Verkauft die Telekom eine Mogelpackung?

Käufer des deutschen TV-Netzes müssen Milliarden investieren

23.07.1999
AUGSBURG (hi) - Weite Spendierhosen erwartet die Deutsche Telekom von den künftigen Eigentümern ihres Fernseh-Kabelnetzes. Es sollen nämlich nur solche Käufer den Zuschlag erhalten, die unmittelbar mit dem Ausbau des Netzes beginnen und dadurch neue Dienste wie IP-Telefonie, Fast Internet oder digitales Fernsehen ermöglichen.

Einen sofortigen Ausbau des TV-Netzes erwartet Franz Arnold, als Beauftragter der Deutschen Telekom für Breitbandkabel mit den Verkaufsverhandlungen befaßt, von den potentiellen neuen Eigentümern des Kabelnetzes. Diese können noch bis zum 13. August ihre Gebote abgeben.

Mit dieser Erwartungshaltung machte sich Arnold auf dem Augsburger Symposium "Digitale Plattform", einem Treffen der TV-Kabelindustrie und -Netzbetreiber, nicht nur Freunde. Vor allem Peter Stritzl, Vizepräsident der Anga, des Verbandes der privaten Kabelnetzbetreiber, kritisierte die Forderungen. Die Telekom habe, so sein Credo, mit ihrer Entscheidung zugunsten der proprietären D-Box die Entwicklung und den Ausbau der TV-Netze nachhaltig behindert beziehungsweise verzögert. Ferner verkaufe der ehemalige Monopolist mit seinem Netz eine Mogelpackung: Die künftigen Eigentümer könnten nicht frei über das Netz verfügen, da die Verwendung eines Teils der Bandbreite bereits durch Landesmedienanstalten und andere festgeschrieben sei.

Unnötiger Streit um D-Box

Das wollte Arnold so nicht stehenlassen, denn in seinen Augen hätten D-Box und Netzausbau nichts miteinander zu tun, und die Anga habe sich vor zwei Jahren gegen eine Netzerweiterung gesperrt. Insgesamt erweckte die Debatte über die Streitigkeiten in Sachen D-Box den Eindruck eines Scheingefechts. Denn die entscheidende Frage beim Verkauf des Kabelnetzes dürfte letztlich sein, welcher Investor genügend Kapital hat, um die geforderte Digitalisierung des Netzes und den für interaktive Dienste erforderlichen Rückkanal zu verwirklichen.

Laut Arnold, der zur Zeit Gespräche mit rund 130 Investoren führt, müssen die Käufer, wenn sie das Netz nur zu 70 Prozent in der Fläche renovieren, Kosten in Höhe von fünf Milliarden Mark einkalkulieren. Davon entfallen drei Milliarden auf die Netzebene 3 und zwei Milliarden auf die Netzebene 4. Unklar bleibt, wieviel ein kompletter Ausbau des Netzes kosten wird. Arnold orakelte hierzu lediglich, daß der Investitionsbedarf bei einer flächendeckenden Renovierung überproportional höher sei. Das dazu nötige Kapital könnten, wie Anga-Vize Stritzl einräumte, nicht alle Mitgliedsfirmen des Verbandes aufbringen.

Neben diesen finanziellen Unwägbarkeiten müssen die künftigen Eigentümer eine weitere Kröte schlucken: Der Bonner Carrier will auch nach dem Verkauf im September oder Oktober einen Anteil von 25 Prozent plus eine Stimme am Kabelnetz behalten. Laut Arnold übt die Telekom damit zwar keinen unternehmerischen Einfluß aus, behalte sich aber die Mitsprache bei finanziellen Aktionen wie einem etwaigen Börsengang vor.

Nach dem Verkauf, wenn es also neben dem Telefonortsnetz der Telekom eine zweite Infrastruktur gibt, lockt Arne Börnsen, Vizepräsident der Regulierungsbehörde, mit einer Lockerung der Regulierungszügel. Ein Angebot, das die nächste Runde im TK-Tarifwettbewerb bedeuten könnte.