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Juli

28.12.1998
Von Michael Hufelschulte
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Ein Flaschengeist namens „Jini“ geht um. Sun Microsystems kündigt die „Java Intelligent Network Infrastructure“ an, mit der von beliebiger Stelle im Netz aus Konfigurationsaufgaben gelöst werden können. Vorausgesetzt, alle Geräte sind mit einer Java-Ablaufumgebung (Java Virtual Machine) ausgestattet, lassen sie sich aus der Distanz konfigurieren, registrieren und mit Rechenleistung bestücken. Problem eins: Jini existiert bisher überwiegend auf dem Papier. Problem zwei: Microsoft wird es nicht unterstützen.

Aus Madrid gibt es neue Erkenntnisse über die Geschäftsstrategie der SAP AG, die ihre europäische Anwendertagung Sapphire abhält. Die Walldorfer möchten nun ein größeres Stück vom Beratungsgeschäft, das bisher überwiegend Partnern überlassen wurde. Außerdem plant die Softwareschmiede, das Engagement für industriespezifische Lösungen zu verstärken und neue Produkte unabhängig von R/3 zu vermarkten. Unterdessen fällt der Aktienkurs von SAP, weil der Vorsteuergewinn im zweiten Quartal „nur“ um 40 Prozent stieg - die Aktionäre sind mehr gewohnt.

Microsoft darf „Internet Explorer“ und Windows 95 bündeln, urteilt ein amerikanisches Berufungsgericht. Die Trennung von Browser und Betriebssystem war im Dezember des Vorjahres angeordnet worden. Offen ist, ob diese Entscheidung Einfluß auf den für September angesetzten Antitrust-Prozeß haben wird.

Unterdessen trauen sich immer mehr Anbieter, gegen Microsoft in den Ring zu steigen. Real Networks beschuldigt das Unternehmen, dafür zu sorgen, daß die Multimedia-Abspielsoftware „Real Player“ nach Installation des mit Windows 98 ausgelieferten Konkurrenzproduktes „Windows Media Player“ nicht mehr einsatzfähig ist. Dieser Vorwurf erweist sich allerdings Wochen später als unbegründet. Anschuldigungen von Sybase, Oracle, Acer, Apple, Lotus und Electronic TV betreffen Preisdumping, wettbewerbsverzerrendes Bundling von Software sowie irreführende Ankündigungen und nicht gehaltene Zusagen.

Gegen Microsofts Anspruch, auch den Markt für Handheld-Computer über das Betriebssystem Windows CE kontrollieren zu wollen, richtet sich ein Joint-venture namens „Symbian“. Darin wollen die Mobiltelefon-Anbieter Nokia und Ericsson zusammen mit Psion an dessen Betriebssystem „Epoc 32“ für Kleincomputer und Smart-Telefone arbeiten. Auf Basis offener Standards soll für Mobiltelefone der Zugang zum Internet sowie zu Messaging- und anderen Übertragungsdiensten geschaffen werden. Psion ist mit 40 Prozent an dem gemeinsamen Unternehmen beteiligt.

Nach dem Motto, es gibt kein Problem, daß sich nicht mit Geld lösen ließe, beendet der Speichermedien-Hersteller Iomega einen Rechtsstreit mit der französischen Firma Nomai. Die Amerikaner übernehmen für 21 Millionen Dollar einen Mehrheitsanteil an der Firma, die ihnen mit billigen „XHD“-Wechselspeichermedien für „Zip“-Laufwerke das Geschäft verdorben hatte.

Das sind „Peanuts“ im Vergleich zu den 68 Milliarden Dollar, die sich AT&T die Übernahme des amerikanischen TV-Kabelnetzbetreibers Tele-Communications Inc. (TCI) kosten lassen will. Nach dem Merger hätte die AT&T-Division Consumer Services Zugang zu 33 Millionen verkabelten US-Haushalten und besäße einen Anteil von 40 Prozent an @Home, einem Internet-Service-Provider, der das TV-Kabel nutzt. Folgerichtig ist der Deal ein Fall für die Kartellbehörden.

Für Europa ist eine zweite Ankündigung von AT&T wichtiger: Der US-Carrier schmiedet gemeinsam mit British Telecom eine transatlantische Allianz mit dem Ziel, multinationalen Konzernen einheitliche TK-Dienste anzubieten. Das gemeinsame Unternehmen soll 5000 Mitarbeiter beschäftigen und bereits im Startjahr profitabel sein und zehn Milliarden Dollar umsetzen. Auch hier müssen die Kartellbehörden erst einmal ihr Placet geben - vor allem auch deshalb, weil Monate später AT&T auch noch das Global Network von der IBM übernehmen will.

Bei Compaq wird es ernst: Die ersten 5000 Mitarbeiter können ihren Hut nehmen. Deutsche Digital-Mitarbeiter feiern Abschied von den guten alten Zeiten. Eine feucht-sentimentale Party steht unter dem Motto: „When we were kings“ sowie „Und immer, immer wieder geht die Sonne auf...“

Erfreuliche Geschäftsergebnisse melden Sun Microsystems und Apple. Sun fährt einen Rekordgewinn ein, nachdem sich Server-Systeme und Workstations sehr gut verkauft haben. Für rund 170 Millionen Dollar übernimmt die Java-Company mit Netdynamics einen Anbieter von Applikations-Server-Software und Internet-Tools. Apple überrascht die Finanzanalysten mit einem Erlös von 65 Cent je Aktie im dritten Quartal - erwartet worden waren 33 Cent. Offenbar zahlt sich die Politik von Steve Jobs aus, das Management auszutauschen, die Kosten drastisch zu senken und von insgesamt 15 Produktlinien nur noch vier übrigzulassen. Im Consumer-Markt meldet sich Apple mit dem „iMac“ zurück, einem Designer-Macintosh, der überwältigenden Zuspruch findet.

Das Urteil gegen den Ex-Compuserve-Chef Felix Somm hat Folgen. Nachdem sich Somm für kinderpornografische Inhalte in Internet-Newsgroups verantworten muß, beschließt der US-Service-Provider Psinet, binnen drei Monaten alle Speicherkapazitäten mit Web-Inhalten ins europäische Ausland zu verlagern. Aus der großen Server-Farm, die Psinet ursprünglich gemeinsam mit HP in Frankfurt am Main errichten wollte, wird nun nichts mehr.

Die Linux-Lawine ist losgetreten: Nach der Software AG mit „Adabas D“ und Inprise mit „Interbase“ portiert jetzt auch Computer Associates sein „Ingres II“ auf das Open-Source-Betriebssystem Linux. Informix und Oracle arbeiten ebenfalls an einer Variante. Nachdem Microsoft sich mit dem „SQL Server 7“ anschickt, in die Phalanx der Datenbankspezialisten einzudringen, antworten diese mit einer Politik der Öffnung.

Die Metro AG will ihr gesamtes Computergeschäft an den US-Distributor CHS Electronics verkaufen. Betroffen sind die Vobis Microcomputer AG, die Vobis Assembly GmbH, die Peacock System GmbH und die Maxdata Computer GmbH. CHS will 587 Millionen Mark zahlen und zudem die aufgelaufenen Schulden in diesem Geschäftszweig übernehmen, die bei 648 Millionen Mark liegen. Soweit die Theorie. Im Oktober platzt der Deal, obwohl der Kaufvertrag bereits im Juni unterzeichnet worden war. „CHS war trotz gewährter Nachfristen nicht in der Lage, den Kaufpreis zu bezahlen“, heißt es bei Metro. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll nun Maxdata in der zweiten Hälfte 1999 an die Börse geführt werden, während die Vobis-Ladengeschäfte auf andere Unternehmen der Metro-Gruppe verteilt werden sollen.

Wer bei der Norisbank Geld abheben möchte, erlebt eine böse Überraschung. Seit Wochen plagen Systemausfälle und Unregelmäßigkeiten Bankangestellte wie Kunden. Schuld ist die fehlerhafte Einführung der Siemens-Software „Kordoba“, für die nach Angaben eines Norisbank-Sprechers die Siemens Business Services Verantwortung trägt.

Reich werden mit Software - wie man's macht, zeigen die Topmanager Charles Wang, Sanjay Kumar und Russell Artzt. Ihr Unternehmen Computer Associates weist nach dem ersten Quartal 1998 Sonderaufwendungen in Höhe von 675 Millionen Dollar aus, für die über 20 Millionen Bonusaktien an das Trio ausgegeben wurden. Die drei hatten sich belohnt, weil sie den Aktienkurs über einen Zeitraum von 60 Tagen stabil über einem festgelegten Grenzwert gehalten hatten. Aktionäre protestieren und reichen Klage ein, weil Wang & Co. erst nach Ablauf dieser Frist eine Gewinnwarnung für die nächsten Quartale ausgegeben und damit den Kurs zum Absturz gebracht hätten.

Der Großrechneranbieter Comparex geht zu 75 Prozent in den Besitz der südafrikanischen Unternehmensgruppe Persetel über. BASF, zuletzt noch 60prozentiger Eigner des Rechnerherstellers, möchte sich ganz auf das Chemiegeschäft konzentrieren und stößt weitere 35 Prozent seiner Anteile ab.