VV-Zeitungsvertrieb Berlin:

Kapazitätsmäßig zwischen zwei Stühlen

12.03.1976

BERLIN - "Bei uns muß es schnell gehen, wir vertreiben ,verderbliche Ware' und arbeiten deshalb in einem Service-Rechenzentrum." Diese Aussage von Wolfgang Jahnke, Vertriebsleiter und EDV-Kontaktmann der VV - Vertriebsvereinigung Berliner Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten GmbH & Co. KG mag in den Ohren eines EDV-Fachmanns etwas eigenartig klingen, da doch vor allem "Schnelligkeit" ein Argument für die eigene Anlage ist. Dennoch hat sich das Vertriebsunternehmen "nach reiflichen Überlegungen dazu entschlossen, keinen eigenen Computer anzuschaffen".

MDT kommt nicht mit

Täglich müssen beim VV-Zeitungsvertrieb etwa 1700 Sendungen mit 92 Fahrzeugen an 25 bis 30 Einzelhändler ausgeliefert und abgerechnet werden. Jahnke: "Die erforderliche Verarbeitungsgeschwindigkeit kann nur von einem Großcomputer erreicht werden und ein solches System wäre bei uns nicht voll ausgelastet." Die Alternative, ein System der Mittleren Datentechnik ins Haus zu holen, kommt für Jahnke nicht in Frage, da "die Systeme zwar heute schon recht preisgünstig zu bekommen sind, die Druckgeschwindigkeit und -menge aber einfach für uns nicht ausreicht". Zudem scheut er den Aufwand, den eine derartige Installation zweifelsohne mit sich bringen würde: Neue, spezialisierte Arbeitskräfte, erweiterte Räume - - denn auch ein Kleincomputer braucht eine klimatisierte Umgebung - sowie "der ganze Ärger mit der Wartung, wennn's irgendwo nicht funktioniert."

Ohne Siemens geht's auch

Nach einer computerisierten Lösung der Verteilungsprobleme sah sich Jahnke erstmals im Frühjahr 74 um. Für die Verarbeitung im Service boten sich mehrere Alternativen: IBM und NCR mit eigenen Service-Betrieben, die Deutsche Datel sowie ein freies Service-Rechenzentrum. Natürlich kamen auch die Hersteller selber ins Haus und wollten ihre Systeme verkaufen: IBM, NCR, Honeywell Bull und Siemens. Siemens machte zwar das Rennen, jedoch nur als solider "Background'' für die Service-Leistung der Deutschen Datel und mit dem Angebot eines speziell auf die Grossisten-Branche zugeschnittenen Software-Paketes "Pentagon" .

Siemens ist zwar heute nicht mehr dabei, aber "der Service funktioniert trotzdem". Jahnke: "Entgegen anderen Gerüchten ist die Berliner Datel-Niederlassung mit Arbeit so eingedeckt, daß sie sich demnächst ein größeres Siemens-Modell zulegen muß." Das Software-Paket ging an die Datel über, und Jahnke ist mit dem "Output" sehr zufrieden: "Nachdem ,Pentagon' auf unsere ganz speziellen Belange umgemodelt und angepaßt wurde."

Auch Management-Zahlen

Das Software-Paket, das in der ursprünglichen Form noch bei drei weiteren Grosso-Unternehmen mit eigener EDV läuft, schreibt in erster Linie Lieferscheine - zweimal täglich, und zwar einmal für Tageszeitungen und einmal für die "Buntware" (Zeitschriften). Große Druckkapazität nehmen auch die Rechnungen in Anspruch, mit den unterschiedlichsten Verrechnungsarten. Neben einer "Management-Statistik" erhält Jahnke noch eine sehr umfangreiche "Maschinelle Bezugsregelung", die für jeden Ausfahrer täglich eine Art "Fahrplan" liefert: wann was abgeliefert wird und welcher Betrag - nach Abzug der Remission vom Vortag - einzukassieren ist.

Warten auf Online

Einzige EDV-Arbeit im Hause VV ist die Datenerfassung auf Lochstreifen und -karten. An acht Erfassungsplätzen wird hierfür Non Stop den ganzen Tag gearbeitet. Täglich um 14.00 Uhr gehen diese Datenträger an das Service-Büro, pünktlich um 20.00 Uhr kommen die verarbeiteten Unterlagen wieder ins Haus. Nach dem Schneiden und manuellen Sortieren im Haus werden die Belege verteilt, so daß am nächsten Morgen die Lkw pünktlich starten können. "Schneller geht's doch gar nicht mehr", freut sich Jahnke und wartet auf die geplante Neuinstallation bei der Datel: "Dann werden wir uns hier Terminals ins Haus stellen lassen und mit wenig Aufwand unsere Daten an den Arbeitsplatz holen."