US-Konzern nach Streik einig mit Gewerkschaft, aber:

Just-in-Time-Konzept macht Ford verletzlich

26.02.1988

MÜNCHEN (ih) - "Kanban" spielte in Großbritannien Streikhelfer: Das "Just-in-Time"-Konzept nämlich war bei den Ford-Werken der Grund dafür, daß der Ausstand für die Arbeitnehmer günstig verlief. Nachdem durch die unterbrochene Produktionskette nahezu alle europäischen Niederlassungen lahmgelegt worden waren, unterzeichnete der US-Konzern den neuen Tarifvertrag.

Elf Tage beeinträchtigte ein Streik der 32 500 Beschäftigten die Produktion in allen 22 britischen Werken, im belgischen Genk sowie in Saarlouis und in den spanischen Fabriken. Deutlich gemacht hat der Ausstand vor allem, wie anfällig der Automobilkonzern durch die Einführung verkürzter Lagerfristen und der "Jusl-in-Time"-Zulieferung auf Produktionsunterbrechungen reagiert. Der Generalsekretär des Internationalen Metall-Gewerkschaftsbundes Herman Rebhan: "Das ,Just-in-Time'-Konzept ist deshalb streikfreundlich, weil alle Betriebe des Konzernverbundes sofort betroffen sind, wenn irgendwo in der Kette die Produktion unterbrochen ist." (Siehe auch Just in Time: Die Jagd nach der Zeit" auf Seite 38 dieser Ausgabe.) Eher gelassen reagiert indes Udo Reinhold, Pressesprecher der Ford-Werke in Köln: "Die Auswirkungen in Saarlouis hielten sich in Grenzen." Allerdings mußte Reinhold zugeben, daß nur bei einem kurzfristigen Ausstand die Möglichkeit gegeben ist, sich nach Alternativproduzenten umzusehen. Ein längerdauernder Streik dagegen könnte für den Konzern dramatische Folgen haben.

Insgesamt soll der Ausstand Ford einen Umsatzausfall von knapp 1,6 Milliarden Mark gebracht haben. Ihren Erfolg sehen die Metall-Gewerkschaften auch darin, daß die Unternehmensleitung zugestimmt hat, künftig die Einführung von japanischen Arbeitspraktiken wie "Qualitätszirkel" nur im Einvernehmen mit den Arbeitnehmervertretern anzugehen.

Über Rationalisierungen will sich Ford mit den Gewerkschaftsvertretern gütlich einigen. Der US-Konzern möchte auch weiterhin einen allmählichen Abbau von 3000 Arbeitsplätzen auf der Insel durchsetzen. Die Produktion der britischen Werke soll bis Ende der achtziger Jahre von 383 000 auf 550 000 Stück erhöht und die Motoren- und Teilefertigung für Europa noch stärker auf Großbritannien konzentriert werden. Dafür sind Investitionen von umgerechnet 4,5 Milliarden Mark vorgesehen.

Ein langer Streik hätte diese Strategie für Europa offenbar gestört. Fachkreise vermuten, daß das Unternehmen es nach dieser Arbeitsniederlegung künftig schwerer als bisher haben wird, seine Produktivität zu steigern. Gewerkschafter Rebhan meint dazu: "Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Einführung neuer Techniken und Arbeitspraktiken." Nur dürfe die Schere zwischen technischem Fortschritt und sozialen Komponenten nicht zu weit auseinanderklaffen.