BMW und Modine stellen Anlieferungsverfahren um

Just-in-Sequence statt Just-in-Time

22.03.2002
Die Globalisierung zwingt die Automobilhersteller zur Verkürzung ihrer Produktionszeiten. Um Teile bedarfsgenauer als bisher an das Band zu liefern, haben BMW und der Zulieferer einen neuen Logistikprozess eingeführt. Von Isabel Otto*

Auch im Automobilbau müssen die Herstellungskosten gesenkt und Abläufe optimiert werden. Das bedeutet für die Zulieferer, dass sie ihre Logistik überdenken müssen, um die Hersteller sequenzgenau mit den georderten Teilen zu versorgen.

Galt bislang noch Just-in-Time (JIT) als Königsweg für eine schlanke Produktion, kommt immer mehr Just-in-Sequence (JIS) ins Blickfeld der Logistik. Just-in-Sequence ist der Versand verschiedener Varianten des gleichen Teils in gemischten Packstücken unter Berücksichtigung der Montagesequenz im Kundenwerk. Es wird in der Sequenz des Kunden-Montagebandes kommissioniert und angeliefert.

Reduzierte LagerflächeZwei Werke, die sich mit einer Verbesserung der Lieferkette befasst haben, sind das BMW-Werk in Regensburg und das Modine Montagewerk in Wackersdorf, in dem 60 Mitarbeiter jährlich 500000 Kühlpakete der 3er Serie herstellen. Nach zweijähriger Zusammenarbeit beider Unternehmen kam die Logistikabteilung von BMW-Regensburg mit der Anfrage zu Modine, ob das bis dato praktizierte Anlieferungsverfahren nicht verändert werden könne - mit Erfolg: Modine seine bisher angewandte JIT- auf JIS-Lieferung um. Jetzt werden die benötigten Kühlpakete entsprechend der Sequenz der Fahrzeugmontage angeliefert.

Die Vorteile des JIS-Systems: Die Lagerflächen bei BMW konnten deutlich reduziert und das Handling vereinfacht werden. Die Komponenten werden direkt aus dem Ladungsträger ohne vorherige Kommissionierung am Fließband verbaut. Auch müssen die BMW-Mitarbeiter bei der Ankunft der Bauteile nur noch Order- und Sachnummer vergleichen.

Nachdem Modine die Anfrage zur Umstellung von JIT auf JIS von BMW erhielt, wurde aus beiden Unternehmen ein Expertenteam ausgewählt, das für die Umsetzung zuständig war. Im Vordergrund der Auswahlkriterien für ein neues System standen integrierte Notfallkonzepte und einfache Bedienbarkeit.

Daten direkt vom KundenZur Auswahl wog das Projektteam alle Kriterien ab und sah sich verschiedene Steuerungstools für die Just-in-Sequence-Anlieferung an. Man entschied sich schließlich zur Implementierung des "JIT-Plant"-Systems des Heilbronner Herstellers Alogis.

Das BMW-Werk in Regensburg stellte im Rahmen des Projekts sein Abrufverfahren und seine Wareneingangsabwicklung um. Für Modine bedeutete dies die Inbetriebnahme eines neuen Kommissionierlagers, die Herstellung der Verbindung zu den Bandimpulsen des OEM und den Start der JIS-Lösung.

Die Kommissionierungsanlage besteht aus zwei Hochregallagern mit einem bemannten Regalbediengerät (RBG). Der Mitarbeiter auf dem RBG lädt die Kühlpakete aus den sortenreinen Ladungsträgern im Hochregal gemäß dem Abruf von BMW in den sequenzgenauen Ladungsträger um.

Das Hochregallager wird von JIT-Plant mit Kommissionierungsaufträgen versorgt. Das Tool bekommt alle relevanten Daten direkt von BMW und ermittelt daraus die Daten für das Kommissioniersystem. Es sorgt dafür, dass die richtigen Kühlpakete in der richtigen Reihenfolge zur richtigen Zeit am richtigen Band zur Verfügung stehen, und integriert alle Daten gleichzeitig in die betriebswirtschaftliche Software. Um die Handhabung des Systems so einfach wie möglich zu gestalten, wurden alle Frontend-Transaktionen auf der Basis von Microsoft-Produkten realisiert.

Die Lösung besteht aus zwei Kernkomponenten: einem ERP-System auf SAP-Basis und einem PC-Bestandteil. Mit dem SAP-Modul werden die Datenbanken für die Disposition geführt, Tagespakete zusammengestellt, Bestände kontrolliert und Gutschriftverfahren abgewickelt. Das PC-Modul sorgt für die Kommissionierung, Versandabwicklung, Zusammenstellung aller Transporte, Liefer- und Transportpapiere und die zugehörigen EDI (Electronic Data Interchange) -Nachrichten.

Die Grundlage dieses Verfahrens ist der Standardproduktionsabruf "SPAB", ein von BMW standardisiertes Materialsteuerungssystem im produktionssynchronen Zeitbereich. Durch SPAB schreiben die Autobauer vor, wie die Daten ausgetauscht werden.

Das Abrufverfahren ist in verschiedene Zeithorizonte aufgeteilt: Die langfristige Planung des Zulieferers wird durch den LAB (Lieferantenabruf) gesteuert, der jede Woche für einen Zeitraum von neun Monaten vor Montage die Liefermengen und -termine angibt. Der FAB (Feinabruf) gliedert den LAB auf, durch ihn werden die ersten zwei Wochen tagesgenau dargestellt. Der TAD (technischer Auftragsdatensatz) übermittelt eine Woche vor dem Montagetag die Tagespakete für die fest eingeplanten Fahrzeugaufträge. Durch die Tagespakete erhält der Zulieferer Angaben zur Teilefamilie, Montageort, Sachnummer mit geplantem Montagestarttermin und Ordernummer.

Bei Eingang des TAD werden die BMW-Ordernummern der Fahrzeugaufträge den Modine-Sachnummern der einzelnen Kühlsysteme zugeordnet. 36 Stunden vor Montage erteilt der SPAB dann die Fertigungsfreigabe. Durch einen Bandimpuls wird Modine zur Montage des geforderten Kühlpakets ermächtigt. 364 Minuten vor der Montage am BMW-Band kommt dann der Sendungsabruf. Dies bedeutet, dass jetzt geliefert werden muss. 194 Minuten vor dem Verbau am BMW-Band verlässt der mit Kühlmodulen beladene LKW das Modine-Gelände in Richtung Regensburg. Als Pufferzeit verbleiben 44 Minuten.

Die Installation des Just-in-Sequence-Systems dauerte drei Monate. Nach insgesamt zehn Monaten Vorlaufzeit war es dann so weit: Pünktlich zu Beginn der Schicht im BMW-Werk Regensburg legte man bei Modine und BMW gleichzeitig die Hebel um.

Markus Busch, Geschäftsführer des Montagewerks, der die Umstellung von Anfang an begleitet hat, schickte dann den ersten sequenzgenau bestückten Ladungsträger mit sechs Kühlpaketen auf die Reise nach Regensburg. Busch und seine Mitarbeiter waren über die problemlose Umstellung erleichtert. Seit der Umstellung hat noch keine Fehllieferung das Modine-Werk in Wackersdorf verlassen. (js)

*Isabel Otto berät bei Fleishman-Hillard Germany GmbH in Frankfurt am Main Automobilzulieferer.

Das UnternehmenModine ist Zulieferer von Wärmetauschersystemen für Fahrzeuge, Gebäude sowie Gelände- und Industrieausrüstung für den globalen Motormarkt. Das Unternehmen, das seine deutsche Hauptniederlassung in Filderstadt hat, setzte 2000/01 über eine Milliarde Dollar um und beschäftigt weltweit rund 7900 Mitarbeiter. Ein unternehmerischer Schwerpunkt von Modine liegt mit 2400 Mitarbeitern in Europa.