Karrierechancen im IT-Mittelstand

25.07.2002
Von Hiltrud Osterried

„Die Zahl der Bewerbungen ist rapide angestiegen“, beobachtet Ixos-Personalleiterin Kayacan, die allein im Mai 700 Anschreiben erhielt. Inzwischen besetzt die Grasbrunner Softwareschmiede 70 Prozent der Stellen über das Internet oder durch die Vermittlung von Ixos-Mitarbeitern. Auf diese Weise spart sich das Unternehmen Investitionen in Anzeigen oder Personalberater. Wie sieht der ideale Kandidat für die Mittelständler aus? Neben der entsprechenden fachlichen Qualifikation steht bei den kleineren Firmen vor allem Kontaktfreudigkeit und Teamgeist im Vordergrund. „Bewerber, die aus einem Großunternehmen kommen und Abteilungsegoismen mitbringen, sind bei uns nicht gut aufgehoben. Andererseits kommen auch viele Kandidaten, die vorher in Großunternehmen gearbeitet haben, ganz bewusst zu uns, weil sie die Vorteile des Mittelstands sehen“, erklärt FJA-Personalchef Schwaneberg.

Schlechte Nachrichten gibt es allerdings für Quereinsteiger: Viele Firmen nutzen die Gunst der Stunde und stellen am liebsten junge Kandidaten ein, die zwei bis drei Jahre Berufserfahrung mitbringen. Sie sollen möglichst nach kurzer Einarbeitszeit sofort produktiv arbeiten können. Trotzdem sollten auch andere IT-Profis ihr Glück bei kleineren Firmen suchen. „Wir sind gewohnt, bei den Bewerbern genauer hinzuschauen und haben keine so festen Raster wie große Unternehmen“, sagt Saxonia-Vorstand Mönch. Ein Hochschulstudium sei wünschenswert, aber nicht unbedingt erforderlich. Auch talentierte Autodidakten, die engagiert arbeiten, hätten bei dem Dresdner Unternehmen eine Chance.

Flexibilität, flache Hierarchien, Aufstiegschanchen sind Vorteile des Mittelstands, die auch Wilfried Hölzer von der Gewerkschaft Verdi sieht. Besonders in wirtschaftlich rosigen Zeiten sind die Kleineren sehr bemüht, den Mitarbeitern in puncto Arbeitsumfeld- und bedingungen entgegenkommen, beobachtet Hölzer. Doch das Arbeiten in einem mittelständischen Unternehmen kann auch Schattenseiten haben.

„Die Politik der offenen Türen ändert sich schnell, sobald es den Firmen schlechter geht“, warnt der Gewerkschafter. Dann herrschten plötzlich Wildwestmanieren, Mitarbeiter würden kontrolliert oder vom Informationsfluss abgeschnitten. Anders als in großen Unternehmen, die oft einen Betriebsrat haben, ständen die Betroffenen bei kleineren Firmen in Krisensituationen alleine da.

Aus Hölzers Sicht lohnt sich der Einstieg in den Mittelstand vor allem für diejenigen, die sich in flachen Hierarchien wohl fühlen. Allerdings sollten die IT-Experten darauf achten, dass sie sich nicht zu sehr auf einen kleinen Technikbereich spezialisieren. Dieser könne sich zu einer Sackgasse entwickeln und einen gewünschten Arbeitgeberwechel erschweren.

Unsicherer als in einem Großunternehmen ist aber auch die Arbeit im Mittelstand nicht. Einiges spricht dafür, dass kleinere IT-Unternehmen die schlimmste Pleitewelle schon hinter sich haben. „Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen verzeichnet die IT-Branche in Deutschland ein Wachstum, wenn auch nur von ein bis zwei Prozent“, erklärt Rudolf Gallist, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbands VSI. Vor allem die Bereiche Software und Services, in denen der Mittelstand traditionell stark sei, sorgten dafür, dass überhaupt noch Steigerungsraten erreicht werden. Auch als Arbeitgeber könnten die Kleineren durchaus mit den Großen mithalten. Allerdings sollte man sich genauestens über das Marktumfeld, die Kundenbasis und die Erfolgsaussichten des potenziellen Brötchengebers informieren.