Bedingungen für PC-Anbieter als untragbar abgelehnt

Justizministerium: Microsoft mißachtet die einstweilige Verfügung

02.01.1998

Die neuen Vorwürfe richten sich gegen eine Microsoft-Reaktion, in denen den PC-Anbietern zwar erlaubt wird, den Internet Explorer zu entfernen, gleichzeitig aber davor gewarnt wird, daß dadurch das Betriebssystem in Mitleidenschaft gezogen würde. Die einzig sichere Methode wäre es, die Windows-95-Version von August 1995 zu verwenden, in der jedoch viele wichtige Features fehlen (vgl. Seite 13: "Ohne die Updates gehört Windows zum alten Eisen"). Joel Klein, der vom Justizministerium für den Microsoft-Fall abgestellte stellvertretende Generalstaatsanwalt, kommentiert diese Regelungen: "Bis jetzt hat Microsoft Produkte zusammengeschnürt, jetzt bindet das Unternehmen den Partnern die Hände."

Daher erneuerte Klein die Forderung seines Ministeriums, Microsoft mit einer täglichen Buße von einer Million Dollar zu belegen, solange das Unternehmen sich nicht an die Vorgaben des Gerichts hält. Außerdem fordert er, daß die Softwerker seiner Behörde jedes neue Betriebssystem und damit zusammenhängende Produkte spätestens 40 Tage nach Auslieferung zur Überprüfung auf rechtliche Mängel aushändigen.

Auch vom Gericht selbst drohen weitere Schwierigkeiten für die Gates-Company. So bezweifelt der für die einstweilige Verfügung gegen Microsoft verantwortliche Richter Thomas Jackson offensichtlich die Microsoft-Aussagen, wonach es ausgesprochen aufwendig und auch für das Betriebssystem problematisch sei, Windows 95 von den Internet-Funktionen auszugliedern. Einem Computerspezialisten des Gerichts sei diese Trennung in weniger als 90 Sekunden gelungen, attackierte der Richter die Unternehmenssprecher in einem Hearing. Anders als von Microsoft angegeben seien danach keinerlei funktionale Probleme bei der Verwendung des Betriebssystems aufgetreten. Den Beweis für seine Behauptungen muß Microsoft jetzt am 13. Januar erbringen.

Microsoft-Anwalt Brad Smith reagierte positiv auf das erneute Hearing, weil seinem Klienten damit die Gelegenheit gegeben werde, die schwierigen technischen Sachverhalte zu erklären. So gebe es in Windows 95 Dateien, die sowohl vom Betriebssystem als auch von früheren Versionen des Browers benutzt würden. Da die einstweilige Verfügung sich auf alle Explorer-Dateien bezog, wäre es dadurch etwa beim Starten des Systems zu Problemen gekommen. Nun habe sich herausgestellt, daß der Richter nur diejenigen Dateien gemeint habe, die für den Betrieb des Browsers von Bedeutung seien.

Angesichts der allgemeinen Unsicherheit ist bislang noch kein PC-Anbieter bekannt, der bereit ist, Windows 95 ohne den Microsoft-Browser auszuliefern. Sicherheitshalber haben die japanischen Hersteller NEC, Fujitsu, Toshiba und Hitachi bereits bekanntgegeben, daß sie sich an die bisherigen Verträge mit Microsoft halten wollen, die eine zwingende Installation des Internet Explorer mit dem Windows-Betriebssystem vorschreiben.

Ausweitung des Streits ist wahrscheinlich

Derweil bereitet sich das US-Justizministerium auf eine Eskalation des Gerichtsverfahrens vor. Zu diesem Zweck wurde Staranwalt David Boies angeheuert, der in den 70er Jahren die IBM erfolgreich gegen Monopolismusvorwürfe des Staates verteidigt hat. In dieser Ausweitung sehen Rechtsexperten die größte Gefahr für Microsoft, so das "Wall-Street Journal". Der Software-Com- pany drohe ein jahrelanger Prozeß mit unabsehbaren Folgen. Neben der Regierung seien bereits die Generalstaatsanwälte von neun US-Bundesstaaten dabei, ihre Monopol-Klagen gegen Microsoft zu formulieren.

WIDERSTÄNDE GEGEN MICROSOFT

Bundesstaaten rebellieren: Die Generalstaatsanwälte der Bundesstaaten Florida, Illinois, Minnesota, New York, Texas, Kalifornien, Oregon, Massachusetts und Connecticut haben sich in Chikago getroffen, um gemeinsame rechtliche Schritte gegen Microsoft zu diskutieren. Die Vorwürfe der Ankläger sollen über das Bundling von Browser und Betriebs- system hinausgehen. Im Falle von Texas gibt es bereits eine Klage wegen einer Vertragsklausel, die Kunden und Lizenznehmer verpflichtet, Microsoft zu unterrichten, bevor sie Informationen an Regierungs- oder Ermittlungbehörden geben.

Universitäts-Monopol: In den Universitäten und bei Anwendervereinigungen in den USA wächst der Widerstand gegen den Plan zur Gründung einer Firma aus Microsoft, GTE, Fujitsu, Hughes Electronics und der California State University. Die California Education Technology Initia- tive (Ceti) soll gewinnbringend 23 Campus-Systeme mit moderner PC- und Internet-Technik ausstatten und dabei binnen zehn Jahren etwa drei Milliarden Dollar umsetzen. Der Protest richtete sich dagegen, daß die beteiligten Firmen auf diese Weise über Jahre hinweg jeden Mitbewerber bei der DV-Beschaffung ausschließen würden.

Angst bei Tageszeitungen: Widerstand gegen Microsofts Wachstumsbestrebungen im Internet kommt inzwischen auch aus der Verlagsbranche. Internet-Publikationen wie Carpoint (Microsofts Forum für Gebraucht- und Neuwagen-Inserate) sowie das für 1998 geplante Bordwalk-Projekt, das auf den Immobilienmarkt zielt, jagen insbesondere den Tageszeitungen Anzeigenkunden ab. Ein Dorn im Auge ist den Regionalzeitungen auch der "Sidewalk"-Dienst, der für zehn US-Metropolen Freizeittips wie Kino- oder Restaurant-Empfehlungen gibt.