Insgesamt drei verschiedene Wege können nach Rom führen:

Kapazitätsplanung erfordert Feingefühl

29.01.1988

GÜTERSLOH - Da die Abhängigkeit von der Informationsverarbeitung immer größer wird und ein schlechter Service-Level gravierende Folgen haben kann, kommt der Kapazitätsplanung in einem Unternehmen wachsende Bedeutung zu. Beim methodischen Vorgehen favorisiert Jochen Meier, Unternehmensberater und Mitglied der Geschäftsleitung der Gütersloher Syskoplan GmbH, einen pragmatischen Ansatz, mit dem man seiner Meinung nach ohne großen Aufwand ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten kann.

Kapazitätsplanung hat das Ziel, einen guten und definierten Service-Level bei einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeitslast und Ressourcen zu minimalen Kosten sicherzustellen. Hierbei handelt es sich um eine kontinuierlich durchzuführende Aufgabe, die einen hohen Komplexitätsgrad aufweist. Die Frage, ob sich Kapazitätsplanung überhaupt lohnt, ist mit den Vorüberlegungen praktisch schon beantwortet. Bei der Kapazitätsplanung geht es zudem nicht nur darum, genügend Ressourcen bereitzustellen, um die Arbeitslast zu bewältigen, sondern auch darum, zu einem "balanced system" zu kommen und an der richtigen Stelle eventuell notwendige Aufstockungen vorzunehmen. So kann zum Beispiel ein Flaschenhals auf der I/O-Seite nicht durch eine Aufstockung der CPU behoben werden. lnsbesondere in Zeiten eines hohen Preisverfalls in der Hardware kann man durch geschickte Kapazitätsplanung und Einkaufsstrategie zu erheblichen Kosteneinsparungen kommen. Richtiger muß die Frage nach der Kapazitätsplanung auch lauten: Welchen Aufwand sollte man für Kapazitätsplanung investieren? Der Aufwand muß in Relation zur Größe des Rechenzentrums sowie zur DV-Abhängigkeit des Unternehmens gesehen werden, er hängt stets von der gewählten Vorgehensweise beim Aufbau der Kapazitätsplanungsmethodik ab. Drei grundsätzlich verschiedene Vorgehensweisen können unterschieden werden:

Die erste Alternative gibt der "Tool-orientierte Ansatz" ab. Hierbei werden zunächst grobe Vorstellungen über die Konzeption entwickelt, dann ein Tool ausgewählt, und anschließend findet eine Entwicklung "um das Tool" statt, das heißt, wesentliche konzeptionelle Entscheidungen werden vom Tool bestimmt. Solche Tools bestehen meist aus mehreren Komponenten (Performance-Datenbank, Modelling-System, Monitor), liegen von den Anschaffungskosten her recht hoch (Größenordnung über 200 000 Mark) und benötigen hohen Betreuungsund Pflegeaufwand. Sie liefern dafür umfangreiche und genaue Informationen für die Kapazitätsplanung. Zu beachten ist hierbei jedoch auch, daß die Ergebnisse stets von der Qualität der Eingabedaten abhängen. Sind zum Beispiel die Wachstumsprognosen nicht zutreffend oder die Klassifizierung neuer Workload-Typen falsch, so hat das auch ungenaue beziehungsweise falsche Ergebnisse zur Folge.

Der Personalaufwand für die Einführung eines solchen Systems ist recht hoch, für die laufende Betreuung und Pflege sind permanent zwei oder mehr Mitarbeiter gebunden (je nach Größe der Installation).

Alternative 2 stellt der "Ad-hoc-Ansatz" dar. In diesem Fall wird das System grob beobachtet und dann, wenn die nächste Engpaßsituation in Sicht ist, eine Momentaufnahme gemacht und entsprechend linear hochgerechnet. Vorteil bei dieser Vorgehensweise ist der geringe Aufwand und die niedrigen Kosten, die für die Kapazitätsplanung entstehen. Nachteil ist jedoch das hohe Risiko, in das man sich begibt, wenn man sich auf erste Warnzeichen verläßt. Ein Grund dafür: Service-Level-Kurven (Antwortzeiten) laufen zum Beispiel nicht linear, sondern exponentiell . Muß man Kapazitätslöcher dann schnell stopfen; so wird es meist recht teuer.

Bei der dritten und letzten Variante handelt es sich um den "Pragmatischen Ansatz". Dieser verfolgt zwei Teilaufgaben: Entwicklung eines Berichtswesens und Entwicklung eines Planungstools. Bei dieser Vorgehensweise wird zunächst ein Berichtswesen aufgebaut. Dieses kann individuell auf die Bedürfnisse und Größe des Anwenders zugeschnitten werden, kann zum Beispiel einfach über Grafiken gelöst werden oder über eine Performance-Datenbank aufbauend auf ein Datenbanksystem, das sowieso im Hause ist. Unabhängig davon, wie ein solches Berichtswesen konkret aussieht, gilt dabei der Grundsatz "Kontinuität stärker als Genauigkeit". Die Basisdaten müssen über Monitore gesammelt werden, meistens sind entsprechende Tools bereits im Einsatz und die Datenausgabe muß nur koordiniert werden, eventuell sind Ergänzungen notwendig. Der zweite Schritt ist dann die Erstellung eines Planungs-Tools, das zum Beispiel auf einem PC mit einem der üblichen Tabellenkalkulations-/Grafik-Programme entwickelt werden kann. Auch hier kann der Anwender individuell seinen Aufwand festlegen.

Bei der Vorgehensweise nach dem "Pragmatischen Ansatz" können also Aufwand und Sicherheit für die Kapazitätsplanung auf den Anwender zugeschnitten und schrittweise festgelegt werden. Ein Aufwand von einem halben Mitarbeiter fulltime wird in der Regel auch bei größeren Installationen genügen, um vernünftige Kapazitätsplanung betreiben zu können. Für den Aufbau des Systems sind ein bis zwei Mitarbeiter ausreichend, um in angemessener Zeit (in ungefähr einem halben Jahr) ein solches System entwickeln zu können.

Natürlich sind noch andere Vorgehensalternativen als die genannten denkbar; diese sind jedoch entweder nicht praxisrelevant oder können den drei vorgestellten zugeordnet werden.

Vergleicht man die drei beschriebenen Vorgehensalternativen, so ist klar, daß Alternative 2 "Ad-hoc-Ansatz" nur bei kleinen Installationen oder Installationen mit sehr geringem Wachstum in Frage kommt. Alternative 1 "Tool-orientierter Ansatz" ist nur für Großinstallationen zu empfehlen, bei denen man genau planen muß und wo auch entsprechend hoher Personalaufwand investiert werden kann. Außerdem sollte sichergestellt sein, daß entsprechend genaue Eingabedaten (Wachstumsprognosen!) vorhanden sind.

Wer jedoch mit 20 Prozent des Aufwandes 80 Prozent Sicherheit erreichen will, der sollte Alternative 3 "Pragmatischer Ansatz" wählen. Für die meisten Rechenzentren (auch größere) ist die Genauigkeit und Sicherheit, die hier erreicht wird, vollkommen ausreichend.

Berichtswesen mit drei Dimensionen

Aus unserer Sicht hat sich der "Pragmatische Ansatz", wenn er ernsthaft betrieben wird, in der Praxis bewährt. Im folgenden wird diese Vorgehensweise detailliert vorgestellt. Grundsätzlich müssen bei einem Berichtswesen drei Dimensionen betrachtet werden: Empfänger, Information, Zeitpunkt. Wer erhält welche Information wann? Häufigkeit der Informationserstellung und Informationsumfang, nehmen selbstverständlich in der Hierarchie nach oben hin ab.

Komponenten des Berichtswesens können sein:

- Antwortzeiten, Verfügbarkeit und Durchlaufzeiten für die einzelnen Anwendungssysteme;

- Arbeitslast-Aufteilung (CPU und I/O);

- Gesamtwachstum der Arbeitslast (CPU und I/O);

- Rechnerbelastung (CPU-Busy);

- Anzahl Transaktionen oder User für die einzelnen Anwendungssysteme (zum Beispiel Online-Produktion, und Programmentwicklung);

- Zuverlässigkeit von Magnetplatten und Magnetbändern.

PCs zur Entwicklung eines Planungs-Tools

Besonders zu beachten sind bei den einzelnen Berichten, die möglichst in grafischer Form aufbereitet werden sollten, die Zeitintervalle, die der Darstellung zugrunde liegen. Für die Kapazitätsplanung sind besonders die Spitzenzeiten wichtig. In der Praxis hat sich das Prinzip "Spitzenstunde über die Woche gemittelt" bewährt, muß aber bei jeder Installation individuell festgelegt und überprüft werden.

Bei gröberer Betrachtung können diese Werte dann auf den Monat gemittelt werden. Dabei stellen die Daten über die Aufteilung der Arbeitslast sowie das Gesamtwachstum der Anwendungen die Basis für Kapazitätsplanung (CPU und Magnetplatten) dar.

Bei der Entwicklung eines Planungs-Tools bietet es sich an, dieses Werkzeug auf dem PC mit einer Tabellenkalkulations-/Grafik-Software zu entwickeln. Falls das Berichtswesen auf dem PC erstellt wird, sind dort alle Daten schon vorhanden; ansonsten sollten sie in komprimierter Form per File-Transfer vom Host auf den PC geladen werden.

Ausgangspunkt sind die Daten über die Aufteilung der Arbeitslast (Ist-Status). Konkret können die Daten hier auf CPU- und I/O-Arbeitseinheiten pro Stunde normiert werden. Anschließend kann die zukünftige Arbeitslast durch Wachstumsansätze für die verschiedenen Anwendungssysteme hochgerechnet werden. Dabei ist es natürlich leicht möglich, verschiedene Ansätze durchzuspielen. Fragen wie "Wie lange reicht unsere Rechnerkapazität, wenn unser Anwendungswachstum insgesamt 40 Prozent beträgt?" oder "Mit welcher Wachstumsrate in den Anwendungen reicht die Kapazität der jetzigen Systemkonfiguration noch ein Jahr lang aus?" sind schnell und einfach zu beantworten. Die CPU und I/O-Arbeitseinheiten sollten dabei in MIPS beziehungsweise I/Os umgerechnet werden (Formel über Hersteller). Berücksichtigt man (auf der Rechnerseite) zusätzlich maximale Belastungsgrenzen (zum Beispiel 70 Prozent CPU-Busy für Online-CPU bei "Spitzenstunden über Woche gemittelt"), so kann praktisch direkt abgelesen werden, wieviel MIPS zu welchem Zeitpunkt benötigt werden. Die Rechnergröße ist damit bestimmt. Nun müssen die I/Os auf die Anzahl der Datenpfade und Platten verteilt werden. Dabei sind entsprechend dem Plattentyp jeweils die Pfad- und Device-Belastungsgrenzen festzulegen und die Service-Zeiten zu berücksichtigen. Außerdem ist zu beachten, daß die I/Os nicht gleichverteilt ablaufen. Damit kann dann der Bedarf an Magnetplatten aus Performance-Sicht leicht errechnet werden. Der benötigte Magnetplattenplatz muß parallel dazu aufgrund

Anwenderanforderungen ermittelt werden.

Die Entwicklung eines solchen Planungs-Tools kann hier natürlich nur grob skizziert werden; in der Regel ist ein Systemprogrammierer in der Lage, mit diesen Hinweisen ein entsprechendes Tool zu realisieren.

Beide aufgebauten Komponenten zusammen (Berichtswesen und Planungs-Tools) ermöglichen kontinuierlich durchzuführende Soll-Ist-Vergleiche. Abweichungen werden auf diese Weise rechtzeitig erkannt und können sofort und schnell hochgerechnet werden, damit man rechtzeitig agieren kann.