Gartner Group: Mainframes und SNA noch lange ein Thema

Kaum zusätzliche Alternativen für RZ-Chefs in den 90er Jahren

14.06.1991

HAMBURG (see) - "Rechenzentrumsplanung in den Neunzigern" - unter diesem Motto informierte das Marktforschungsunternehmen Gartner Group 60 deutsche, österreichische sowie schweizerische DV-Anwender und Hersteller über ihrer Ansicht nach angebrachte Maßnahmen zum Erhalt der Konkurrenzfähigkeit von DV-Einrichtungen bis, zum Ende der Dekade.

Nach Darstellung von Mark Hess, Programmdirektor für den Large Computer Strategies Service der Gartner Group, bewegt sich die Anwendungsentwicklung zwar langsam vom Mainframe weg und hin zu Arbeitsplatz-Rechnern. Auf absehbare Zeit jedoch würden noch die Meisten Anwendungen wenigstens in Teilen Mainframebasiert bleiben.

IBMs strategische Ausrichtung für die Datenverarbeitung in Großunternehmen ("Enterprise Computing"), erkennbar im /390-Konzept, steckt Hess zufolge noch in den Kinderschuhen, was die Realisierung der meisten Komponenten angeht. Bis Mitte der 90er Jahre, davon ist der Forscher überzeugt, wird es dauern, bis alle Teile des Konzeptes, von AD/Cycle über SMS, Netview und APPC bis ZUM Escon-Manager zur Verfügung Stehen. Die "Enterprise-Computing-Vision" des Mainframers komme gleichwohl den wesentlichen Anforderungen der Anwender entgegen. Klar ist jedoch für den Gartner-Mann, daß IBM dem Zentralismusgedanken nach wie vor verhaftet bleibt. Deutlich werde das im Megaplex-Konzept, also der Verbindung mehrerer lokaler Rechnernetze (Sysplex), mit dessen Durchsetzung 1996 zu rechnen sei.

Vorsicht empfiehlt Hess bei Upgrades von /370- zu /390-Systemen. Der bessere Weg nach seiner Überzeugung ein kompletter Austausch des Equipments. Wachsamkeit ist nach seinen Worten in jedem Fall angebracht wenn es um die Aushandlung der "Terms and conditions" von Kauf- oder Leasingverträgen gehe. Ansonsten, warnt er, drohe der Verlust der Flexibilität und die Gefangenschaft in einer Herstellerwelt.

Alle Kommunikationsanforderungen, innerhalb von Unternehmen oder Konzernen und zwischen ihnen - zu erfüllen, wird keine derzeitige oder künftige Netzarchitektur in der Lage sein, prophezeit Gerhardt Sundt, Programmdirektor European Telecommunications Strategies Service bei Gartner. Obwohl OSI-basierte Netze die größte Gewähr für Kommunikationsoffenheit böten, sieht er ihre Durchsetzung im Bereich der Kommunikation zwischen verschiedenen Unternehmen stark behindert. Weil die existierenden Anwendungen in den Unternehmen mit den darunterliegenden Netzen- meist SNA- eng verbunden seinen, so Sundt, könne man nicht von einer baldigen radikalen Öffnung der Netz-Protokolle ausgehen. Außerdem gebe es mit Netzprodukten nach dem OSI-Standard noch kaum wirtschaftlich verwertbare Erfahrungen, etwa was den "Return on investment" einschlägiger Installationen angehe.

Nicht vor 1997 wird nach Sundts Voraussage das öffentliche Bereitbandnetz ISDN zur Verfügung stehen, weshalb "Überlebensstrategien" von RZ-Betreibern sich auf private Netzverbindungen konzentrieren müßten. Voraussetzung für eine gesicherte Existenz im künftigen Europa aber sei es, neue Applikationen netzunabhängig auf Application Programming Interfaces (API) aufzusetzen.

Bei der Hardware-Ausstattung ihrer Standorte werden sich RZ-Betreiber in den Neunzigern zunehmend auf die PCM-Anbieter Amdahl und Hitachi Data System (HDS) beziehungsweise Comparex und Olivetti stützen glaubt Mark Hess. Gegenwärtig böten die Steckerkompatiblen die attraktiveren Produkte, was die Rechenleistung, Granularität, Konfiguration, Lieferzeiten, Finanzierungsangebote und sie Softwarepreise betrifft. Sowohl Amdahl als auch HDS traut der Gartner-Forscher zu, in einem für die Anwender akzeptablen Zeitraum die /390-"Vision" der IBM mit funktionalen Verbesserungen auf den Markt zu bringen.

Vorsicht sei den Kunden doch auch in der Vertragsgestaltung mit den PCMern zu empfehlen, gerade was Leistungs-Upgrades angehe: Migrationen von Interimslösungen auf jeden Fall die Möglichkeit offenhalten, auf noch anzukündigende Modelle zu wechseln.