Kaum ein Pinguin am digitalen Reissbrett

24.11.2005
Von Dirk Rohlfing
Quelloffene Software macht bei CAD-Software erst langsam Boden gut.

CAD-Programme unter Linux? Eigentlich kein Problem, sollte man denken. Und doch finden viele CAD-Anwender noch immer keine geeignete Linux-Alternative. Bis heute sind die meisten Anbieter von CAD-Programmen wie "Autocad", "Inventor", "Solid Works", "UG" und "Catia" in Sachen Linux noch merkwürdig zögerlich. Als einer der ersten Anbieter hat sich Anfang dieses Jahres der amerikanische CAD-Softwarehaus UGS aus der Deckung gewagt, und eine Linux-Unterstützung für die Produkte "Teamcenter" und "NX Solutions" angekündigt. Ebenfalls eine Ausnahme ist der Anbieter PTC, der seit einigen Monaten erfolgreich eine Linux-Version der CAD-Software "Pro-Engineer" vermarktet.

Hier lesen Sie …

• wie es um das Angebot an Linux-fähiger CAD-Software bestellt es;

• was sich bezüglich des besonders weit verbreiteten Programms "Catia" tut;

• welche neueren technischen Entwicklungen und Forderungen von Anwen- dern eine Erweiterung des Angebots wahrscheinlich machen.

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Natürlich gibt es noch mehr CAD-Programme, die unter Linux laufen. Diese sind jedoch eher etwas für die Anwender, die nicht in der CAD-Profiliga spielen müssen. Als System für CAD-Einsteiger, die auf Linux nicht verzichten wollen, empfiehlt etwa Gerhard Reithofer vom Grazer CAD-Spezialisten Tech-EDV die Software "Varicad": "Die Funktionalität dieser Software ist beeindruckend." Das Angebot- des gleichnamigen tschechischen Herstellers sei zwar "ganz sicher kein Highend-System aber genau das Richtige für denjenigen, der ein effizientes, kleines und handliches 3D-System sucht." Darüber hinaus stimmt der Preis: "Für den Preis einer Catia-Lizenz bekommt man zirka 30 bis 50 Varicad-Lizenzen", so Reithofer.

Mit der Software "Bricscad" (Intellicad) hält der Grazer CAD-Experte noch einen weiteren heißen Softwaretipp bereit. "Es handelt sich dabei um eine Wine-Portierung der Windows-Version", erklärt Reithofer. "Die Software ist kompatibel mit Autocad, so dass man alte Autolisp-Entwicklungen mit minimalen Änderungen sofort weiterverwenden kann. Damit hätte man dann quasi ein Autocad unter Linux."

Was tut sich sonst in Sachen CAD und Linux? Für Bewegung könnte IBM sorgen, arbeitet doch dieses Unternehmen seit vielen Jahren eng mit dem französischen CAD-Anbieter Dassault Systèmes zusammen. Ergebnis dieser Partnerschaft ist eine Produktfamilie, die neben dem CAD-Flagschiff Catia weitere Produkte wie "Smarteam" und "Enovia" umfasst. Zumindest die Franzosen profitieren von dieser Zusammenarbeit, schließlich sorgt Big Blue mit 350 Millionen Euro (2003) für gut die Hälfte des Dassault-Umsatzes.

IBM und Dassault zaudern

IBM hat die CAD-Aktivitäten in einer Einheit für Product-Life- cycle-Management (PLM) zusammengefasst. Und dort redet man nicht gerne über Linux. Bestätigen will man in der Stuttgarter IBM-Zentrale nur die Existenz eines internen Papiers zu einem im letzten Herbst herausgebrachten Catia-Release. Dieses "Smarteam V5R14 Fact-Sheet" erwähnt, man bereite für die vorgelagerten Produktdaten- Managment-(PDM-)Systeme - nicht für Catia selbst - die Unterstützung von Linux-Clients vor. Doch bisher ist es bei dieser Ankündigung geblieben.

Viele CAD-Anwender verstehen immer weniger die zögerliche Haltung von IBM in Sachen Linux und CAD. Und hartnäckig hält sich in der Branche das Gerücht, dass es nicht mehr lange dauern werde, bis IBM Druck macht. "Catia für Linux kommt, sobald ein großer Anwender das ultimativ verlangt", erklärt ein IBM-Mitarbeiter, der nicht genannt werden möchte.

Linux-Catia in der Schublade

In der Tat scheint Dassault bereits seit einigen Jahren eine fertige Linux-Version von Catia in der Schublade zu haben. Bereits Anfang 2000, "zu einer Zeit, als Linux in aller Munde war", habe Dassault "bei seinen größeren Kunden eine Umfrage in Bezug auf Betriebssystem-Wünsche gemacht", berichtet ein Catia-Anwender, der damals ebenfalls Post von Dassault bekam. Der Anbieter habe seinerzeit mindestens 2000 Installationswillige für Catia unter Linux gesucht, berichtet ein anderer Anwender. Bereits zu diesem Zeitpunkt soll es eine fertige Linux-Version für Catia gegeben haben.

IBM bestätigt diese Schilderungen: "Unser Partner Dassault Systèmes besitzt eine Linux-Version", teilte Klaus Schäfer, der damalige Director of Sales IBM Product Lifecycle Management für Europa, den Nahen Osten und Afrika, bereits vor gut einem Jahr der Öffentlichkeit mit. "Was aber definitiv fehlt", so Schäfer damals, "ist die Nachfrage der Kunden. Sollte die allerdings steigen, werden wir sicher über ein entsprechendes Angebot nachdenken."

Veröffentlich hat IBM die Ergebnisse der Dassault-Anwenderbefragung von 2000 bis heute nicht. Ein auffallend großes Interesse an Linux belegen allerdings die Resultate einer Ende 2003 durchgeführten Umfrage. Catia auf Linux-Rechnern war damals für zwei Drittel der Befragten eine interessante Option.

Dassaults Antwort auf diesen Wunsch nach einer Betriebssystem-Alternative ist eine Windows-Version der CAD-Software, die seit dem fünften Catia-Release zur Verfügung steht. Ein Angebot, das reges Interesse findet: Jeder zweite Catia-Kunde nutzt die Software bereits auf Windows-PCs.

Überzeugte Linux-Nutzer

Bei einer solchen Entwicklung wird naturgemäß der Ruf der Anwender nach weitergehenden Verbesserungen, die eine Linux-Version bringen könnte, etwas leiser. Schließlich wird es nicht in jedem Unternehmen zu einem derartigen Zusammentreffen von Catia-Software und überzeugten Linux-Anwendern kommen wie unlängst in einem Berliner Betrieb. Dort würde man "lieber heute als morgen auf Catia für Linux umsteigen", zumal die Server jetzt schon unter Linux laufen.

Bezogen auf die Masse aller Catia-Arbeitsplätze macht Windows als Betriebssystem erst langsam Boden gut. Derzeit läuft nur jede fünfte Catia-Lizenz unter Windows, weil sich gerade Großanwender mit vielen Arbeitsplätzen schwer tun, auf einen Schlag alle CAD-Rechner auszutauschen. Dies ist einer der Gründe dafür, warum sich für diese Anwender auch die möglichen Vorteile einer Linux-Migration ihrer CAD-Arbeitsplätze nicht unmittelbar auszahlen würden. Hinzu kommt, dass Dassault gerade mit der Einführung der 64-Bit-Architektur dafür sorgt, dass CAD-Anwender in Zukunft die vorhandenen Rechner besser werden auslasten können.

Cluster-Unterstützung

Gespannt beobachtet so mancher CAD-Anwender, wie sich IBM beziehungsweise Dassault in der Linux-Arena positionieren werden. Schließlich ist die CAD-Szene seit einiger Zeit in Bewegung: Immer mehr Unternehmen aus diesem Umfeld bieten mittlerweile für ihre Produkte Linux-Unterstützung an. "Unsere Software läuft bereits auf Linux-Clustern", bestätigt Karl-Heinz Braumann von Fakespace Europe.

Ähnlich sieht es bei Fluent aus, dem führenden Anbieter von Lösungen rund um die computergestützte Strömungsoptimierung. Auch dieser Hersteller arbeitet eng mit Dassault zusammen. Gleichwohl läuft auch diese Software bereits auf Linux-Clustern. (ls)