Kash n' Karry fluechtet ins Outsourcing US-Handelskette: Stopp fuer Objekt-Entwicklung

31.03.1995

MUENCHEN (IDG) - Zwei Jahre nach Bekanntgabe der vielversprechenden Plaene zur Reorganisation ihrer IT-Landschaft muss die schuldenbeladene US-amerikanische Lebensmittelkette Kash n' Karry Food Stores Inc. mit Hauptsitz in Tampa, Florida, das Vorhaben aufgeben. Die objektorientierten Ambitionen fallen nun dem Sparstift zum Opfer - Outsourcing heisst die Devise.

"Wir haben vor, Kash n' Karry aus der IS-Forschung und - Entwicklung herauszuhalten", kuendigt Ron Johnson an, der neue Chief Executive Officer (CEO) der auf eine Milliarde Dollar Jahresumsatz geschaetzten Handelskette. Der Manager wurde einen Monat, nachdem das Unternehmen einem Konkursverfahren entkam, zum Unternehmenschef ernannt.

Das franzoesische Software- und Systemhaus Generale de Service Informatique (GSI) soll nun die gesamte Informationsverarbeitung uebernehmen, einschliesslich der Entwicklung von neuer Mainframe- Software fuer die Beschaffung und fuer ein Point-of-Sale-System. Die frueheren Plaene fuer eine objektorientierte Entwicklung werden aufgrund der angespannten Finanzlage des Unternehmens eingefroren.

"Vielleicht sind wir technisch doch zu weit vorgeprescht", raeumt Denis Matthys heute ein. Er gehoerte zu den frueheren Unix- Entwicklern und koordiniert mittlerweile das Outsourcing. "Wir muessen uns wieder auf das Kerngeschaeft besinnen, indem wir Lebensmittel verkaufen. Vermutlich haetten wir auch frueher zu anderen Technologien greifen koennen, die den Zweck schneller haetten erfuellen koennen. Trotzdem hat das Arbeiten an einer neuen Technologie Spass gemacht."

Unter anderem schuf Kash n' Karry eine eigene objektorientierte Programmiersprache, Datenbank sowie Entwicklungs-Tools, indem das Unternehmen auf Public-Domain-Software zurueckgriff, die ueber das Internet zu bekommen war. Ausserdem fungierte der Lebensmittelhaendler als Testanwender fuer einen kleinen Hersteller objektorientierter Werkzeuge, die Oberon Software Inc., die inzwischen laut CW-Schwesterpublikation "Computerworld" vom Markt verschwand. Insgesamt hat das Experimentieren mit Objekttechnik in drei Jahren etwa 1,5 Millionen Dollar gekostet.

Uebrig bleibt eine zwei Jahre alte Lager- sowie eine Preisfindungssoftware. Letztere wurde in nur sechs Wochen erstellt, nachdem zwei Mainframe-Programmierer unabhaengig davon zwei Jahre lang vergeblich versucht hatten, eine aehnliche Applikation zu schreiben. Beide Systeme sowie Sun-Workstations und -Server gehen ueber an die GSI. Dennoch lehnt Johnson weitere objektbasierte Projekte fuer sein Unternehmen ab.

Objektorientierte Flausen

Die Lebensmittelkette Kash n' Karry entschied sich urspruenglich fuer die Objekttechnologie, weil sie sich davon ein flexibles Softwaresystem erhoffte. Insbesondere die Wiederverwendbarkeit von Programmteilen sollte dem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil garantieren.

Ein 17koepfiges Team von talentierten IS-Technikern schuf dazu die K n' K-Sprache, einen individuell zugeschnittenen C++-Code. Damit sollten Unix-Applikationen fuer Sun-Rechner geschneidert werden. Der jaehrliche IS-Etat wurde vor zwei Jahren mit 1,2 Millionen Dollar veranschlagt.

Der Versuch, ein fertiges Entwicklungsset der Firma Oberon Software Inc. zu uebernehmen, wurde jedoch 1994 gestoppt, als die japanischen Investoren des kleinen Tool-Herstellers einen Plattformwechsel von Unix auf Windows verordneten.

Die groesste objektorientierte Anwendung, die Kash n' Karry entwickelte, laeuft in der Warenrueckgabe des Zentrallagers. Die Applikation registriert und katalogisiert die beschaedigte und zurueckgegebene Ware von allen 132 Filialen. Das sind etwa 50 000 Transaktionen pro Tag.

Damals benoetigte das Entwicklungsteam nur vier Monate zur Erstellung der Anwendung. Wie das Unternehmen 1993 errechnete, konnte das System die Produktivitaet um 35 Prozent steigern und fuehrte zu einer Ersparnis von 90 000 Dollar an Kosten fuer Fremdanbieterprodukte. Zur Zeit befinden sich 25 Sun-Workstations mit SunOS im Einsatz.