K.o. fuer zweiten MPP-Anbieter Kunden, Geld und gutes Image waren bei Kendall Mangelware

30.09.1994

MUENCHEN (jm) - Gerade vier Wochen ist es her, dass die Thinking Machines Inc. (TMC) die Segel streichen musste. Jetzt hat es mit der Kendall Square Research Corp. (KSR) den naechsten Anbieter massiv-paralleler Rechner erwischt. Ab sofort stellt das Unternehmen die Produktion und den Vertrieb seiner

"KSR-1"- und "KSR-2"-Systeme ein.

Zum 3. Oktober 1994 werden 130 der bislang 180 Mitarbeiter entlassen. Die verbleibenden 50 sollen zum einen den Support fuer die installierte Basis leisten. Zum anderen sollen sie versuchen, fuer KSRs "Allcache"-Technologie Lizenznehmer zu akquirieren.

Der Board of Directors sah sich am 21. September 1994 gezwungen, das Handtuch zu werfen, weil "erwartete Ordereingaenge ausgeblieben sind und die Firma es nicht geschafft hat, Kapital zur Finanzierung ihres Geschaefts aufzubringen".

Im dritten Fiskalquartal hatte KSR keinen einzigen Kunden mehr fuer einen ihrer Rechner gewinnen koennen. Wenn es nicht gelinge, fuer die "Allcache"-Architektur Lizenznehmer zu finden, muesse auch der Gang zum Konkursgericht erwogen werden.

Gleichzeitig gab Larry Reeder, seit dem 15. August 1994 President und CEO von KSR, seinen Ruecktritt bekannt. Auch Director Louis Cabot und Executive Vice-President James Rothnie legten ihre Aemter nieder. Zachary Shipley, KSRs Chief Financial Officer, wurde vom Board of Directors zum Interims-CEO berufen.

In Deutschland unterhielt KSR seit Herbst 1992 ein Vertriebsabkommen mit der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI), die auch den groessten Teil der hierzulande veraeusserten neun Systeme an den Mann brachte. Fuer die Kunden wird SNI weiterhin den Service und Support sicherstellen. Auf Anfrage hiess es zudem, man werde wohl auch kuenftig installierte KSR-Rechner aufruesten koennen.

Bei den beiden KSR-Niederlassungen in Hannover und Muenchen waren Stellungnahmen nicht zu erhalten. In Muenchen meinte eine Mitarbeiterin lediglich, die Firma sei in Aufloesung begriffen.

Schuld an KSRs Niedergang sind nach Ansicht von Wolfgang Gentzsch, Professor fuer angewandte Mathematik und Informatik an der FH Regensburg, mehrere Dinge: "KSR nutzte in seinen massiv-parallelen Rechnern einen relativ langsamen Prozessor, der darueber hinaus auch noch proprietaer war." Zudem stellte sich das vielgelobte "Allcache"-Speicherkonzept als weniger leistungsfaehig heraus, als Kendall Square Research selbst es vermarktet hat.

Last, but not least duerfte KSR auch zum Verhaengnis geworden sein, dass ihr Gruender und seinerzeitige President und CEO Henry Burkhardt Ende vergangenen Jahres Bilanzfaelschungen vornahm, um das Geschaeftsergebnis positiver darzustellen. Zwar feuerte Hauptaktionaer William Koch den Ex-Encore- und Data-General-Mann postwendend, nachdem der Skandal oeffentlich geworden war. KSRs Image nahm trotzdem wohl einigen Schaden. Gentzsch hierzu: "Der Markt fuer massiv-parallele Systeme beziehungsweise deren Anwender sind heute dermassen sensibilisiert, dass sie auf jede kleinste Unregelmaessigkeit aeusserst empfindlich reagieren."