In London kommen die Innovativen und die Großen zusammen

Kalifornische Startups stellen sich europäischen Konzernen

17.03.2000
Die gegenseitige Annäherung bringt beiden Vorteile: Die europäischen Konzerne wollen von den innovativen Ideen profitieren, die Amerikaner sind auf der Suche nach Partnern und Absatzmärkten.Von Ursula Coester*

Seit vier Jahren treffen sich rund 50 Chief Executive Officers (CEOs) und Chief Financial Officers (CFOs) von kalifornischen Startup-Unternehmen aus dem IT-Bereich mit 220 Managern und Analysten großer europäischer Unternehmen in London. Dort findet die Cal-IT, das California Information Technology Investment and Partnering Forum, statt. Initiiert wird die Veranstaltung durch die California Trade and Commerce Agency, eine Organisation, die kontinentüberschreitende Partnerschaften zwischen europäischen und amerikanischen Unternehmen aus der Informations- und Biotechnologie vermittelt.

Beraten und unterstützt werden sowohl amerikanische Startups bei ihrem Markteintritt in Europa als auch deutsche Gründer, die sich im amerikanischen Markt etablieren wollen. Inzwischen haben einige deutsche IT-Unternehmen ihren Hauptsitz nach Kalifornien verlagert. Ein Beispiel hierfür ist Zadu, eine Firma, die eine Software für die Echtzeitkommunikation im Web entwickelt hat.

Vor anderthalb Jahren wurde der Firmensitz von München nach San Mateo verlegt. Zwei Gründe waren für den Wechsel ausschlaggebend. "Silicon Valley ist das weltweite Zentrum für Innovation, Finanzierung, Umsetzung und Vermarktung von Internet-Technologien und -Produkten", so Andreas Weiskam, einer der Gründer von Zadu. "Hinzu kommt, dass man dort mit Talent, einer Idee und Initiative alles erreichen kann, und zwar recht schnell."

15 Prozent des amerikanischen Bruttosozialproduktes werden im Silicon Valley erwirtschaftet. Die viel beachtete Entwicklung startete nach der Rezession im Jahr 1994, angetrieben durch die Mentalität zahlreicher Menschen, die vor Jahren nach Kalifornien gekommen sind. Unabhängig von nationaler Herkunft und Kultur haben viele, die hier leben, ein gemeinsames Ziel: eigene Visionen verwirklichen und etwas Neues aufzubauen.

Waren 1995 und 1996 Asien, China und Südamerika für die meisten Startups überdurchschnittlich interessant, hat sich der Schwerpunkt verlagert: Europa gilt als der Schlüsselmarkt. Zum einen ist in Europa mittlerweile die kritische Masse an Internet-Nutzern erreicht, zum anderen sind die Monopole im TK-Markt aufgehoben.

Eine globale Strategie soll den Unternehmen im Silicon Valley das Überleben im harten Wettbewerb sichern. Aber um auf den internationalen Märkten bestehen zu können, müssen die jungen Firmen eine Nische finden, die noch nicht zu stark besetzt ist, sofort ihre strategische Positionierung in diesem Markt definieren und bekannt machen sowie die Zyklen der Produktentwicklung möglichst kurz halten. Das wichtigste Argument für eine Partnerschaft zwischen Gründern und Konzernen ist, dass junge Firmen aus den USA ein großes Potenzial an technologischem Know-how haben und innovative Anwenderlösungen sowie Prozesse für die Industrie in einem rasanten Tempo entwickeln. Ohne diese Innovationsschübe wäre das Überleben großer Konzerne gefährdet. Die Partnerschaft mit Startups bietet etablierten Konzernen die Möglichkeit ihr Leistungs- und Produktportfolio gezielt mit Innovationen zu ergänzen.

Folglich sind viele der führenden deutschen Unternehmen auf der Cal-IT vertreten: BMW, Siemens, Deutsche Telekom, Egon Zehnder International und Dresdner Kleinwort Benson signalisieren das Interesse der hiesigen Industrie an den Innovationen der kalifornischen Entrepreneure. Ein Beratungsstab aus 14 Teilnehmern, die einen repräsentativen Querschnitt von etablierten europäischen IT-Unternehmen bilden, wählt aus 300 bis 400 Bewerbern die 50 besten Startups aus. Die Auswahlkriterien hierbei sind streng.

So wird geprüft, welcher Bedarf an technologischen Entwicklungen seitens der europäischen Unternehmen besteht, ob die jungen Firmen eine interessante Nische besetzen und ob sie bereits eine Strategie zum Eintritt in den europäischen Markt haben. "Unser Ziel ist es, dass in einem Jahr Geschäftsbeziehungen im Wert von 100 Millionen Dollar vereinbart werden", so Trudi Schifter, Gründerin und Vorstandsvorsitzende der California Association of Germany e.V.

Jedes der ausgewählten 50 Unternehmen hat auf der Cal-IT eine Viertelstunde Zeit, sich dem kritischen Publikum zu präsentieren. So erhalten die Vertreter der europäischen Konzerne rasch einen Überblick über Innovationen im amerikanischen IT-Markt.

Tilo Ferrari von Bertelsmann Mediasystems begründet seine Teilnahme so: "Wir nutzen die Veranstaltung unter verschiedenen Gesichtspunkten. Unsere Venture-Capital-Spezialisten suchen nach besonderen Investitionsmöglichkeiten. Zudem sprechen wir mit den CEOs der Startups unter dem Aspekt möglicher Partnerschaften." Manche Gespräche waren "so wertvoll", dass Ferrari den CEOs direkt via Telefon einen Kontakt mit den entsprechenden Abteilungen im eignen Hause vermittelt hat. "Das Gute an dieser Veranstaltung ist, dass man an einem Tag zehn interessante Unternehmen kennen lernen kann." Mit manchen wäre man sonst nie in Kontakt gekommen, weil sie einem auf den ersten Blick nicht interessant genug erschienen wären. "Während man im Silicon Valley vielleicht zwei Unternehmen pro Tag kontaktiert, können in London viel mehr Betriebe in kürzester Zeit durch mehrere Spezialisten aus unserem Hause unter den verschiedensten Aspekten begutachtet werden", sagt Hans Kohlmeyer von der Siemens AG.

Auch die Startups bewerten die Cal-IT durchweg positiv. "Hätte ich die Kontaktaufnahme von Kalifornien aus betrieben, wäre dies viel zeitintensiver gewesen", stellt Bill Nguyen von onebox.com fest. Die Organisatoren vereinbaren bereits im Vorfeld der Veranstaltung für jeden US-Gründer mindestens fünf verbindliche Termine mit den europäischen Unternehmen.

Dass aus diesen Kontakten gewinnbringende Partnerschaften entstehen, lässt sich eindrucksvoll dokumentieren. So werden zu Beginn jeder Cal-IT die erfolgreichsten Startups des vergangenen Jahres vorgestellt und mit einer Auszeichnung geehrt. 1998 gehörte Intershop zu den Gewinnern, 1999 wurde Vicinity, ein E-Retail-Unternehmen, für die Partnerschaft mit der Metro AG ausgezeichnet.

* Ursula Coester ist freie Journalistin in Neuss.

Hilfefür deutsche Startups ...... existiert seit 1998 in Form der Non-Profit Organisation ETT (European Technical Tour). Mitglieder sind potenzielle strategische Partner, Investoren und Service-Provider. Führende Unternehmen aus der Hightech-Industrie sind vertreten. Das Ziel von ETT ist es, den europäischen Markt transparenter zu machen und Beziehungen zwischen den Regionen und den Mitgliedern der ETT aufzubauen. Informationen gibt es unter www.europeantechtour.com.