Konkurrenz mit Cisco Systems belebt das Geschäft

Juniper schafft sich neue Feinde

12.03.2004
MÜNCHEN (CW) - Mit der geplanten Übernahme des Security-Spezialisten Netscreen hat Juniper Networks für Aufsehen gesorgt. Die Company expandiert in einen Markt, der gegenwärtig wie kaum ein zweiter boomt. Dennoch steigt Juniper mit dem Schritt noch nicht automatisch in Ciscos Sphären auf.

In den Bereich der Netzausrüster ist Bewegung gekommen - nach Jahren des Sparens und Schrumpfens macht die Branche wieder Schlagzeilen mit milliardenschweren Übernahmen und kräftig gestiegenen Aktienkursen. Bestes Beispiel ist Juniper, das einen Turnaround geschafft und an der Börse seit Ende 2002 um rund 500 Prozent zugelegt hat. Vorerst gekrönt wurde die Erfolgsgeschichte durch die jüngst eingeleitete Übernahme von Netscreen, die je nach Tageskurs ein Volumen zwischen 3,3 Milliarden und vier Milliarden Dollar aufweist.

Ungeachtet der strategischen Auswirkungen auf die beteiligten Firmen hätte sich für Juniper kaum ein lukrativerer Markt für den Einstieg gefunden: In einer aktuellen Untersuchung gehen die Analysten von Datamonitor davon aus, dass sich die Unternehmensinvestitionen in Firewalls und VPNs von 2003 bis zum Jahr 2007 verdoppeln. Dann soll sich der Gesamtumsatz in dem Segment auf knapp sechs Milliarden Dollar belaufen. Gründe für die Nachfrage sind die zunehmende Anbindung externer Mitarbeiter, der allgegenwärtige Trend zu Mobility-Lösungen sowie die Flut von Viren und Würmern. So werde sich die durchschnittliche Wachstumsrate pro Jahr im Segment der VPNs auf Basis der Secure-Sockets-Layer-(SSL-)Technik auf 74 Prozent belaufen, berichtet Datamonitor. Hier ist Netscreen Marktführer.

Dessen Übernahme ist beileibe keine Ausnahme im Security-Sektor, die Konsolidierung läuft auch hier auf Hochtouren. Netscreen hatte im vergangenen Oktober den SSL-VPN-Spezialisten Neoteris für mehr als 250 Millionen Dollar gekauft. Symantec, das Schwergewicht der Sicherheitsszene, schluckte kurz darauf das Startup-Unternehmen Safeweb für 26 Millionen Dollar, das ebenfalls in dem Bereich antritt. Hintergrund ist die These, dass Anwender Sicherheitseinrichtungen aus einer Hand kaufen wollen, die zudem in einem Gerät oder einer Suite gebündelt sind, um den Administrationsaufwand zu verringern.

Im Gegensatz zur Konsolidierung unter den Sicherheitsanbietern unterscheidet sich die jüngste Transaktion von Juniper indes in einem entscheidenden Punkt: Hier bewegt sich ein Unternehmen in ein angrenzendes Marktsegement, ähnlich wie es im vergangenen Jahr der Hardwarekon-zern EMC mit den Übernahmen von Documentum, Legato und VMware vorgemacht hat. Analysten gehen davon aus, dass nun auch andere Netzausrüster wie Cisco, Nokia oder 3Com ihre Diversifikation intensiver vorantreiben werden, da die angestammten Reviere über kurz oder lang gesättigt sind und der Preisdruck anhält.

Cisco unter Druck

Speziell Cisco musste herhalten, als es um die neue Strategie von Juniper ging. Der Konzern stehe in der Schusslinie des Aufsteigers, hieß es in diversen Berichten. Das Timing war insofern gut gewählt, als Cisco im Kerngeschäft unter Druck geraten ist. IDC-Analyst Lee Doyle erwartet dieses Jahr für die Umsätze im Netzausrüstermarkt für Unternehmenskunden einen Anstieg im mittleren einstelligen Prozentbereich. Hier ist Cisco laut Dell?Oro Marktführer mit einem Anteil von 90 Prozent. CEO John Chambers forderte daher unlängst Analysten dazu auf, sich beim prognostizierten Wachstum des Konzerns grob am Bruttosozialprodukt zu orientieren - die Aktie des Unternehmens brach trotz guter Quartalszahlen aufgrund dieser Aussage ein und hat sich bis dato nicht wieder erholt.

Besser als das Kerngeschäft entwickeln sich Ciscos neuere Segmente ("Advanced Tech"), etwa für Security, drahtlose Verbindungen, Speicherlösungen und Voice-over-IP-Produkte. Deren Anteil am Umsatz des Konzerns betrug im vergangenen Quartal jedoch nur rund 15 Prozent. Das Volumen der Wachstumsmärkte ist noch gering, verglichen mit dem angestammten Router- und Switch-Geschäft. Dennoch kann es sich Cisco nicht leisten, die Segmente zu ignorieren - es könnte ja über Nacht ein Boom stattfinden. Im Gegensatz zu Juniper ist Cisco jedoch schon länger in allen Märkten vertreten. Ein Analyst verglich Juniper daher auch mit einem Jagdmesser, während Ciscos Portfolio an ein Schweizer Offiziersmesser erinnert - allerdings mit einer großen Klinge.

Juniper konnte sich zuletzt von Cisco abkoppeln, weil die Company auf Highend-Router spezialisiert ist, die an Service-Provider und vornehmlich Carrier verkauft werden. Hier haben die Marktbeobachter der Dell''Oro Group im vergangenen Jahr einen Anstieg des Marktvolumens um 22 Prozent gemessen. Daher wuchs Juniper auf Ciscos Kosten bei den Gesamtmarktanteilen für Core-Router, zumal sich eine Highend-Produktlinie des Konzerns verspätete. Ein Vergleich der Unternehmen ist angesichts der komplementären Produktschwerpunkte allerdings nur eingeschränkt möglich.

Die Produktportfolios von Juniper und Netscreen weisen ebenfalls deutliche Unterschiede auf - Router für Carrier auf der einen Seite, Firewalls und VPNs für Unternehmen auf der anderen. Aus der Transaktion einen direkten Angriff auf Cisco ableiten zu wollen, erfordert daher eine gehörige Portion Fantasie. Indes legt sich Juniper mit dem Deal zumindest eine Vertriebsorganisation zu, die nachweislich an Firmen verkaufen kann. Juniper-CEO Scott Kriens ließ sich zudem mit den Worten zitieren, die Trennung in Carrier- und Unternehmenskunden sei sowieso passé.

Entwickeln oder kaufen?

Von einem Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Anbieter um die Gunst der Anwender zu sprechen ist gegenwärtig jedoch übertrieben. Juniper hat mit der Übernahme nur die Tür zu den Unternehmen geöffnet, nun müssen die passenden Produkte nachgeschoben werden. Kriens favorisiert in diesem Zusammenhang offiziell Eigenentwicklungen: "Übernahmen sind eine Taktik, keine Strategie." Dennoch wird es schwer für Juniper, ohne Zukäufe im Unternehmenssegment das Tempo von Cisco mitzuhalten. Allein dessen Budget für Forschung und Entwicklung belief sich im vergangenen Geschäftsjahr (Ende: 26. Juli 2003) auf 3,14 Milliarden Dollar, Juniper setzte im vergangenen Jahr insgesamt 701 Millionen Dollar um. So spielte Kriens den Wettbewerb mit Cisco notgedrungen herunter.

Knackpunkt Integration

Wie die Netscreen-Integration vom Management umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt. Dass Kriens das Gebäude der neuen Tochter von seinem Büro aus im Blick hat, dürfte die Sache erleichtern. Bislang hat Juniper mit der Übernahme von Unisphere erst einmal nachgewiesen, das das Management eine Integration schaffen kann. Cisco hingegen hat für jedes Jahr seit 1993 eine eigene Web-Seite, auf der alle Akquistionen erläutert werden.

Auch wenn der Wettbewerb zwischen den Unternehmen noch nicht offen ausgebrochen ist, deutet sich mittelfristig ein Schlagabtausch an. Juniper hat zumindest den ersten Schritt in die Richtung getan, weitere müssen folgen. Nun stehen vorerst aber die Wettbewerber unter Zugzwang, die darauf reagieren und eigene Diversifikationsstrategien umsetzen müssen. Die Auszeichnung "Viel Feind, viel Ehr" ist Juniper allerdings nicht zu nehmen - mit dem Networking-Segment sowie dem Bereich IT-Security handelt sich das Unternehmen mächtige Feinde in beiden Lagern ein. (ajf)

Zweites Standbein

- Juniper erschließt sich mit dem Kauf von Netscreen einen Teil des Security-Markts.

- Die Nachfrage nach Firewalls und VPNs soll sich laut Datamonitor bis 2007 verdoppeln.

- Andere Netzausrüster werden durch die Transaktion unter Zugzwang gesetzt.

- Wenn Juniper Cisco angreifen will, muss die Company eigene Produkte für Unternehmenskunden vorstellen - ob selbst entwickelt oder zugekauft, ist noch unklar.

Abb: Gebremster Schwung

Während Ciscos Aktienkurs für den zuletzt verhaltenen Ausblick abgestraft wurde, fiel das Juniper-Papier nach Ankündigung der Netscreen-Übernahme. Quelle: Yahoo