Fachkommentar zum Thema Patentrecht

Kartellrecht schlägt Patentrecht

02.03.2012
Von Dr. Thomas Nägele

Schutzrechte versus Fortschritt

Im Gegensatz dazu steht das allgemeine Interesse an einem ungehinderten und möglichst vielgestaltigen Wettbewerb. Dieser wird durch das Kartellrecht geschützt.

Dieser Konflikt wird aktuell im Bereich der IT, aber auch bei pharmazeutischen Erzeugnissen deutlich. Beide Märkte sind durch eine hohe Dichte an Schutzrechten und aufeinander aufbauende Technologien gekennzeichnet. Unternehmen, die im Besitz von Schutzrechten sind, haben häufig eine Sperrposition inne, das heißt, sie können die weitere Marktentwicklung behindern. Im öffentlichen Interesse liegt es jedoch, dass der technische und medizinische Fortschritt nicht durch Schutzrechte behindert wird.

Standardisierung führt zu Konflikten

In der IT spielt die immer weiter fortschreitende Standardisierung eine erhebliche Rolle. Sie kann doppelten Arbeitsaufwand verhindern, Produktionskosten senken, den Wettbewerb fördern und zusätzliches Vertrauen in die Produkte schaffen. Bekannte Standards wie GPRS oder UMTS im Mobilfunk, CD, DVD und Blue-ray bei Speichermedien oder MP3 und MPEG bei der Audio- und Videocodierung sind Beispiele dafür, wie technischer Fortschritt in Form neuer und besserer Produkte für die Verbraucher nutzbar gemacht wurde.

Die Standardisierung führt aber unweigerlich zu Konflikten: Sobald der Inhalt eines Standards in den Schutzbereich eines Patents fällt, hat der Patentinhaber die Möglichkeit, die Anwendung des Standards zu blockieren.

Einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden: Philips war im Besitz eines Grundlagenpatents, das alle Hersteller handelsüblicher wiederbeschreibbarer CDs nutzen mussten. Der niederländische Konzern hatte vielen Unternehmen eine Lizenz auf das Patent erteilt. Aber ein Wettbewerber wollte diese Lizenz nicht erwerben. Aus seiner Sicht waren die Lizenzgebühren überhöht; außerdem habe Philips anderen Unternehmen günstigere Konditionen eingeräumt, sagte er. Der Wettbewerber produzierte seine CDs also ohne Lizenz, wurde von Philips daraufhin wegen Patentverletzung verklagt.

Im Verfahren macht der Beklagte geltend, dass Philips seine marktbeherrschende Stellung mißbrauche. Und der Bundesgerichtshof ließ dieses Argument, den "kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand", gelten. Es entschied: Ein Patentinhaber darf nicht gegen das kartellrechtliche Verbot verstoßen, Wettbewerber zu diskriminieren oder ohne sachlichen Grund zu behindern. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Wettbewerber das Patent sogar ohne ausdrückliche Erlaubnis des Patentinhabers benutzen.