Non-Profit-Organisationen

Kein Geld für die Zivilgesellschaft

Kommentar  16.07.2020
Von 
Clemens Frede, Haus des Stiftens in München und Siegburg
Deutsche Non-Profit-Vereine und -Organisationen sind akut bedroht. Die Folgen der Coronakrise hemmen den Geldfluss - der für den dringend notwendigen, digitalen Aufbruch so nötig wäre.
Digitalisierung ist für Non-Profit-Organisationen nicht nur wegen akuten Geldmangels eine Herausforderung. Lesen Sie, woran es hapert und warum das große gesellschaftliche Gefahren birgt.
Digitalisierung ist für Non-Profit-Organisationen nicht nur wegen akuten Geldmangels eine Herausforderung. Lesen Sie, woran es hapert und warum das große gesellschaftliche Gefahren birgt.
Foto: perfectlab - shutterstock.com

Non-Profit-Organisationen (NPO) beschäftigen hierzulande rund 3,7 Millionen Menschen und erwirtschaften jährlich 4,1 Prozent vom deutschen Bruttoinlandsprodukt - so viel wie die deutsche Automobilbranche. Doch während im KfW-Rettungsschirm Unternehmen großzügig bedacht wurden, blieben Hilfen für Non-Profits aus. Dabei müssten gerade die NPO in digitale Technologien investieren, damit die Zivilgesellschaft weiter funktionieren kann.

Der Digital Report 2020 ist die aktuell größte Erhebung zum Thema Digitalisierung im Non-Profit-Sektor. Ihm zufolge beurteilt jede zweite befragte NPO die Digitalisierung als große oder sehr große Herausforderung. 62 Prozent sehen einen konkreten Nachholbedarf in ihrer digitalen Infrastruktur. Sogar 79 Prozent geben an, es sei eine Herausforderung, Personal und finanzielle Mittel für die Digitalisierung aufzubringen. Das ist kein Randproblem kleiner Vereine: Je größer die Organisation, desto gravierender wird die Herausforderung erlebt.

Non-Profit-Sektor: Sozialstaatliches Gefüge in Gefahr

Ein geschwächter Non-Profit-Sektor hätte für Deutschland schlimme gesellschaftliche Folgen. Ungefähr jeder zwölfte sozialversicherungspflichtige Job hängt von ihm ab. Stiftungen, Vereine und gemeinnützige Institutionen übernehmen viele Aufgaben für die Gesellschaft: Gewaltprävention, Nachhilfe, Obdachlosenunterstützung, Suchthilfe, Armenspeisungen etc. Die Zahl der Menschen, die bei einem Zusammenbruch ihrer unterstützenden NPO auf sich allein gestellt wären, dürfte in die Millionen gehen. Und die Verteilungskonflikte, die damit einhergehen würden, könnten das sozialstaatliche Gefüge aufs Spiel setzen.

Um das Schlimmste abzuwenden, gründeten sich in den vergangenen Monaten einige Initiativen, um dort zu helfen, wo die Lage besonders kritisch ist. Der Deutsche Olympische Sportbund rief mit der Aktion SupportYourSport zur finanziellen Unterstützung von Sportvereinen auf. In einzelnen Bundesländern helfen Stiftungen mit Soforthilfe-Fonds, zum Beispiel die Stiftung für Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement in Mecklenburg-Vorpommern.

Bereits seit 2008 engagieren sich rund 30 IT-Konzerne, darunter Microsoft, SAP, Google, Cisco und Bitdefender über Stifter-helfen.de, indem sie Non-Profit-Organisationen mit Produktspenden und Sonderkonditionen unterstützen. In den letzten zwölf Jahren konnten so IT-Ressourcen im Wert von 500 Millionen Euro vermittelt werden. Tatsächlich reichten aber wenige Wochen verordneter Stillstand in der Corona-Krise aus, um den Non-Profit-Sektor vor größte Herausforderungen zu stellen.

Microsoft Geschäftsführerin Sabine Bendiek hat das Problem erkannt. Sie fordert mehr Unterstützung in Sachen digitaler Transformation der NPO. "Dass die Zivilgesellschaft hier Hilfe braucht, hat sich im Frühjahr 2020 besonders dramatisch gezeigt. Die Lage ist Kennern des Sektors aber schon seit Jahren bewusst: Die Digitalisierung gemeinnütziger Organisationen ist kein Selbstzweck. Sie führt dazu, dass NPO ihre Aufgaben für die ganze Gesellschaft besser wahrnehmen können."

Non-Profit-Förderung: Punktuell greift zu kurz

Digital unterstützte NPO wären sicher erfolgreicher darin, ihren sozialen Auftrag zu erfüllen. Das belegt auch der Digital-Report 2020. Eine langfristige Förderung würde sich sozusagen doppelt bezahlt machen. Als erstes Bundesland startete Hessen im Mai dieses Jahres das Förderprogramm Ehrenamt digitalisiert! Doch auch hier handelt es sich um eine Unterstützung einzelner Projekte mit maximal 15.000 Euro. Zudem ist die Antragstellung aufgrund begrenzter Mittel nur bis zum 15. Dezember 2020 möglich.

Doch Fördermodelle, die nur punktuell ansetzen, greifen zu kurz. Auch der Vorstoß der Grünen, die einen Rettungsschirm für die Zivilgesellschaft fordern, wird keine Wende bringen. Um nicht den Anschluss zu verlieren, braucht der Non-Profit-Sektor keine Rettungsschirme, sondern eine langfristig unterstützte Digitalisierung auf breiter Ebene. Das gilt auch für IT-Personal: Hier geben Non-Profits aktuell zu wenig Geld aus.

Während mehr als 70 Prozent der Organisationen angeben, zukünftig in einem bestimmten Umfang in Software und Hardware investieren zu wollen, haben dies nur 20 Prozent im Bereich IT-Personal vor. 40 Prozent wollen Gelder für IT-Schulungen freigeben. Doch die neueste Hard- und Software nützt wenig, wenn die Mitarbeiter sie nicht richtig einsetzen können.

Umgekehrt lässt sich mit relativ wenigen Mitteln viel erreichen, kreative Köpfe vorausgesetzt. Ein Beispiel ist der Sportverein TC Freisenbruch, der seine Mitglieder digital an Entscheidungen beteiligt. Das Mitbestimmungsrecht reicht von der aktuellen Mannschaftsaufstellung bis hin zum Verkaufspreis der Currywurst am Spielfeldrand.

Das Ganze wird technisch von einem Projektteam aus drei bis fünf Mitarbeitern realisiert. Während des Corona-Lockdowns konnte der TC Freisenbruch in kürzester Zeit die Fundraising-Initiative "Geisterspiel-Tickets" starten und damit sogar noch andere Vereine unterstützen. Beispiele wie dieses zeigen: Mitarbeiter in Verbänden, Vereinen und Stiftungen brauchen die Digitalisierung nicht nur als Mittel zur Arbeitserleichterung, sie können auch ganz anders kreativ werden und ihre Aufgaben und Projekte von Grund auf neu denken.

NPOs: Der Staat ist gefragt

Damit die Zivilgesellschaft nachhaltig digitaler und somit aktionsfähiger wird, sind folgende konkrete Maßnahmen nötig:

  • Es braucht ein langfristiges, bundesweites Förderprogramm für solche Non-Profit-Organisationen, die nachhaltige Digitalisierungsmaßnahmen ergreifen wollen.

  • Weiterbildungen und Schulungen im Bereich IT und Digitalisierung sind unerlässlich.

  • Non-Profits müssen zu mehr Digitalisierung motiviert werden. Social Startups oder Digitalisierungsinitiativen in NPO sollten an Wettbewerben teilnehmen und sich so bemerkbar machen können. Der "Gründerwettbewerb - Digitale Innovationen" ist ein gutes Vorbild.

Die Zeit des Wartens und Aufschiebens ist vorbei. Die digitale Zukunft des Non-Profit-Sektors muss jetzt beginnen. Von der Digitalisierung der Zivilgesellschaft hängt viel ab. Der Staat muss NPOs jetzt dabei helfen, mehr soziale Wirkung zu entfalten. (hv)