Hauni Maschinenbau setzt auf bedarfsorientierte Schulung

Kaum Reibungsverluste beim Wechsel auf R/3

13.09.1996

Bislang stützte sich die Hauni Maschinenbau AG bei der Auftragsabwicklung und den begleitenden betriebswirtschaftlichen Prozessen weitgehend auf das Mainframe-Programm SAP R/2 - 4.3 und einen Host BS2000 H90 als Plattform. Doch Anfang 1994 zeichnete sich für den Großrechner die Leistungsgrenze ab. In einer Vorstudie überlegte das DV-Management zwar auf einen leistungsfähigeren Host und auf das R/2-Release 5.0 umzusteigen, gelangte dabei jedoch zu dem Ergebnis, daß der erforderliche Investitions- und Umstellungsaufwand zu hoch sei. Schließlich fiel die Entscheidung für eine Client-Server-Umgebung und das Produkt R/3 des Walldorfer Softwarehauses.

"Obwohl oder gerade weil Mitte 1994 kaum praktische Erfahrungen über den Wechsel von Mainframe-Umgebungen auf SAP R/3 vorlagen, faßten wir damals den Entschluß, uns dem Thema erst einmal intern zu stellen", erinnert sich Ragnhild Morgenstern, stellvertretende Projektleiterin SAP-R/3. "Uns war nämlich ziemlich schnell klar, daß der Wechsel auf R/3 eine Zäsur darstellt und nicht nur den Umstieg von einem Programm auf ein anderes." Zahlreiche Unteraspekte würden hineinspielen, die nicht zu unterschätzen seien.

Bei der Beurteilung dieser Auswirkungen auf die DV-Logistik wollte sich Hauni freilich nicht alleine auf externe Berater verlassen, sondern auch auf eine eigene Basiskompetenz stützen können. Deshalb richtete man intern ein Test- und Prototyping-Projekt für die Fachabteilungen ein, das in einem ersten Schritt innerhalb von fünf Monaten das notwendige Grundlagenwissen in Sachen R/3 zu erarbeiten hatte.

In insgesamt 24 Teilprojekten ging es unter anderem darum, die Qualitäten des Customizing, die Funktionalitäten innerhalb der einzelnen R/3-Module, die Beherrschbarkeit der neuen Unix-Umgebung, die Netzbelastung und die möglichen Folgen eines Netzausfalls auszuloten. Dabei gelangte das Projektteam zu der Überzeugung, daß der Wechsel in dosierten Einzelschritten vorzunehmen sei. In diesem Zusammenhang fiel denn auch die Entscheidung, die laufenden R/2-Anwendungen auszulagern und deren Abwicklung auf einen externen Dienstleister zu übertragen, um sie dann auf R/3 wieder ins Haus zu holen. Von Anfang an war man sich im Projektteam auch darüber im klaren, daß ein reibungsloser Wechsel nur durch rechtzeitige Einbeziehung und qualifizierte Schulung der Anwender zu bewerkstelligen sei.

Bereits vorher hatte sich das Projektteam nach der erforderlichen Hardware umgeschaut und nach einem Systemvergleich für eine einjährige Probestellung und die anschließende Übernahme von HP-Geräten entschieden. Ausschlaggebend dafür war einerseits die Nähe des Herstellers zu SAP, andererseits die Tatsache, daß der amerikanische Computerbauer ein überzeugendes Beratungs- und Schulungsangebot vorlegen konnte. Überzeugend daran war insbesondere HPs Bereitschaft, sich losgelöst von starren Schulungsschemata mit ausgewählten Trainern am konkreten Unternehmensbedarf zu orientieren.

Ziel des ersten Schulungspakets war, das vorhandene Überblickwissen der Bereiche Organisation und Datenverarbeitung zu vertiefen. Eingebunden in diese Maßnahmen war ein Team von zehn bis 15 Teilbereichsspezialisten der DV-Abteilung. Im Anschluß an diese Grundlagenschulung folgte als zweiter Block ein detailliertes Schwerpunkt-Training, in dem die Vertreter der Fachbereiche jeweils mit den R/3-Spezifika in ihren Disziplinen vertraut gemacht wurden: Anwendungsentwickler beispielsweise im Rahmen modulspezifischer Kurse, Netzwerkbetreuer in netzwerkorientierten Unterweisungen, Datenbankspezialisten im entsprechenden R/3-Umfeld.

Diese Trainings fanden im eigens präparierten Schulungsraum statt, der mit allem notwendigen technischen Equipment ausgestattet ist und über eine Anbindung an das eigene R/3-System verfügt.

Gleichzeitig mit den ersten Kursen legte das Projektteam die detaillierte Vorgehensweise für die Einführung der Anwendungsmodule fest. Dabei reifte der Entschluß, aus Termingründen auf ein Prototyping zu verzichten und sofort in die Testphase zu gehen. Die Ablösung der R/2-Anwendungen muß nämlich wegen der zweistelligen Datumsfelder Anfang 1998 abgeschlossen sein, weil manche Kundenaufträge zweijährige Vorplanungen erforderlich machen.

Startprojekt war die Finanz- und Anlagenbuchhaltung. Dafür und für alle anderen Module innerhalb des Auftragserfüllungs-Prozesses wurden Projektteams mit starker Anwenderpräsenz gebildet. Bewußt wurde auch die Leitung dieser Teams einem Anwendervertreter übertragen, um auf diese Weise noch einmal zu unterstreichen, daß das R/3-Projekt als Anwender-, nicht als DV-Projekt verstanden wird.

Durch die Beteiligung der Anwender an der gemeinsamen Entwicklung spezifisch ausgelegter Schulungsmodule konnten auch zum Teil noch bestehende Vorbehalte gegen das neue System im Vorfeld der Einführung abgebaut werden. Der direkte Dialog zwischen den Leitern der Anwendungsprojekte und den HP-Trainern verhinderte Redundanzen. Im Gegensatz zu den Vertretern aus den Fachbereichen bevorzugten die mit durchschnittlich 15 Mitarbeitern besetzten Anwendungsprojekte das externe Training in den HP-Schulungsräumen, um einen durch Anforderungen aus dem Tagesgeschäft ungestörten Ablauf sicherzustellen.

Inzwischen haben seit Anfang 1995 alle Projektteams mit insgesamt mehr als 100 Mitarbeitern Kurse absolviert. Die Finanz- und Anlagenbuchhaltung arbeitet seit dem 1. Mai 1996 aktiv mit R/3, weitere Teilprojekte folgen. Zum Stichtag 1. April 1997 wird es bei Hauni kein R/2 mehr geben.

Durch das Engagement der Mitarbeiter konnten alle Zeit- und Budgetpläne eingehalten werden. Für Ragnhild Morgenstern zählt dabei neben der Qualität und individuellen Ausrichtung der Schulung auch die logistische Leistung des externen Partners. "Die HP-Schulung erwies sich in jeder Hinsicht als flexibel - selbst wenn wir Änderungswünsche bei Terminen oder Schulungsinhalten anzumelden hatten", so die stellvertretende R/3-Projektleiterin.

Gute Ausbildung hat ihren Preis. Der Hamburger Maschinenbauer hat dafür gut zehn Prozent des gesamten R/3-Investitionsvolumens bereitgestellt. Doch das Lehrgeld sieht man gut angelegt.

Nischenpionier

Wo immer irgendwo auf der Welt in irgendeiner Form Tabak verarbeitet wird, kennt und braucht man Hauni. Hauni, 1946 von Dr. Kurt A. Körber gegründet,entwickelte in den 50er Jahren eine Maschine zur industriellen Herstellung von Filterzigaretten, die das Unternehmen global zur Nummer eins unter den Maschinenlieferanten der Tabakindustrie gemacht hat. Nach dem Hauni-Verfahren werden heute weltweit alle Filterzigaretten hergestellt. Das zur Körber-Gruppe gehörende Hamburger Unternehmen erwirtschaftete 1995 mit rund 2800 Mitarbeitern einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Mark, der zu über 90 Prozent aus Exporten erlöst wurde.

*Wilfried Klapprott ist freier Fachjournalist in Hamburg.