Rechercheure müssen ständig auf dem laufenden bleiben:

Kein effizienter Einsatz ohne ausreichendes Know-how

27.11.1987

Probleme im Umgang mit den Datenbank-Werkzeugen können den Recherche-Erfolg schon im Vorfeld verhindern. Die Online-lnformationsbeschaffung ist ein nur zum Teil automatisierbarer Prozeß; deshalb darf die geistige Kapazität des Rechercheurs nicht durch Schwierigkeiten mit der Handhabung blockiert werden. Hermann Köstlbacher* schlägt als Lösung dieser Problematik ausreichende Schulungsmaßnahmen vor.

Ein Rechercheur muß den technischen Ablauf der Online-Recherche sozusagen "vergessen" können und darf nicht durch mangelnde Kompetenz schon im Vorfeld der eigentlichen Arbeitsaufgabe scheitern. Erklärungs- und lernbedürftig ist am Produkt Datenbankdienst zweierlei: Einmal muß die eher formale Seite beherrscht werden, also der Verbindungsaufbau zum Hostrechner des Anbieters über Datenübertragungsnetze der Post, außerdem der Einsatz der formalisierten Abfragesprache und die Sicherung der gefundenen Information. Zum anderen sind Kenntnisse der Arten und Inhalte externer Wissensspeicher, eine problemorientierte Datenbankauswahl und die Übersetzung natürlichsprachlicher Problemstellungen in adäquate Suchstrategien erforderlich. Hinzu kommt technisch-organisatorisches Wissen über die Hard- und Software sowie über die vertraglichen Voraussetzungen des Zugangs zum Netz und zu den Datenbanken.

Trial-and-Error kann ein teurer Spaß sein

Kein Mensch wird fordern, daß alle Print-Medien von der Tageszeitung bis zum Handbuch über chemische Strukturanalyse so beschaffen sein müßten, daß sie von jedermann zur Lösung von Problemen beliebiger Komplexität ohne weitere Vorkenntnisse eingesetzt werden können. Für unser Thema heißt dies: Der Benutzer externer Datenbanken muß sich innerhalb des Angebots hinsichtlich seiner fachlichen oder betrieblichen Praxis orientieren, in bezug darauf eine Auswahl treffen und seine Recherche-Fähigkeiten auf die Komplexität der zu bearbeitenden Aufgaben abstimmen.

Da die Kosten der Datenbank-Recherche im wesentlichen von der am Rechner verbrachten Zeit abhängen, wäre der Erwerb der entsprechenden Fähigkeiten im Trial-and-error-Verfahren ein ziemlich teurer, zudem langwieriger und frustrierender "Spaß". Dem Entschluß, Datenbankdienste zu nutzen, sollten deshalb bald geeignete Schulungsmaßnahmen folgen.

Am Anfang könnte so etwas wie der Erwerb eines "Online-Führerscheins" stehen, wobei es darum geht, Systemtransparenz herzustellen. Folgende Komponenten sollten behandelt werden: die Datenbanken mit den Arten der zu erwartenden Information und dem internen Aufbau, die Anbieter im Hinblick auf Dienstleistungen, Angebot und Preisgestaltung, die Datenübertragungsnetze, also Anschlußarten und Preisgestaltung der Post, sowie die benutzerseitigen Voraussetzungen von Hard- und Software.

Der nächste Schritt führt bereits in die Praxis der Retrieval-Technik. Wenn auch häufig über die uneinheitlichen Benutzeroberflächen verschiedener Datenbanksysteme geklagt wird, so ist doch - zumindest, was den allgemein notwendigen Befehlssatz betrifft - durchaus eine gemeinsame Grundstruktur der Retrieval-Sprachen ableitbar. In der Schulung kommt es darauf an, zu erkennen, daß die Unterschiede meist nur in variierender Benennung derselben Funktionen bestehen.

Ein Beispiel: Die Beendigung des Dialogs mit der Datenbank kann, je nach Sprache, durch die Wörter "stop", "ende", "logoff", "off" etc. ausgedrückt werden. Der Nutzer muß vor allem lernen, daß ein solcher Befehl zum Ende der Recherche eingegeben werden muß. Wie dieser Befehl im einzelnen lautet, weiß er entweder auswendig, oder er entnimmt es einer Liste, die neben dem Terminal liegt - oder noch komfortabler: Er hat sich die einschlägigen Kommandos auf Funktionstasten programmiert.

Wichtig ist dabei, daß diese Erkenntnisse praktisch, am Online-Terminal und in unterschiedlichen Datenbanksystemen, ohne übermäßigen Zeit- und Kostendruck sowie anhand realer Recherche-Beispiele erprobt werden können. Denn eine der großen Chancen bei der Nutzung externer Datenbanken liegt in der Möglichkeit, Informationen aus den inhaltlich vielfältigsten, räumlich über die ganze Welt verteilten Wissensspeichern direkt an den Arbeitsplatz zu holen, also Wissen, zu dem man sonst, wenn überhaupt, nur schwer Zugang hätte. Diese Möglichkeit wird aber sofort wieder eingeschränkt, wenn man wegen der Schwierigkeiten mit den Retrieval-Sprachen nur die Datenbanken eines einzigen Anbieters heranzieht.

Wurde schon in der Schulung die Grundstruktur der Retrieval-Sprachen durchschaut und geübt, gelingt der Transfer von Lernergebnissen auf neue Sprachen verhältnismäßig leicht. Die Folge ist, daß die Nutzung dieser oder jener Datenbank nicht mehr von der Kenntnis der jeweiligen Retrieval-Sprachen abhängt, sondern von dem problembezogenen Nutzen der Inhalte. Nur so wird es auf Dauer möglich sein, das gesamte Angebotsspektrum heranzuziehen.

Ein weiterer Punkt, der für die Terminalpraxis während der Schulung spricht, ist die Übung in der Entwicklung von Suchstrategien. Es ist heute noch nicht möglich, mit dem Computer natürlichsprachlich zu kommunizieren. Außerdem fehlen dem Rechner die Fähigkeiten, Fragestellungen inhaltlich zu analysieren und präzisierende Rückfragen zu stellen. Praktisch bedeutet dies: Es ist Aufgabe des Rechercheurs, die jeweilige Problemstellung so zu formalisieren und aufzubereiten, daß die gefundenen Ergebnisse in bezug auf die Fragestellung relevant sind und möglichst wenig irrelevante Information mitgeliefert wird.

Zur Entwicklung der Suchstrategie gehört die Auswahl der für die gestellten Fragen voraussichtlich geeigneten Datenbanken sowie die Vorbereitung der Anfrage. Letztere muß so gestaltet werden, daß die Online-Recherche in kürzester Zeit so präzise wie möglich ablaufen kann. Der zeitliche Aufwand für die Vorbereitung, Problemanalyse, Formulierung der genauen Suchfrage, Konsultation der Datenbankunterlagen, Thesauri, Klassifikationen, Fachwörterbücher, Übersetzung von Fachtermini etc. wird gegenüber der Dauer der eigentlichen Recherche meist weit unterschätzt. Da der Löwenanteil der anfallenden Kosten durch die reale Online-Zeit entsteht, können durch gründliche Recherche-Vorbereitungen die Nutzungsgebühren erfolgreich minimiert werden. Dieser Punkt sollte daher anhand ausgewählter Beispiele in der Schulung ausgiebig und variantenreich geübt werden. Auch die Vorteile des Einsatzes von professioneller Kommunikations-Software lassen sich hier am besten demonstrieren.

Praxiserfahrung hilft bei Kostenabschätzung

Zuletzt sollte der potentielle Nutzer sich mit der Aufbereitung der Ergebnisse vertraut machen können. Hierzu gehören Methoden wie Downloading, On- und Offline- sowie Originalliteraturbeschaffung, aber auch die Integration von Resultaten verschiedener Datenbank-Recherchen in einen Gesamtbericht. Dies wird dann besonders wichtig, wenn die Ergebnisse an verschiedene Auftraggeber weitergegeben oder in bestehende Dokumentationen eingearbeitet werden sollen.

Der "Online-Führerschein" sollte folgende Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln: Wissen über die Systemkomponenten, damit der Arbeitsplatz technisch und organisatorisch realisiert werden kann; grundlegende Retrieval-Fertigkeiten, so daß die Umstellung auf neue Sprachen keine größeren Probleme mit sich bringt; Know-how bezüglich der Entwicklung von Suchstrategien, die die Online-Recherche ökonomisieren; Übung in der Nachbearbeitung, um die Informationen zu optimieren und zu sichern sowie Praxis-Erfahrungen in der Abschätzung der anfallenden Kosten.

Welche Datenbank zu welcher Fragestellung die richtigen Ergebnisse liefert, laßt sich abstrakt kaum beantworten. Ebensowenig kann man allgemeine Ratschläge geben, mit welchen Datenbankanbietern unbedingt Verträge geschlossen werden müssen und mit welchen nicht. Dies alles hängt sehr stark von der jeweiligen Branche und dem Informationsbedarf ab, der sich überdies auch noch über die Zeit hinweg verändern kann.

Neben dem Erwerb der Grundkenntnisse und der Realisierung des Online-Anschlusses stellt sich deshalb die Frage nach einer branchenspezifischen Fortbildung. Am nützlichsten sind dabei solche Trainingskurse, die ausreichend praktische Übungsmöglichkeiten unter fachlicher Anleitung bieten und den Teilnehmern erlauben, die Datenbanken auch mittels eigener Fragestellungen zu testen. Bestandteil dieser Weiterbildungsmaßnahmen sollte es sein, fortgeschrittene Retrieval-Techniken zu erlernen und sich in die Feinheiten der Recherche-Sprachen einzuarbeiten.

Das Ziel ist die unternehmensbezogene Auswahl eines spezifischen Sektors aus dem Datenbankangebot und die Vervollkommnung der praktischen Recherche-Fähigkeiten, um auch komplexere Problemstellungen mit einem vernünftigen Aufwand an Zeit und Geld bearbeiten zu können. Da der Online-Markt ständig in Bewegung ist und auch die eigenen Informationsbedürfnisse sich ändern, kann der Besuch solcher Trainingskurse immer wieder nützlich sein, zumal der Erfahrungsaustausch mit anderen Teilnehmern oft sehr wertvolle Erkenntnisse liefert.

Für bestimmte Branchen und Fragestellungen gibt es Spezialanwendungen, die - sei es wegen ihrer fachlichen Besonderheiten oder wegen völlig anderer Retrieval-Techniken - ein besonderes Training nötig machen. Zu nennen wären hier zum Beispiel die chemische Struktur-Recherche, die wegen der grafischen Eingabemöglichkeiten ein spezielles Abfragesystem erforderlich macht, ebenso die Recherche in numerischen DBs, die vom Retrieval und von der Behandlung der Daten her eine Sonderstellung einnimmt.

Auch die Preisgestaltung weicht bei solchen Diensten von der sonst üblichen zum Teil beträchtlich ab. Es können zudem Investitionen in besondere Software notwendig werden. Gerade bei den Spezialkursen ist deshalb auf ausführliche Online-Übungsmöglichkeiten und fachliche Beratung zu achten.

Die Qualität der Datenbankdienste im Unternehmen steht in direktem Zusammenhang mit der Qualität der Ausbildung. Nach der Basisschulung sollte sofort ein Online-Arbeitsplatz eingerichtet werden, um den Transfer vom Training in die betriebliche Praxis zu sichern. Zunächst muß ein finanzielles und zeitliches Budget zur Verfügung gestellt werden, das Freiräume für die Übung schafft.

Inhaltlich können überschaubare, unternehmensbezogene Informationsprobleme bearbeitet werden. Zugleich lassen sich die Datenbankdienste innerbetrieblich bekanntmachen. Im weiteren Verlauf muß geklärt werden, zu welchen Datenbanken ein unternehmensbezogener Zugriff vorhanden sein sollte. Nach einer entsprechenden Einführungsphase können dann die anfallenden Recherche-Kosten über ein zu entwickelndes Kostenzuweisungsmodell abgerechnet werden.

Die Einführungsphase der Datenbankdienste im Unternehmen dürfte bei Bereitstellung entsprechender Mittel etwa nach einem Jahr abgeschlossen sein. Für die Rechercheure selber empfiehlt es sich, durch die regelmäßige Lektüre von Fachpublikationen sowie den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen und Messen auf dem laufenden zu bleiben.