Karrierewege zum Projekt-Manager

18.01.2006
Von Ilona Hörath
Unternehmen wie Siemens und IBM entwickeln berufliche Modelle, die neben der Fach- und Management-Laufbahn auch Aufstiegspfade in der Projektarbeit eröffnen.

"Auf Dauer wird die Weiterbildung zum Diplom-Projekt-Manager meiner Karriere gut tun", ist sich Oliver Steidl sicher. Im November 2005 schloss der 33-Jährige den Aufbaustudiengang "Projekt-Management" an der Fachhochschule Gießen-Friedberg ab. Ganz neu ist die Projektarbeit für ihn aber nicht. Seit drei Jahren leitet er bei der Deutschen Bank IT-Projekte im Bereich Wertpapierabwicklung mit Schwerpunkt Steuern.

Hier lesen Sie ...

  • was Unternehmen von Projektleitern erwarten;

  • welche Aufstiegsmöglichkeiten Mitarbeiter im Projekt-Management haben;

  • wo man sich weiterbilden kann, wenn der eigene Arbeitgeber nichts anbietet.

Dass er neben dem Job noch einmal büffelte und jede Menge Zeit investierte, um sich zum Diplom-Projekt-Manager zu qualifizieren, war für ihn zwangsläufig: "Ich wollte mich von anderen Bewerbern abgrenzen und mich für meinen Arbeitgeber attraktiver darstellen", begründet der Diplombetriebswirt seine Entscheidung. Damit bewies Steidl Gespür für den derzeitigen Wandel.

Britta Kammel, Management Circle: "80 Prozent der Projekte scheitern an den sozialen Kompetenz der Projektverantwortlichen."
Britta Kammel, Management Circle: "80 Prozent der Projekte scheitern an den sozialen Kompetenz der Projektverantwortlichen."

Wer noch vor ein paar Jahren erfolgreich ein Migrationsprojekt abwickelte oder ein weltweites Mitarbeiterportal aufbaute, für den galt die Projektleitung als Sprungbrett zu einer Führungskarriere. Andere wählten die Fachlaufbahn. Doch nun etabliert sich neben der Fach- und Linienlaufbahn ein dritter Karrierepfad: Hier führt der Weg nach oben über das Projekt-Management. Am Ziel angekommen, lässt sich gut verdienen. Branchenexperten schätzen die Einstiegsgehälter für Projektleiter auf etwa 50 000 Euro pro Jahr; wer ein Großprojekt verantwortet, darf bis zu 150 000 Euro mit nach Hause nehmen.

Er (oder sie) muss dabei alles können: "Früher galten Projektleiter als Fachexperten, die ein technisches Problem lösen mussten. Heute tragen sie die Ergebnis- und Gesamtverantwortung", weiß Joachim Fischer, der die Siemens-eigene Projekt-Management-Initiative pm@siemens koordiniert.

Längst fahren Unternehmen einen Großteil ihres Umsatzes durch Projektgeschäfte ein. Allein Siemens erwirtschaftet laut Fischer 50 Prozent seiner Umsätze mit Projekten. Und die sind, ob klein oder im dreistelligen Millionenbereich, alle komplexer und anspruchsvoller geworden. Gute Projektleiter muss man suchen. "Voraussetzung sind eine starke Persönlichkeit und ein hohes Maß an Beharrlichkeit und Durchsetzungsvermögen", sagt Bernhard Hirth, geschäftsführender Gesellschafter der Garchinger pth GmbH, die Organisations- und IT-Projekte auch im Milliardenbereich umsetzt.

Dass der Erfolg eines Projekts mit dessen Manager steht und fällt, weiß auch Britta Kammel, die die Projekt-Management Akademie des Veranstalters Management Circle leitet: "Mitarbeiter werden als Projektleiter abgestellt und sind oft nicht die optimale Besetzung." So werde eben der beste Techniker mit Führungsaufgaben betraut, nach dem Motto: Wenn er schon als Techniker gut ist, dann kann er auch das Projekt stemmen. Ob er das auch will und dafür geeignet ist, interessiert meist wenig.

Diejenigen, die im Projekt-Management Karriere machen möchten, haben zumindest bezogen auf die Auftragslage gute Chancen: Nach Jahren der Zurückhaltung stoßen die Firmen wieder IT-Projekte an, was den Bedarf an qualifizierten Management-Profis erhöht. Kein Wunder also, dass immer mehr Unternehmen fehlende Projektleiter-Ressourcen entweder einkaufen oder sich den Führungsnachwuchs selbst heranziehen. So bietet Siemens seit Oktober 2000 seinen Mitarbeitern das so pm@Siemens-Programm an.

Diese Karriereleiter hat vier Sprossen - beginnend mit dem Project Practitioner. Danach kommen der Projekt-Manager, der Senior Projekt-Manager und schließlich der Projektdirektor. "Der Kandidat kann sich langsam hocharbeiten", sagt Karrierekoordinator Joachim Fischer - also vom kleinen IT-Teilprojekt wie beispielsweise einer SAP-Einführung bis hin zu einem Vorhaben mit einem Volumen zwischen 300 und 700 Millionen Euro, wie es etwa der Aufbau der IT-Landschaft für die elektronische Erstellung von Pässen oder die Entwicklung einer Steuerung für eine Gepäckförderanlage sein kann. "So etwas muss man erst einmal lernen", kommentiert Fischer. Je nach Projektstufe bietet Siemens spezielle Seminare wie Vertrags- und Chain-Supply-Management sowie Lernprogramme inklusive Fach- und Persönlichkeitstraining.

Wolfgang Friesike, IBM: "Ein guter Projektleiter ist mit 35 Jahren noch jung."
Wolfgang Friesike, IBM: "Ein guter Projektleiter ist mit 35 Jahren noch jung."

IBM entwickelte ebenfalls eine "Viererkette", die, ähnlich wie bei Siemens, vom Lehrling über den Gesellen bis zum Meister seines Faches und dann zum "Executive Project Manager" führt. "Zu jeder Stufe existieren spezielle Anforderungen und eigene Ausbildungs-Curricula, mit denen man wächst", erläutert Wolfgang Friesike, Leiter der Abteilung Projectmanagement Practise. Daneben wird auch die interkulturelle Kompetenz geschult, damit sich Projektleiter zum Beispiel in anderen Kulturen zurechtfinden.

Bei IBM arbeiten Einsteiger meist erst einmal bis zu drei Jahre als IT-Professionals auf den unterschiedlichsten Gebieten - zum Beispiel als Entwickler oder Consultant im Bereich Internet-Portale. In dieser Zeit werden gemeinsam mit der Personalabteilung die Weichen für eine Karriere im Projekt-Management gestellt. Praxisbegleitende Kurse vermitteln die IBM-spezifischen Methoden und Standards der Projektabwicklung. Quereinsteiger, die Projekt-Management bei einem anderen Unternehmen gelernt haben, erhalten so die "IBM-Bleiche".

Übung macht den Meister. Der Grund: "Ein Projektleiter muss frühzeitig spüren, wenn etwas schief läuft, und das geht nur mit Erfahrung", schildert der IBM-Personaler Alexander Harth. "Wer mit 35 Jahren den Level eines Senior oder sogar Executive Project Managers erreicht hat, ist jung", ergänzt sein Kollege Friesike.

Wen sein Arbeitgeber nicht selbst schult, der kann beispielsweise zur Projekt-Management- Akademie des Seminaranbieters Management Circle gehen. "Wir vermitteln die fachliche, methodische und soziale Kompetenz, um ein Projekt zu leiten und um Projektteams zu führen", so Britta Kammel. Dies geschieht sowohl in Schulungen beim Kunden als auch in der Akademie selbst. "Wir legen viel Wert auf die Softskills, weil 80 Prozent der Projekte an unzureichender sozialer Kompetenz scheitern", erläutert Kammel.

Dass es gerade am zwischenmenschlichen Gespür häufig mangele, erklärt Antje Funck, Geschäftsstellenleiterin der Deutschen Gesellschaft für Projekt-Management (GPM): "An Fortbildungen für Softskills wie Durchsetzungsvermögen oder die Fähigkeit, ein Team zu bilden, wird besonders oft gespart." Die GPM bietet ebenfalls spezielle Projektleitertrainings an.

Bei Management Circle beinhaltet die Ausbildung zum zertifizierten "Professional Project Manager" verschiedene Seminare wie professionelle Präsentationstechniken, Projektkontrolle, Führungstraining oder Projekt-Management mit dem Arbeits-Tool SAP R/3 PS. Aufbauend darauf kann der Teilnehmer den Titel eines "Senior Professional Project Manager" erwerben. Die Kandidaten können dabei zwischen unterschiedlichen Bausteinen wie Multi-Projekt-Management, Psychologie, Verhandlungstechniken oder Nachforderungs-Management wählen. Online-Trainings ergänzen das Angebot. Einzelne Seminare kosten dabei ab 1595 Euro, wer zwölf Tage bucht, bezahlt 7595 Euro.

Ähnlich liegt das Angebot bei der GPM. Die ein- bis dreitägigen Einsteiger- und Vertiefungsseminare und Workshops decken Themen wie Stakeholder- oder Meilensteintrendanalyse oder Termin-Management ab. Verliehen wird der Titel eines "Projekt-Management-Fachmanns (GPM)". Ein zweites Produkt der GPM ist der Projekt-Manager-Lehrgang, der vier bis sechs Monate dauert und 90 bis 120 Präsenzstunden beinhaltet.

Als einzige deutsche Hochschule bietet die Fachhochschule Gießen-Friedberg einen eigenen Diplomstudiengang Projekt-Management an. Drei Semester mit 600 Stunden Unterricht einschließlich Diplomarbeit kosten 10 500 Euro. Aufgenommen werden in der Regel nur Hochschulabsolventen, die schon ein Studium abgeschlossen haben - etwa als Diplominformatiker. Diese können programmieren und haben bereits Arbeitsverantwortung übernommen, kennen aber wichtige Management-Regeln nicht. Ein großes Manko, wie Studiengangleiter Nino Grau sagt: "Solche Leute werden bei der Beförderung übergangen."

Was den Martwert erhöht

Der Lohn der Mühen winkt in Form von Zertifikaten. Sie sind kein Muß, werden aber von Branchenprofis empfohlen. Die Bescheinigungen gelten als Nachweis des erworbenen Wissens. „Zertifikate von unabhängigen Institutionen erhöhen die eigene Attraktivität bei Arbeitgebern, beim Kunden oder für Bewerbungsunterlagen", so Antje Funck von der GPM. Der Wissensnachweis erleichtere zudem Gehaltsverhandlungen und mache sich bei der Mitarbeiterhonorierung bemerkbar. Mitunter wird das Zertifikat auch vorausgesetzt. Bei bestimmten Vorhaben wie etwa riskanten Generalunternehmer- oder Festpreisprojekten lässt beispielsweise IBM nur zertifizierte Projekt-Manager zu.

Die GPM–Zertifikate, die nach den Qualitätsstandards der Schweizer Dachgesellschaft IPMA ausgestellt werden und international anerkannt sind, bewerten dabei nicht nur das Wissen, sondern berücksichtigen auch die Berufserfahrungen der Projektleiter. Vermerkt und beurteilt wird also zum Beispiel, ob jemand kleine oder große Projekte leitete, international oder national tätig war. Projekt-Manager können sich in vier Levels GPM-zertifizieren lassen, wobei der niedrigste Level D als reiner Wissensnachweis gilt.

In Zusammenarbeit mit dem britischen Henley College und der Münchner Gesellschaft zur Förderung der Weiterbildung (gfw) vergibt die GPM im Rahmen eines berufsbegleitenden Studiums auch den Abschluss eines „MBA in Project Management".

Für Projektleiter, die in US-amerikanischen Unternehmen oder bei deren deutschen Töchtern arbeiten möchten, empfiehlt sich hingegen das Zertifikat des Project Management Institute (PMI). Das Prüfungsverfahren verläuft hier in Form von Multiple-Choice-Tests und ist mehr nach US-amerikanischen Standards ausgerichtet.

Das berufsbegleitende dreisemestrige Studium in Gießen besteht aus Präsenzphasen, Blockseminaren, einer virtuellen Universität, Selbstlernphasen und elektronischen Klausuren. Auch in Gießen stehen Projekt-Management-Methoden und -Techniken auf dem Stundenplan, darunter Risiko-Management oder Organisationskompetenz. Das Lernpensum wird ergänzt durch den allabendlichen Chat mit Dozenten. Oliver Steidl, der dieses umfangreiche Studium absolviert hat, gibt zu: "Das Privatleben leidet darunter, denn man will ja nichts verpassen."

Wer Projekt-Manager werden will, dürfe sein Licht nicht unter den Scheffel stellen, ermutigt Studienleiter Grau den Nachwuchs. Es geht nicht darum, froh zu sein, ein technisches Problem gelöst zu haben, sondern um Zusammenhänge: "Projektleiter müssen in monetären und in strategischen Dimensionen denken können", so Grau. Projekt-Marketing und die Sprache des Managements gehören also ebenfalls zu den Skills, die in Gießen-Friedberg vermittelt werden: "Wer nicht die Bedeutung seines Projekts darstellen kann, bekommt nicht die nötigen Ressourcen dazu." (hk)