Microsoft-Oberflaeche als strategische Plattform

Kaufhof hat mit Windows am Desktop noch viel vor

23.04.1993

Mit seiner modernen DV-Strategie geniesst Kaufhof inzwischen weltweit hohes Ansehen - diesen Eindruck vermittelt zumindest die CW-Schwesterpublikation "Computerworld", die dem Handelskonzern grossen Respekt zollt. Der Konzern beruecksichtige die wichtigsten DV-Trends wie die Realisierung von Client-Server-Architekturen auf PC-Basis, die Einrichtung von Hochgeschwindigkeits-LANs und die Nutzung von Windows als grafischer Oberflaeche und Entwicklungsumgebung.

Das uebergeordnete Ziel des Projektes, das die deutsche Microsoft- Tochter Microsoft Consulting Services unter anderem mit Beratung und Schulung unterstuetzt, besteht darin, den Informationsfluss zwischen den Kaufhof-Mitarbeitern der Hauptverwaltung und der Regionen zu optimieren. Zu diesem Zweck wird nach Microsoft- Angaben eine Client-Server-Architektur entwickelt, die den auch weiterhin installierten Mainframe mit derzeit 3000 in Novell-LANs vernetzten Diskless-PCs verbindet.

Zwei Datenbankprojekte standen zunaechst im Mittelpunkt: ein "Waren-Informationssystem" (WIS) fuer Einkaufsleiter, um auf uebergeordneter Ebene Kaufentscheidungen treffen zu koennen, und ein "Artikel-Informationssystem" (AIS), mit dessen Hilfe sich Einkaeufer ueber einzelne Artikel - nach Kriterien wie Markenname, Groesse oder Farbe - informieren koennen. Beide Systeme stellen dem Konzern bundesweit Umsatzinformationen bereit, die bis auf die Kaufhausebene hinunterreichen.

Im Kaufhof-Konzern werden die Basisinformationen des zentralen Warenwirtschafts-Systems jetzt regelmaessig von Mainframe in eine SQL-Server-Datenbank unter OS/2 geladen, wo sie mittels der in Visual Basic geschriebenen Anwendungen abgefragt werden koennen. Das Unternehmen begann mit diesem Teilprojekt 1991, zu einem Zeitpunkt also, an dem von der Windows-Datenbank Access und der Datenbank Schnittstelle ODBC nur in der Theorie die Rede war.

Siemens und Telekom haben massgeblich Anteil

Die Ergebnisse der Recherche lassen sich an die Tabellenkalkulation Excel 4.0 oder - eingebettet in ein Textdokument - via E-Mail an andere Mitarbeiter weiterleiten. Auf diese Weise koennen die benoetigten Daten schneller zusammengestellt, sortiert und berechnet werden.

Ebenfalls neu entwickelt wurde mit Hilfe der Microsoft- Consultants eine integrierte Buero-Anwendung, die "Buero- Oberflaeche". Vom Zugriff auf die unternehmensweite Datenbank bis hin zur Flug- und Bahnreservierung sollen sich kuenftig ueber diese Oberflaeche alle wesentlichen Arbeitsschritte realisieren lassen.

Mit dem "Vielzweckterminal" erhaelt etwa der Einkaufsleiter als Anwender der Client-Server-Anwendung WIS eine Ablaufkontrolle ueber einen komplexen Arbeitsgang: Er wird vom WIS ueber Umsatzveraenderungen bei bestimmten Artikeln informiert, analysiert die Daten in Excel und kann die Grafik anschliessend in ein vordefiniertes Memo einbetten. Per E-Mail schickt er die Mitteilung dann an eine festgelegte Empfaengergruppe.

Ralf-Rainer West, DV-Chef der Kaufhof Holding AG, haelt sich mit Einzelheiten zur DV-Umstrukturierung zurueck. Sein Unternehmen habe viel Geld investiert, daher wolle man die Fruechte dieser Arbeit auch selbst ernten. Da das Projekt bahnbrechend sei, koenne er nicht verhindern, dass Microsoft sich damit an die Oeffentlichkeit wende, doch auch Siemens und die Telekom haetten massgeblich Anteil am Gelingen. Kaufhof werde moeglicherweise selbst Teile der Neuentwicklungen vermarkten.