Karlsruhe: Die beliebteste Informatikhochschule

08.03.2001
Von Sonja Hübner

Trotz der finanziellen und personellen Schwierigkeiten blieb die Bandbreite der Fakultät unübertroffen. Sie reicht von der Rechnertechnologie und -architektur über die theoretische Informatik, Telematik, Programmsysteme, parallele und verteilte Systeme bis hin zu Anwendungen in den Ingenieurwissenschaften. Das Grundstudium ist stark theoretisch ausgerichtet und gilt angesichts einer Studienabbrecherquote von 40 Prozent als Nadelöhr für das freiere Hauptstudium. Während der Student im Hauptstudium die Wahl zwischen 18 Vertiefungsfächern hat, ist in den ersten Semestern krisensicheres Basiswissen in Mathematik, Analysis, Algebra, Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie Pflicht. Dazu kommen die Blöcke Informatik und Technische Informatik plus ein Ergänzungsfach aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften, der Mathematik oder Betriebswirtschaftslehre.

Zu den Theoriebereichen zählen neben formalen Sprachen und formaler Semantik auch der Entwurf schneller und paralleler Algorithmen, Komplexitätstheorie und Grundlagen der Wissensverarbeitung. Bei den Rechnerarchitekturen setzt Karlsruhe Schwerpunkte in der Mikro- und Mehrrechnertechnik, parallelen hochzuverlässigen Rechnerarchitekturen und speziellen Schaltkreisen für neuartige Anwendungen. Im Bereich der Softwaresysteme deckt die Fakultät ein riesiges Spektrum ab: Es reicht von Betriebs- und Kommunikationssystemen für verteilte und parallele Rechensysteme über Datenbanksysteme und Erzeugung realistischer Bildszenen bis hin zur Spracherkennung. Information als Wirtschaftsgut betrachtet der vor zwei Jahren eingeführte Studiengang Informationswirtschaft.

Informatik, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften bilden die drei Säulen der Ausbildung. Zuletzt hatten sich 400 Kandidaten um die 50 freien Plätze beworben. Da blieb der TU nichts anderes übrig, als einen Numerus Clausus einzuführen. “Dabei zählt die Deutschnote genau so viel wie die Mathematiknote. Es hat sich gezeigt, dass Menschen mit guten Zensuren in Deutsch meist auch gut in Kommunikation sind”, begründet Schmid diese Entscheidung. Ohne Kommunikationskompetenz kommt kaum einer erfolgreich durch das Studium in Karlsruhe: Bereits für die Erstsemester gibt es Tutorien, in denen in Kleingruppen von zwölf bis 15 Personen der Stoff der Einführungsvorlesung vertieft wird. Mit Ausnahme der Diplomarbeit findet alles in Teams und Projekten statt. Außerdem jobben über 90 Prozent der Studenten nach dem Vordiplom regelmäßig in Unternehmen. Viele junge Hightech-Firmen, die sich in Karlsruhe angesiedelt haben, könnten ohne dieses Arbeitskräfteangebot gar nicht existieren.

“Das Engagement außerhalb der Uni verlängert natürlich die Studienzeit. Wir liegen augenblicklich bei einem Durchschnitt von 12,5 Semestern. Das ist zu lang”, sagt Schmid. Deshalb überlegt die Fakultät, eine Teilzeit-Immatrikulation zu ermöglichen. Die soll verhindern, dass man mit Studiengebühren von derzeit 1000 Mark im Monat bestraft wird, wenn finanzielle und/oder familiäre Belastungen ein Regelstudium unmöglich machen. Zudem gibt es für die Studenten auch die Möglichkeit, nach dem Vordiplom eines von derzeit jährlich zehn Firmenstipendien zu ergattern. Kurzstudiengänge dagegen sind zu Schmids Bedauern vorerst keine möglich in Karlsruhe. “Wir hatten drei neue Bachelor-Studiengänge in Informatik, Informationswirtschaft und Computer Engineering vorgeschlagen.”

Das Land will solche Studiengänge aus dem Erlös des Verkaufs des Stromversorgers Energie Baden-Württemberg (Enbw) fördern. Die Mittel sind allerdings an die Bedingung geknüpft, dass sich die Universitäten zur Hälfte mit eigenen Stellen an der Förderung beteiligen. Zudem müssten sie nach fünf Jahren die Finanzierung aller Maßnahmen vollständig übernehmen. “Das käme letztlich einer Stellenkürzung gleich, die wir nicht verkraften können. Bei 800 Leuten in der Anfängervorlesung kann man einfach keine Stellen aus dem Diplomstudiengang abziehen”, bedauert Dekan Schmid die Entscheidung gegen das schnelle Studium.