Structo '84 über Mensch-Computer-Kommunikation geplatzt:

Kein Interesse für Software-Ergonomie

19.10.1984

MÜNCHEN - Die erste Fachtagung in Deutschland zum Thema Software-Ergonomie '83 in Nürnberg findet keine Fortsetzung in der Veranstaltung Structo '84 von dem Control Data Institut (CDI). Besuchten 400 engagierte Wissenschaftler den Kongreß '83, so fällt der geplante Kongreß dieses Jahr für Fachleute der Software-Entwicklung, Software-Interessenten, Organisatoren und Personalexperten mangels Teilnahme aus.

Die Erwartung der beteiligten Hersteller, Forschungsinstitute und des Veranstalters, in Fortsetzung der im Vorjahr dargestellten Projekte im September 1984 einem breiteren Anwenderkreis beziehungsweise Repräsentanten der Benutzer gegenwärtige Möglichkeiten und langfristige Perspektiven zur Anpassung der Benutzerschnittstelle und der Benutzeroberfläche an den Menschen aufzuzeigen, sie problembewußt zu machen, fand keine zahlenden Ansprechpartner. Vielleicht war der erhebliche Preisunterschied - im Verhältnis 1:10 - zwischen beiden Veranstaltungen das ausschlaggebende Kriterium. Andererseits erscheint die Thematik wichtig genug, um die davon berührten Marktmöglichkeiten deutscher Softwarehäuser, und die zudem wesentlichen Beurteilungsfaktoren zur Einführung von Büroautomatisierungs-, Sachbearbeiterarbeitsplatz- und Managerentscheidungsplatzsystemen aufzuzeigen.

Eines der Anliegen gilt der Initiative, auf der Basis wissenschaftlich begründeter Erkenntnisse zu den Notwendigkeiten der menschlichen Informationsaufnahme und des Verarbeitungsverhaltens sowie zu den Erfordernissen des Kommunikationsverhaltens zwischen Mensch-Computer-Organisation Softwaresysteme zu entwickeln, die als standardisierte Benutzerschnittstelle die Dialoggestaltung von Programmen festschreiben. Der Anwender wird programmunabhängig, vorgangsunabhängig mit einer standardisierten "Maskengestaltung" mit generalisierten "aktiven und passiven Hilfsfunktionen", mit "vereinheitlichtem Menüaufbau " sowie weiteren Eingriffselementen wie Maus, Touch-Screen und ähnlichem konfrontiert. Dies ist derzeit bereits State of the Art und wird bei vielen großen und kleinen Hard- und Softwareanbietern vernachlässigt.

Über die gegenwärtigen Möglichkeiten und aktuellen Erprobungsprojekte zu berichten, wäre das Anliegen der Referate von Dr. C. Benz Siemens, Erlangen, (Dialoggestaltung und Informationsdarstellung) und Dr. H. Balzert, Triumph-Adler Fürth, (Von der direkten Manipulation zur multimedialen Kommunikation) gewesen. Daß sich hinter dem Begriff multimediale Kommunikation die Verbindung der Gesamtheit der Kommunikationskanäle (Berühren, Sehen, Sprechen, Schreiben, Eingeben per Tastatur etc.) verbirgt, muß nicht sofort offensichtlich sein.

Sprachprobleme, selbst wieder ein Thema der Kommunikation, können ebenfalls zum Ausbleiben des Anmeldesturms geführt haben. Die Arbeitswissenschaftler selbst können teilweise nicht die Schwierigkeiten bewältigen, ihre wissenschaftlichen Anliegen auf ebensolche Art zu formulieren, so daß gerade sozialwissenschaftliche Themen und Anliegen oft eher verunsichern und als attraktive Seminarthemen abgelehnt werden. Bedeutungsschwere Problemüberschriften bleiben teilweise von anderen Fachbereichen unverstanden. Dafür Zeit und Geld zu investieren, riskiert der Praktiker ungern.

Dabei hätte gerade der Organisationspraktiker sehr handlungsorientierte Darstellungen finden können. Beispielsweise in dem Projektbericht über die "Einführung integrierter Bürosysteme in den Betrieb" von Prof. Dr. H.-J. Bullinger. Rationalisierungspotential, Vorgehensstufen, Einbindung der Anwender und organisatorische Gesamtkonzepte bieten als Vortragsthemen ausreichend interessanten Stoff. Gleichermaßen unmittelbar umsetzungsbezogen und als Analyse- und Denkanstöße läßt sich das Vertragskonzept von Dr. G. W. Radl verstehen "Psychologie der Computeranwendung am Arbeitsplatz". Bei der Spannweite der Themen von menschlicher Informationsverarbeitung über Beanspruchung am Computerarbeitsplatz, kognitive Anforderungen, Informationsmanagement bis zur Angst vor dem Computer, scheint so mancher überfordert. Dabei hätte diese Veranstaltung weitere Leckerbissen zu bieten gehabt, die den Entwickler und Entscheidungsträger mit Interesse an langfristigen Perspektiven befriedigt hätte. Forderungen an künftige Systeme (Teilkonzepte der künstlichen Intelligenz) und Beispiele aus der Arbeit an wissensbasierten Systemen im Vortrag von Prof. Dr. G. Fischer "Wissensbasierte Systeme und Mensch-Computer-Kommunikation" sowie die Beschäftigung mit der Psychologie des Programmierers der Unterstützung seiner Arbeit mit Systemen, die derzeit bereits in der Textverarbeitung und Dokumentationsunterstützung Geschichte darstellen, hätten reizvoll und im Vortrag von Prof. B. Curtis "The current psychology of programming" zusätzlich sprachschulend sein können.

Insgesamt hätten sich Denkanstöße zum Thema Software-Ergonomie, einem wesentlichen Qualitätskriterium für Vorgehen im Software-Engineering fundiert erarbeiten lassen, andererseits kurz und langfristige Marktpotentiale vor allem im Zusammenhang von Entwicklungen für Sachbearbeiter und Manager aufzeigen lassen. Diese sollten auch künftig ihre Aufgabenstellung im Arbeitstraining am Computer als ihre Aufgabe sehen und daher mit einfachen, leicht erlernbaren Prozeduren und fehlerverträglichen Systemen unterstützt werden.

*Gotthard von Törne, Dipl.-Kaufmann und Dipl.-Psychologe, ist Projektmanager bei Fischer & Partner, München.