Berufsperspektiven für Informatiker in der IT-Forschung

Karriere in der Wissenschaft

03.09.2004

Informatikern mit wissenschaftlichen Ambitionen stehen drei Wege offen: eine Karriere an einer Hochschule, an einem Forschungsinstitut oder in den Forschungsabteilungen der Unternehmen. Wer eignet sich als IT-Forscher? "Mitbringen sollte man Begeisterung, Idealismus, Kreativität und Durchhaltevermögen, denn Forschung kann ein schwieriges Feld sein. Wem es darauf ankommt, schnell viel Geld zu verdienen, ist hier sicher falsch, was nicht heißen soll, dass Spitzenforscher nicht auch Spitzenverdiener sein können", meint Dieter Hannemann, Vorsitzender der Fachbereichstagung Informatik, die knapp 60 Hochschulen mit über 100 Studiengängen vertritt. Zudem müsse den Nachwuchskräften klar sein, dass die meisten Forschungsstellen Positionen auf Zeit und in der Regel auf drei bis fünf Jahre begrenzt sind.

Die Situation an den Hochschulen stellt sich aufgrund der Sparmaßnahmen schwierig dar. Hannemann kann angesichts der knappen Mittel wenig Optimismus verbreiten, doch die IT-Forschung in Deutschland könne sich im internationalen Vergleich durchaus behaupten. Die Hochschulen müssten viel Energie darauf verwenden, Drittmittel von Firmen, Förderinstitutionen wie der deutschen Forschungsgemeinschaft, der Europäischen Union oder vom Bundesministerium zu gewinnen. Angehende IT-Forscher sollten neben der fachlichen Qualifikation auch Marketinggeschick mitbringen, um Gelder für die eigenen Projekte eintreiben zu können.

Unterschiedliche Forschungsinstitute wie die Fraunhofer-, und Max-Planck-Gesellschaft oder Helmholtz-Gemeinschaft konkurrieren mit den Universitäten um die knapper werdende öffentliche Förderung. Doch die Fraunhofer-Gesellschaft, die als größte europäische Trägerorganisation für angewandte IT-Forschung gilt, ist stolz darauf, dass sie rund zwei Drittel des Forschungsvolumens aus Industrieprojekten generiert, während sich andere Institute fast ausschließlich durch Gelder der öffentlichen Hand finanzieren.

Innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft konzentriert sich vor allem die Gruppe Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) auf IT-Forschung. Rund 3000 Mitarbeiter in 17 Instituten verfügen über ein Jahresbudget von über 190 Millionen Euro. Die IT-Forschung konzentriert sich auf unterschiedlichste Themen, wie etwa Digitale Medien, E-Business, Software-Engineering oder Medizin und Life Sciences. Neben Grundlagenforschung widmen sich die dezentral in allen Regionen Deutschlands angesiedelten Institute praxisnaher Forschung.

Promotion als Karrieresprungbrett

Die ideale Forscherkarriere sieht laut Alexander Gerber, Sprecher der Fraunhofer-Gruppe IuK folgendermaßen aus: Ein Doktorand oder Diplomand entwickelt eine innovative Idee bis zur Marktreife und macht sich anschließend mit Unterstützung des Instituts mit dieser Neuentwicklung als Spin-off selbständig. Insofern wirke die Forschungseinrichtung als Karrieresprungbrett der Nachwuchsforscher in die Selbständigkeit. Wer dennoch länger an einem Fraunhofer-Institut bleibt, hat die Chance, Projekte zu leiten oder Forschungsabteilungen zu übernehmen.

Wegen der stark rückläufigen öffentlichen Fördergelder ist auch bei den Fraunhofer-Instituten die Personalsituation angespannter als noch vor wenigen Jahren. Neue Stellen für Diplomanden und Doktoranden werden seltener ausgeschrieben. Jedes Institut wählt die Kandidaten eigenverantwortlich aus. Allen gemeinsam sind hohe Ansprüche an die Fachqualifikation, Durchhaltevermögen und Kreativität. Bezahlt wird in Anlehnung an den öffentlichen Dienst. Wer an einem Fraunhofer-Institut promoviert, erhält zwischen 1100 bis 2600 Euro Bruttogehalt im Monat. Diese Tatsache scheint die IT-Newcomer aber nicht abzuschrecken, landete doch die Fraunhofer-Gesellschaft bei einer CW-Umfrage, in der Informatikstudenten ihren Wunscharbeitgeber wählten, auf dem dritten Platz nach Siemens und IBM.

Ausschließlich der Grundlagenforschung widmen sich die rund 150 Mitarbeiter im Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken. Die 1989 gegründete Forschungseinrichtung gliedert sich in fünf Arbeitsgruppen mit den Themen Logik und Programmierung, Algorithmen, Bioinformatik, Computergrafik sowie Datenbanken. "Wir sind immer auf der Suche nach exzellentem Nachwuchs", erklärt Christel Weins, Sprecherin des Institutes. Zusammen mit der Stanford University wurde das Max-Planck-Center ins Leben gerufen, das sich auf das Thema Visual Computing and Communication spezialisiert hat und hervorragende IT-Nachwuchswissenschaftler mit einem Karriereprogramm fördert. Wer zu den Auserwählten gehört, kann zwei Jahre als Assistant Professor in Stanford forschen und danach am Max-Planck-Institut für Informatik bis zu zwei Jahre eine kleine Forschergruppe leiten. Das Programm richtet sich in erster Linie an Nachwuchswissenschaftler (postdocs), die schon erste Erfolge aufzuweisen haben.

Zudem vergibt das Max-Planck-Institut für Informatik auch Doktorandenstellen in Saarbrücken, die den Karriereweg an Hochschulen oder in der Industrie erleichtern. Wie an den Universitäten sind alle wissenschaftlichen Stellen projektbezogen und auf fünf bis sechs Jahre begrenzt: "Wenn man weiß, dass man nur einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung hat, gibt man sein Bestes", lobt Weins das bewährte Modell. Saarbrücken hat kürzlich den Zuschlag für ein zweites Max-Planck-Institut für Informatik (Softwaresysteme) erhalten.

Innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft, einer der größten Wissenschaftsorganisationen Deutschlands, beschäftigt sich vor allem das Forschungszentrum Jülich mit dem Thema IT. Die rund 80 Mitarbeiter am dort angesiedelten Zentralinstitut für Angewandte Mathematik konzentrieren sich auf die Weiterentwicklung von Methoden des wissenschaftlichen Rechnens, auf das Grid-Computing und auf den Einsatz von Supercomputern in Forschung und Entwicklung.

Weniger Jobs in Forschungszentren

Auch an dem Jülicher Forschungszentrum sind die Sparmaßnahmen des gesamten öffentlichen Dienstes nicht spurlos vorüber gegangen: "Die Zahl der ausgeschriebenen Stellen ist deutlich zurückgegangen", bedauert Wolfgang Gürich, Leiter der Abteilung Information und Betrieb am Zentralinstitut für Angewandte Mathematik. Gefragt sind hier vor allem Physiker und Chemiker mit Nebenfach Informatik oder Informatiker mit naturwissenschaftlichem Hintergrund. Auf die Frage, welche Aufstiegschancen es im Institut gebe, meint er schmunzelnd: "Die Karriere findet vor allem außerhalb statt. Das Forschungzentrum fungiert dabei als Durchlauferhitzer, der den Forschern eine fundierte Ausbildung verschafft und ihnen so die Chancen gibt, sich in der Wirtschaft zu etablieren."

Bei der IBM Entwicklung GmbH in Böblingen, dem größten Entwicklungszentrum der IBM außerhalb der USA, stehen produktbezogene Innovationen im Vordergrund. Für Grundlagenforschung sind die Research Laboratorien zuständig, beispielsweise im Schweizer Rüschlikon bei Zürich. Die 1700 Mitarbeiter in Böblingen konzentrieren sich auf Hardware- und Betriebssystementwicklung, Linux, Datenbanken, Virtualization, Grid-Computing sowie Spracherkennung; sie arbeiten eng mit den anderen 29 IBM-Forschungszentren zusammen.

IT-Forschung in Unternehmen

Wer sich für die Arbeit im IBM-Entwicklungszentrum interessiert, sollte aktuelles technisches Wissen, soziale Kompetenz und Teamfähigkeit mit- bringen. "Die genialen Ideen aus dem stillen Kämmerchen gibt es nicht", begründet der Personalleiter des Entwicklungszentrums Hans-Rainer Oehmke diese Anforderungen. Hier sieht er auch großen Nachholbedarf an den Hochschulen, die zwar gute Wissensvermittlung betrieben, aber die soziale und methodische Kompetenz nicht ausreichend förderten.

Aufgrund der geringen Halbwertszeit bei der IT-Entwicklung seien vor allem Kandidaten gefragt, die sich schnell in neue Sachverhalte einarbeiten können. "Wir erwarten von den Professionals, dass sie innovativ sind und auch überschaubare Risiken eingehen. Wer keine Fehler macht, ist nicht innovativ genug", umreißt Oehmke die Maxime des Entwicklungszentrums. Dort können sich die Experten zwischen einer Linien- und Fachkarriere entscheiden. Oehmke rechnet auch weiterhin mit 50 ausgeschriebenen Stellen pro Jahr.

Unter den weltweit 50000 Siemens-Mitarbeitern in Forschung und Entwicklung befinden sich 30000 Softwareentwickler, von denen die Hälfte in Deutschland beheimatet ist. Auch hier gestaltet sich die Grenzziehung zwischen Forschung und Entwicklung schwierig. Teilweise sind Entwicklungen relativ produktnah wie im Mobilfunk, bei der Neuroinformatik wird es hingegen Jahre dauern, bis sich die Ergebnisse in anwendbare Lösungen umsetzen lassen. Da der Konzern auf sehr vielen Sparten von der Medizin, über Automobil- bis zur IT-Technik tätig ist, ergibt sich eine große Bandbreite an Forschungstätigkeiten. Eines der innovativsten Gebiete sieht Stefan Liesen, der bei Siemens in der zentralen Forschung den Personalbereich Strategien und Prozesse verantwortet, in der Entwicklung sich selbst organisierender Netze, die sich in der Telekommunikation, Sensoren oder Maschinenparks einsetzen lassen. Allein im Konzernbereich Corporate Technology werden jährlich 800 bis 900 Werkstudenten und Praktikanten beschäftigt, derzeit sind bei Siemens in der zentralen Forschung und Entwicklung rund 20 Stellen ausgeschrieben.

Fachliche Kompetenz setzt der Personalexperte bei den Bewerbern genauso voraus wie Kundenorientierung. Eine weitere Anforderung ergibt sich durch die globale Präsenz von Siemens. "Forscher arbeiten in internationalen Teams. Wer in diesem Umfeld tätig ist, muss deshalb offen für fremde Kulturen sein", erklärt Liesen. Die Hochschulabsolventen können mit einem Einstiegsgehalt von 40000 und 50000 Euro rechnen.

Hohe Anforderungen an Forscher

Rund 9000 Spezialisten beschäftigen sich bei SAP mit dem Thema Forschung und Entwicklung. Auch hier arbeiten sie relativ produktnah mit dem Ziel, möglichst schnell praxisrelevante Lösungen zu entwickeln. Der Bereich Research am Hauptsitz in Walldorf beschäftigt 200 Experten und kooperiert eng mit Hochschulen. Forschungsschwerpunkte dort sind E-Learning, Smart Items und Mobile Computing. Dort werden überwiegend Bewerber mit Berufserfahrung aus dem universitären Umfeld oder aus der forschenden Industrie gesucht. Das Anforderungsprofil hat sich in den letzten Jahren stark verändert; an die künftigen SAP-Entwickler werden höhere und spezifischere Anforderungen gestellt als noch vor einigen Jahren. (iw)

*Hiltrud Osterried arbeitet als freie Journalistin in Dachau bei München.

Hier lesen Sie ...

- welche Voraussetzungen ein angehender Forscher mitbringen sollte;

- welche Institute und Firmen sich mit IT-Forschung beschäftigen;

- was ein Doktortitel für die Karriere bringen kann.

Forschungsschwerpunkte und Gehälter

Fraunhofer Gruppe IuK www.iuk.fraunhofer.de / Digitale Medien, E-Business, E-Government, Kommunikationssysteme, Software-Engineering sowie Informations- und Kommunikationstechnologien für Kultur und Unterhaltung, Medizin und Life Sciences, Verkehr und Mobilität, Produktion sowie für Security. / Gehalt während der Promotion:zwischen 1100 Euro und 2600 Euro (Verhandlungssache in Anlehnung an BAT IIa)

Max-Planck-Institut für Informatik www.mpi-sb.mpg.de / Logik und Programmierung, Algorithmen,Bioinformatik, Computergrafik sowie Datenbanken. / BAT IIa

Helmholtz-Gemeinschaft: Forschungszentrum Jülich, Zentralinstitut für Angewandte Mathematik www.fz-juelich.de / Weiterentwicklung von Methoden des wissenschaftlichen Rechnens, Grid-Computing und Einsatz von Supercomputern in Forschung und Entwicklung. / Doktoranden erhalten meistens die Hälfte eines BAT IIa-Gehalts

IBM Entwicklung GmbH www.ibm.com/de/entwicklung / Hardware-Entwicklung, Betriebssystementwicklung, Linux, Datenbanken, Virtualization, Grid- Computing sowie Spracherkennung. / Einstiegsgehalt: zwischen 43 000 Euro und 48 000 Euro

Siemens AG www.siemens.de / In allen Sparten tätig, etwa: Medizin, Automobil, IT. / Einstiegsgehalt 40 000 Euro bis 50 000 Euro

SAP Corporate www.sap.de / E-Learning, Smart Items und Mobile Computing. / Einstiegsgehalt 38000 Euro bis 45000 Euro.