1983 hat für die DV-Industrie nicht alle Erwartungen erfüllt:

Kanadier sind dem Fortschritt auf der Spur

16.03.1984

MÜNCHEN (CW) - Für die kanadische Computer- und Telekommunikationsindustrie war 1983 ein flaues Jahr. Zwar stehen die Zahlen für das letzte Quartal noch nicht fest, doch läßt sich aus dem Ergebnis der ersten neun Monate ablesen, daß sich die Rezession in Nordamerika auf die kanadische Industrie ebenso stark auswirkte wie auf die amerikanische oder deutsche. Wie das kanadische Generalkonsulat in München ferner mitteilt, verspricht sich der nördliche Nachbar der USA neuen Aufwind von seiner erstmaligen Teilnahme an der diesjährigen Hannover-Messe mit einem Nationenstand. Der Kanadische Markt für Kommunikationseinrichtungen erreichte letztes Jahr mit 2,5 Milliarden Dollar den gleichen Wert wie 1982. Dabei sanken jedoch die Auslieferungen um drei Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar. Exporte und Importe stiegen demgegenüber um jeweils 10,6 Prozent beziehungsweise 14,8 Prozent auf 1,3 beziehungsweise 1,6 Milliarden Dollar an.

Der DV-Bereich war in den ersten neun Monaten durch einen spürbaren Rückgang im Kanadischen Inlandsgeschäft um zehn Prozent auf 2,2 Milliarden Dollar gekennzeichnet. Dies wertet das Generalkonsulat als direktes Ergebnis der Rezession und der Beschränkungen in den Kapitalhaushalten. Die Exporte sanken um 13 Prozent auf 728 Millionen Dollar, die Importe blieben mit 2,4 Milliarden Dollar unverändert. Als Überraschungsmoment betrachten Insider die DV-Exporte, die um zwölf Prozent auf eine Milliarde Dollar anstiegen.

Damit ist Kanada inzwischen zum weltweit fünftgrößten Markt für DV-Systeme und zum achtgrößten Exporteur geworden. Der Hardwaremarkt beläuft sich auf schätzungsweise 4,7 Milliarden Dollar. Mit Software und Dienstleistungen kommen noch einmal 1,4 Milliarden Dollar hinzu. Ungefähr drei Milliarden Dollar dieses Marktes gehen auf das Konto der Importe, über 90 Prozent der kanadischen Produktion, etwa eine Milliarde Dollar, wird in andere Länder exportiert.

Entwicklungsschwerpunkte waren 1983 drahtlose Fernsprechnetze, Kabelnetze für Computer, Satelliten-Fernsprechrelais, VLSI-Technologie und die eigentliche Satellitenkommunikation. Ferner war die offizielle Einführung von Teletex zwischen der Bundesrepublik und Kanada nach Aussage des Generalkonsulats eines der wichtigsten internationalen Ereignisse auf dem DV-Markt. Teletex erlaubt nun die Übertragung eines Geschäftsbriefes zwischen den beiden Ländern in etwa zehn 'Sekunden. Dabei werden digitale Übertragungstechniken benutzt.

EDV integrieren

Northern Telecom stellte weltweit das auf fünf Jahre angesetzte Spezialprogramm Open World (Open Protocol Enhanced Networks] vor, das in diesem Zeitraum 1,2 Milliarden Dollar kosten soll. Ziel dieser Entwicklung ist es, die Datenverarbeitung voll in den Unternehmensablauf zu integrieren. Dabei sind Sprach- und Datenkommunikation ebenso berücksichtigt wie Textverarbeitung und die Erfordernisse der Bildkommunikation. Open World basiert auf der SL-Familie digitaler Nebenstellenanlagen von Nortel sowie auf der neuen DMS-100-Familie von Digitalschaltern. Eines der neuesten Produkte der SL-Familie ist der SL-15. Er wurde im vergangenen Juli angekündigt und ist Herstellerangaben zufolge eine voll digitalisierte Nebenstellenanlage, speziell für Kunden entwickelt, die 30 bis 120 Telefonleitungen benötigen. Obwohl dieser Schalter nach heutigen Standards klein ist, verfüge er über alle Eigenschaften der größeren SL- 1 -Einheiten, einschließlich der Benutzungsmöglichkeit des Displayphone für Sprache und Daten. Bisher wurden laut Anbieter etwa 7000 SL-1-Systeme in mehr als 50 Länder verkauft.

Keine Kooperation geplant

Trotz des Trends zu Kooperationen mit anderen Anbietern im Telekommunikationsgeschäft wird Nortel auch künftig allein arbeiten. Dies bestätigte kürzlich Northern Telecom-Präsident Edmund Fitzgerald.

Der Nortel-Boß: "Verbindungen mit anderen tendieren dazu, einen selbst zu bremsen".

Der andere große kanadische Hersteller von digitalen Schaltern und Teilnehmergeräten, Mitel, begann letztes Jahr mit der Auslieferung seiner neuen digitalen Nebenstellenanlage SX-2000. Sie wird derzeit mit einer monatlichen Quote von zehn Stück hergestellt, die bis Ende dieses Jahres auf 50 Stück pro Monat ansteigen soll. Bei einem Preis von etwa 800 Dollar pro Nebenstellenanlage reicht ihre Kapazität von 150 bis ungefähr 10 000 Anschlüssen. Als Vorteil werten kanadische. Experten dabei, daß sie Sprache in Daten umwandeln kann und nicht Daten in Sprache transferiert, wie es bei älteren Nebenstellenanlagen der Fall ist.

Beide Anbieter haben sich inzwischen auch auf dem bundesdeutschen Markt gemeldet. Mitel bietet bereits einige Versionen seiner SX-100-Nebenstelleanlage an, die Deutsche Bundespost verwendet das Datex-Paketvermittlungssystem von Nortel.

Bei den Satelliten an dritter Stelle

Als dritte Nation nach der UdSSR und den USA hat Kanada inzwischen 14 Satelliten gestartet. Zwei davon, die zur Anik-Serie gehören, wurden 1983 von der US-Raumfähre Space Shuttle gestartet. (In der Sprache der kanadischen Ureinwohner, der Inuits, bedeutet "Anik" Bruder). Die Anik-Satelliten C 1 und D2 sollen 1984 mit Hilfe der Canadarm von der Raumfähre abgeschossen werden.

Ein Beispiel der internationalen Zusammenarbeit im Weltraum zu friedlichen Zwecken ist Sarsat (Search an Rescue Satellite-Aided Tracking). Es handelt sich ] hierbei um ein satellitenunterstütztes Such- und Rettungssystem, das ebenfalls 1983 in eine Umlaufbahn gebracht wurde. Als gemeinsames Unternehmen von Kanada, Frankreich und den USA arbeiten diese künstlichen Erdtrabanten mit den sowjetischen Cospas-Satelliten zusammen. In den ersten zwölf Einsatzmonaten halsen sie mit dazu beigetragen, 97 Personen zu bergen. Die Signale der Notrufpeilsender (ELT, Emergency Locator Transmitters) wurden dabei empfangen und dann mit punktgenauer Ortung an die Bodenstation übertragen. Gegenwärtig finden die Frequenzen 121,5 MHz und 243 MHz Verwendung. Bald soll jedoch eine Umstellung auf das 406-MHz-Band erfolgen, das den Einsatz digitaler Techniken erlaubt.

Mikrocomputer mit der Nase vorn

Der etwas flaue Markt im Mikrocomputerbereich war 1983 am unteren Ende durch ein starkes Wachstum bei den Mikrocomputern gekennzeichnet. Im oberen Bereich machte sich die Erweiterung des Produktspektrums bemerkbar. Die Steigerung betrug hier etwa die Hälfte des Zuwachses auf dem gesamten Computermarkt. Für 1984 sagen Insider eine Steigerung um elf Prozent voraus, verglichen mit zehn bis 20 Prozent für den gesamten Computermarkt in Kanada. Mit einem Marktanteil von 25 Prozent ist Digital Equipment Canada Ltd. der führende Minicomputerlieferant. Heftig attackiert wird dieser Markt von Apples Lisa am unteren Ende und der IBM 4300 am oberen Ende der Skala. Der Serie 9000 von Hewlett-Packard prognostizieren Branchenkenner eine einschneidende Bedeutung für den Absatz von Minis im technisch-wissenschaftlichen Bereich.

Für Kanada bietet 19614 also viele Chancen in den Marktsektoren Datenverarbeitung und Telekommunikation. Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung, das Außeinanderfallen des AT&T-Monopols sowie die Entwicklung in Richtung auf eine internationale Standardisierung wertet das kanadische Generalkonsulat als Hinweise auf ein erfolgreiches Jahr für die Industrie. Wettbewerb sei das Schlüsselwort. Demzufolge müßten die kanadischen Anbieter dem technologischen Fortschritt noch mehr Gewicht beimessen, um ihre Rolle im internationalen Wettbewerb behaupten zu können.