Keine langfristige berufliche Zielsetzung möglich

Karriereplane von DV-Kräften werden in der Regel mißachtet

23.11.1990

* Dipl.-Kfm. Bernd Andersch ist Bereichsleiter Organisation-Datenverarbeitung-Revision im Internationalen Möbelhandels-Kontor (IMK) in Schieder

Unternehmen, die es nicht schaffen, Klarheit in die berufliche Entwicklung ihrer Fach- und Führungskräfte zu bringen, riskieren, zum "Zahlmeister" auf dem Karriereweg dieser Berufsgruppen zu werden. Die Wechselbereitschaft der Mitarbeiter steigt mit der mangelnden Transparenz der Entwicklungsmöglichkeiten. Den Gewinn tragen dann, so die Auffassung von Bernd Andersch*, die Arbeitgeber davon, bei denen sich die "Karrieremacher" abschließend konsolidieren.

Bei der Einstellung und Einarbeitung von Fach- und Führungskräften wird dem dynamischen Aspekt, nämlich den Karriereplänen der Kandidaten, zu wenig Beachtung geschenkt. Vielmehr werden die persönlichen und fachlichen Eigenschaften der Kandidaten zu einem bestimmten Zeitpunkt erhoben und mit einem Anforderungsprofil verglichen - eine rein statische Bewerberbetrachtung. Die Konsequenz: Berufliche Wünsche der Kandidaten und Möglichkeiten beim Arbeitgeber driften auf längere Sicht häufig auseinander.

Der eingestellte Kandidat reagiert mit einem Arbeitgeberwechsel - nach teurer Einarbeitung. Dies passiert um so häufiger, wenn es sich um die am Arbeitsmarkt gefragten DV-Fach- und Führungskräfte handelt. Daher sollten im Rahmen der Bewerbungsrunden die Karrierepläne erhoben, die statische Komponente durch eine dynamische erweitert werden. Hierzu bedarf es einer probaten Planungsmethode.

Ausgangsbasis sind die folgenden, speziell auf DV-Fach- und Führungskräfte zutreffenden Hypothesen:

1. Einem knappen Angebot an potentiellen Fach- und Führungskräften steht eine steigende Nachfrage bei den Arbeitgebern gegenüber.

2. Die raren Fach- und Führungskräfte wollen sich im Sinne ihrer subjektiven beruflichen Ziele vorwärts entwickeln.

3. Fach- und Führungskräfte scheuen nicht vor einem Arbeitgeberwechsel zurück, wenn sie keine Karriereperspektiven geboten bekommen.

4. Der Arbeitgeber möchte Fach- und Führungskräfte möglichst langfristig im Unternehmen halten.

Die Abbildung zeigt ein Karrieremodell. Dargestellt sind die Karriereinstrumente der Manager, die daraus resultierenden Ergebnisse und die für den Arbeitgeber wesentlichen Zeitpunkte, zu denen die angesprochenen Arbeitskräfte Überlegungen zum Verbleib oder Wechsel des Arbeitsplatzes anstellen. So wird es einen Zeitpunkt geben, zu dem sich eine karriereorientierte Arbeitskraft erstmalig Gedanken zur beruflichen Entwicklung macht, also eine erste Karriereplanung an, stellt. Ergebnis ist eine Zielplanung, die Etappenziele auf der Karriereleiter zeigt. Die Etappen führen auf einer Leiter zu dem gewünschten Endziel.

Bewerbungsstrategie und Ego-Marketing

Im Rahmen der Bewerbungsstrategie und -aktion sucht der "Karriereplaner" anschließend nach Arbeitgebern, bei denen sich das erste Etappenziel realisieren läßt. Sind Arbeitgeber und Arbeitsplatz gefunden, versucht der Kandidat, seine Person und Arbeitsergebnisse im Sinne seines nächsten Etappenzieles zu "verkaufen". Hierfür steht ihm das gesamte Instrumentarium des Ego-Marketings zur Verfügung. Es wird dann Check-Punkte geben, zu denen überprüft wird, ob beim aktuellen Arbeitgeber das angestrebte Etappenziel erreichbar ist. Bei negativem Ergebnis wird ein Arbeitgeberwechsel ins Auge gefaßt.

Ist andererseits das Etappenziel erreicht, wird zu einem weiteren Karrierezyklus angesetzt, der mit einer erneuten beziehungsweise überarbeiteten Karriereplanung beginnt. Damit steht das nächste anzupeilende Berufsziel fest, und es stellt sich erneut die Frage, ob beim augenblicklichen Arbeitgeber dieses Ziel realisierbar ist. Bei einer Verneinung wird ein Arbeitgeberwechsel wahrscheinlich.

Das zyklische Karrieremodell läßt den folgenden Schluß zu: Die Fach- und Führungskräfte bewerben sich in erster Linie bei solchen Unternehmen und verbleiben dort dauerhaft, wo sie die größte Übereinstimmung zwischen der vorgestellten und tatsächlichen beruflichen Entwicklung vermuten.

Damit tritt bei den einstellenden Unternehmen die statische Betrachtung der Kandidaten hinter die dynamische zurück. Normalerweise erstellen die Unternehmen vor Einstellung eines Mitarbeiters ein Anforderungsprofil für den zu besetzenden Arbeitsplatz und suchen dann einen Kandidaten mit den entsprechenden Qualifikationen.

Mittels Anforderungs- und Qualifikationsprofil werden die gewünschten fachlichen und persönlichen Eigenschaften den zu einem Zeitpunkt beim Kandidaten tatsächlich vorhandenen gegenübergestellt - eine statische Betrachtung. Die mittel- bis langfristigen berufliche Zielsetzungen des Kandidaten bleiben unberücksichtigt.

Entscheidend für die berufliche Zufriedenheit und damit das Ausmaß von Abwanderungsgelüsten ist letztlich gerade für Fach- und Führungskräfte, ob gemäß der beruflichen Entwicklungswünsche Möglichkeiten beim Arbeitgeber bestehen.

Es sollte daher jeder Kandidat im Rahmen des Bewerbungsverfahrens zu einer Karriereplanung veranlaßt werden, aus der klar hervorgeht, welche vorhandenen und potentiellen Qualifikationen er auf mittlere Sicht (bis zu fünf Jahren) beruflich zum Einsatz bringen möchte, wo er beruflich in fünf Jahren zu stehen gedenkt und welche Etappen er bis dahin nehmen will. Die Unternehmen sollten anhand der Karriereplanung überlegen, ob sie eine entsprechende oder alternative berufliche Entwicklung anbieten können. Ist die gewünschte berufliche Entwicklung eher unrealistisch, sollte man den Kandidaten, auch wenn seine persönlichen und fachlichen Qualifikationen noch so interessant sein mögen, lieber sofort weiterziehen lassen, statt eine kostenaufwendige Einarbeitung in Betracht zu ziehen. Ein solcher dynamischer Ansatz führt sowohl bei den Kandidaten als auch den einstellenden Unternehmen zur Transparenz von Wünschen und Möglichkeiten.

Bereits eingestellte Fach- und Führungskräfte sind gleichfalls zu einer Karriereplanung zu motivieren. Da die beruflichen und privaten Ansprüche im Laufe der Zeit Wandlungen unterliegen, empfiehlt es sich, die Planung - zumindest bei den Leistungsträgern - in Abständen von etwa zwei bis drei Jahren zu wiederholen.

Karriereplanung sollte als dynamisches Element zu einem sehr wesentlichen Einstellungskriterium - neben anderen gemacht werden. Vonnöten ist daher eine einfache und praktikable Methode der Karriereplanung, die Einzug in die Bewerbungsrunden halten kann. Eine solche Methode wird im zweiten Teil des Beitrages dargestellt. *