäufe bei Baan ihren Rechnerumsatz zu forcieren. Ist das die generelle Softwarestrategie von SNI?

Pagé: Im Gegensatz zu früher, als Comet ein wesentlicher Treiber für das Hardwaregeschäft war, lassen sich mit ALX und Comet heute vielleicht 35000 PCs im Jahr verkaufen. Die SNI-Vorgaben liegen jedoch bei einer Million. Insofern hat diese Software für SNI nicht die Bedeutung von früher.

CW: Zieht sich SNI also aus dem Geschäft mit eigener Software zurück?

Pagé: Wir konzentrieren uns auf das Lösungsgeschäft. In Zahlen ausgedrückt: Wir machen mit Hardware etwa zehn Milliarden Mark Umsatz, mit Lösungen etwa die Hälfte, mit Software aber nur ungefähr 700 Millionen.

Gotthardt: Noch ein Aspekt: Sollen wir tatsächlich mit eigenen Produkten gegen etablierte Softwarefirmen antreten?

Pagé: Wir sind schlicht kein Software-Anbieter von großer Bedeutung.

CW: Zurück zum Comet-Verkauf. Kann es nicht sein, daß Siemens-Nixdorf diesen Bereich loswerden wollte, weil es nicht gelungen ist, damit in die schwarzen Zahlen zu kommen?

Gotthardt: Wir betreiben hier keine Entsorgungspolitik.

CW: Bei der ersten Erneuerungswelle für Comet hat SNI auf eine Entwicklungsumgebung gesetzt, die aber von den Partnern nicht akzeptiert wurde, so daß kaum Anwendungen entstanden sind. Hat sich das durch den Wechsel auf Visual Basic geändert?

Gotthardt: Ja. Anders als das Vorgängersystem XSDE ist Visual Basic 4 leicht zu erlernen und genießt schon jetzt breite Unterstützung von seiten der Entwickler. Wir haben damit das Logistikpaket LOG für ALX geschrieben und konnten schon in den ersten Monaten 80 Entwicklerschulungen durchführen. Einen derartigen Erfolg hatten wir mit XSDE nicht einmal ansatzweise.

CW: Wie sieht es mit Lösungen von den Partnern aus?

Gotthardt: Vertikale Anwendungen, etwa für den Sanitär- oder Reifenhandel, können jetzt von Partnern auf Basis von ALX LOG realisiert werden.

CW: Das heißt, das Geschäft mit der neuen ALX-Version beginnt gerade erst. Wie viele Kunden haben Sie denn bisher für ALX-Comet?

Gotthardt: Von den geschätzten 15000 weltweiten Comet-Kunden gibt es etwa 600 bis 800, die ALX einsetzen.