Weiterbildung im Teilzeit-Job

Karriere machen durch flexible Arbeitszeit

18.11.2016
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Der IT-Dienstleister Capgemini versucht, seine Mitarbeiter durch agile Teamarbeit und thematische Mobilität nicht nur zu binden, sondern auch für Laufbahnwechsel und Karrieresprünge zu begeistern. Mit Erfolg: Die flexiblen Arbeitszeiten sorgen für eine Win-win-Situation, weil die Mitarbeiter zufriedener sind und das Unternehmen von ihren neuen Erfahrungen profitiert.
  • Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern individuelle Entwicklungspfade anbieten.
  • Arbeitgeber können mit Kontakthalte- und Wiedereinstiegsprogrammen punkten.
  • In Betrieben gewinnt neben der Agilität die thematische Mobilität an Bedeutung.

"Der klassische Karriereweg in der IT gehört der Vergangenheit an. In Zeiten des stetigen Wandels sollten auch Entwicklungspfade individuell sein", findet Uwe Dumslaff, Geschäftsführer bei Capgemini. Die agile Projektentwicklung, also die Arbeit in interdisziplinären, selbstorganisierenden Teams, hat sich unter anderem durch steigende Anforderungen im Zuge der Digitalisierung fest etabliert.

Capgemini bietet unterschiedliche Arbeitszeitmodelle an, damit sich Mitarbeiter weiterbilden oder die Fachrichtung wechseln können.
Capgemini bietet unterschiedliche Arbeitszeitmodelle an, damit sich Mitarbeiter weiterbilden oder die Fachrichtung wechseln können.
Foto: Mathias Rosenthal - shutterstock.com

Diese Form der Zusammenarbeit setzt aber auch in anderen Dimensionen eine gewisse Flexibilität voraus, beispielsweise in der Führungskultur oder der Personalentwicklung. Gerade im IT- und Technologiebereich, wo der Fachkräftemangel aktuell besonders deutlich wird, müssen Unternehmen umdenken. Flexible Arbeitszeitmodelle, die Raum für die Individualität von Mitarbeitern schaffen, gewinnen deshalb als Karriereoptionen an Bedeutung.

Capgemini hat dies erkannt und Angebote geschaffen. Hier können Mitarbeiter zum Beispiel eine Auszeit für private Projekte nehmen - sei es, um die Eltern zu pflegen, sich weiterzubilden oder die Fachrichtung zu wechseln. "Bei der Wahl des künftigen Arbeitgebers spielt Flexibilität im Arbeitsleben eine entscheidende Rolle", betont Dumslaff. "Die Win-win-Situation liegt auf der Hand: Wir haben weniger Nachwuchssorgen, profitieren von den neugemachten Erfahrungen, und die Mitarbeiter sind zufriedener", so sein Fazit.

Das ganze Team trägt Projektverantwortung

Um besser auf die unterschiedlichen Lebensphasen der Mitarbeiter eingehen zu können, hat sich das Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen im Dezember 2015 mit dem Audit "berufundfamilie" zertifizieren lassen. Damit verpflichtet es sich, in den nächsten drei Jahren 19 selbstgewählte Ziele, wie beispielsweise ein Kontakthalte- und Wiedereinstiegsprogramm nach familienbedingten Auszeiten, einzuhalten. Um dem Thema Agilität ganzheitlich zu begegnen, hat Capgemini es zudem in seinem Leadership-Profil verankert. Ziel ist es, Teams interdisziplinär aufzustellen und die Verantwortung für ein Projekt auf das ganze Team zu übertragen, anstatt allein auf einzelne Führungskräfte. Diesen Ansatz gilt es dann auch in Karriereoptionen umzumünzen, die Raum für Rollenwechsel zwischen verschiedenen Laufbahnen lassen.

Uwe Dumslaff: Bei der Wahl des künftigen Arbeitgebers spielt Flexibilität im Arbeitsleben eine entscheidende Rolle.
Uwe Dumslaff: Bei der Wahl des künftigen Arbeitgebers spielt Flexibilität im Arbeitsleben eine entscheidende Rolle.
Foto: Capgemini

"Neben der Agilität wird in unserem Unternehmen die thematische Mobilität immer wichtiger", so Stefan Sack, Leiter des Agile & DevOps-Kompetenzteams. "Wir versuchen unsere Mitarbeiter noch stärker als früher mit einer Breite von Kompetenzen und Erfahrungen auszustatten, um ihnen das Rüstzeug für die ständigen Veränderungen mitzugeben."

Laufbahnwechsel als Karriereoption

Lukas Birn ist ein Beispiel dafür, wie bei Capgemini aus dieser Theorie bereits gelebte Praxis wird. Nach seinem Maschinenbau-Studium arbeitete der IT-Experte zehn Jahre als Produktmanager für einen Softwareanbieter. Irgendwann wollte er die andere Seite, nämlich das Projektgeschäft, kennenlernen. Bei Capgemini bekam er die Möglichkeit, sich inhaltlich weiterzuentwickeln und mehrere Jahre als Projektmanager tätig zu werden. Darauf aufbauend wechselte er schließlich in die noch stärker inhaltlich orientierte Rolle eines Business- Analysten. Ein klassischer Laufbahnwechsel, der bei Capgemini fester Bestandteil der individuellen Entwicklungsmöglichkeiten ist.

Genau dieser Raum für Veränderung ist Lukas Birn besonders wichtig: "Ich habe vielfältige Interessen und möchte nicht nur auf ein Thema festgelegt sein. Für mich gehört Wandel zum Wesen eines Dienstleisters, und deshalb sollte ein Unternehmen interdisziplinäre Wechsel fördern." Wichtig sei dabei, dass der Mitarbeiter gemeinsam mit den Verantwortlichen herausfindet, wohin er am besten passe. "Schließlich sollen beide von der Veränderung profitieren", betont Lukas Birn.

Auch Marleen Thüringer liegt viel an ihrer flexiblen Karriereplanung. Sie arbeitet seit vier Jahren als Softwareingenieurin bei Capgemini und hat ihre Fähigkeiten auf unterschiedlichen Gebieten ausbauen können. Heute trägt sie die fachliche Verantwortung für ein Projekt im Automotive-Umfeld. "Ich möchte mich nicht nur thematisch, sondern auch persönlich weiterentwickeln", betont die Ingenieurin. Deshalb macht sie berufsbegleitend ihren Bachelor in Kunst- und Gestaltungstherapie. "Die Kombination von Kunst und Psychologie hat mich schon immer fasziniert", sagt sie. "Kunsttherapie kann helfen, Potenziale sichtbar zu machen, neue Verarbeitungs- und Ausdrucksformen zu finden, sich selbst ein Stück besser kennenzulernen und unbewusste Verhaltensmuster zu erforschen und zu lösen."

Kompetenzen wie Eigenverantwortung, Einfühlungsvermögen, Zuversicht und Ausdauer, die sie in der kunsttherapeutischen Arbeit entwickelt, kann sie sowohl auf ihr Privatleben, als auch auf den Beruf übertragen. Konkret bringt sie ihr Wissen zum Beispiel auf dem Gebiet der Burnout-Prävention ein. Um Zeit für die Weiterbildung zu haben, hat Thüringer ihre Arbeitszeit für eine Weile reduziert. Die Projektarbeit in Teilzeit funktioniert sehr gut: "Wir sind ein eingespieltes Team, und jeder bekommt den Umfang an Aufgaben, den er in seiner Arbeitszeit bewältigen kann." (pg)