FAQ

Jugendschutz 2011 - was Online-Händler ab 2011 beachten müssen

06.12.2010
Von Max-Lion Keller

8. Beispiele für entwicklungsbeeinträchtigende Angebote

1. Beispiel: Standbilder sexueller Handlungen von überwiegend vollständig unbekleideten Frauen an sich oder untereinander, wobei zwar im Wege der Verpixelung der Intimbereich jeweils unkenntlich gemacht ist, die dargestellte sexuelle Handlung als solche hingegen deutlich zu erkennen ist. Dazu das Urteil vom VG Minden vom 18. August 2010, Az. 7 K 721/10:

"Das Angebot dient von daher - wie der Kläger im Übrigen in der mündlichen Verhandlung auch selbst erklärte - der Animation des Betrachters, den letztlich beworbenen Swinger- und Partytreff aufzusuchen und dort die sexuellen Dienste in Anspruch zu nehmen. Sexualität erscheint damit als jederzeit verfügbare Ware, die dargestellten Frauen als jederzeit auswechselbare Objekte sexueller Befriedigung. Diese Art der Darstellung sexueller Vorgänge ist in Verbindung mit dem werbenden Charakter geeignet, ein angemessenes Verständnis bzw. eine Einordnung des für Jugendliche in der Pubertät relevanten Themas der Sexualität zu behindern. Bei dem noch ungefestigten Aufbau des Selbstbildes können die beanstandeten Formate Jugendliche ethisch-moralisch verunsichern beziehungsweise desorientieren und ihre Entwicklung zu einer individuellen und sozialen Persönlichkeit beeinträchtigen."

2. Beispiel: Die musikalisch untermalte aufreizende Präsentation von Standbildern nackter Körper mit dem Aufruf, sexuelle Mehrwertdienste in Anspruch zu nehmen.

Hierzu das VG Münster (Urteil vom 12.02.2010, Az. 1 K 1608/09):

"Die Zuschauer sollen durch die Bilder in Kombination mit sexualisierten, sie vielfach direkt ansprechenden Texten animiert werden, sexuelle Dienste - Telefonsex oder die Übermittlung von Bildern aufs Handy - in Anspruch zu nehmen. Sexualität erscheint damit als Ware, die auf Zuruf konsumierbar ist. Auch wenn, was die Klägerin hervorhebt, teilweise die Gesichter der Frauen mit unterschiedlichen Regungen sichtbar sind, werden die Frauen durch die Bilder, die überwiegend auf die sexuellen Handlungen bzw. die Geschlechtsteile fokussierte Kameraeinstellung und die reißerischen Texte nicht als Persönlichkeiten mit eigenem Charakter, sondern als jederzeit verfügbare und auswechselbare Objekte sexueller Befriedigung präsentiert.

Die Art der Darstellung sexueller Vorgänge ist in Verbindung mit dem werbenden Charakter geeignet, ein angemessenes Verständnis bzw. eine Einordnung des für Jugendliche in der Pubertät relevanten Themas der Sexualität zu behindern. Bei dem noch ungefestigten Aufbau des Selbstbildes können die beanstandeten Formate Jugendliche ethisch-moralisch verunsichern beziehungsweise desorientieren und ihre Entwicklung zu einer individuellen und sozialen Persönlichkeit beeinträchtigen."

3. Beispiel: Von der Startseite ausgehend werden im Auswahlmenü "Summer End Party" gleichgeschlechtliche Paare bei sexuellen Handlungen gezeigt. Viele der Frauen sind unbekleidet. Die primären Geschlechtsteile sind nur geringfügig gepixelt, die Pobacken sowie der nackte Intimbereich sind in vielen Szenen deutlich erkennbar. Zwei bis auf die Stiefel unbekleidete Frauen werden bei einer Sexparty gezeigt. Eine davon befriedigt sich mit der Hand und einem Hilfsmittel (Dildo) selbst. Ähnliche Bilder befinden sich unter dem Auswahlmenü "Lesben-Show". Dort werden auch zwei bis auf die Stiefel unbekleidete Frauen bei einer Sexparty gezeigt. Eine der Frauen befriedigt dabei in aufreißerischer Art unter Zuhilfenahme eines Dildos die vor ihr liegende andere Frau. Der nackte Intimbereich ist deutlich erkennbar. Auch in der Kategorie "Girls" werden im Zeitpunkt der Beanstandung verschiedene Frauen als Objekte sexueller Begierde dargestellt. Neben den Bildern der dort dargebotenen Frauen befinden sich diskriminierende, abschätzige und vulgäre Kommentierungen.

Hierzu das VG Osnabrück (mit Urteil vom 29.01.2010, Az. 4 A 62/09):

"Der angeführte Inhalt der Internetpräsenz des Klägers stellt nach einstimmiger Auffassung der Prüfgruppe der KJM eine Entwicklungsbeeinträchtigung dar, da es das sexuelle Rollenverständnis der unter 16-Jährigen nachhaltig negativ beeinflusst. Durch die ohne Handlungskontexte zur Schau gestellte dauerhafte Verfügbarkeit von Frauen sowie deren objekthafte Abbildung werde ein stereotypes Rollenverständnis der Geschlechter gezielt hervorgehoben. Die Darbietungen würden lediglich der sexuellen Stimulation dienen und durch Bild und Vulgärsprache ein diskriminierendes und unterwürfiges Sexualverständnis von Frauen vermitteln.

Dieser Einschätzung der KJM ist der Kläger nicht substanziiert entgegengetreten. Soweit er sich darauf beruft, bei seinem Internet-Angebot habe es sich um eine Website für Erwachsene gehandelt, die sich somit nicht an Kinder und Jugendliche gerichtet habe, so übersieht er dabei, dass gerade dieser Personenkreis vor einer möglichen Beeinträchtigung in der Entwicklung durch frei zugängliche Internet-Angebote - wie oben beschrieben - geschützt werden soll. Auch die vom Kläger weiterhin aufgeworfene Frage, ob bei der Beurteilung der Beeinträchtigung auf den sog. "Durchschnittsjugendlichen" oder auf die "schwächeren und noch nicht so entwickelten Kinder und Jugendlichen der jeweiligen Altersgruppen" abgestellt werden muss, kann vorliegend offenbleiben, da sowohl nach der Einschätzung der KJM als auch der Kammer die Internet-Präsentation des Klägers zum Beanstandungszeitpunkt geeignet gewesen ist, die Entwicklung eines "durchschnittlichen Kindes bzw. Jugendlichen bis 16 Jahren" zu beeinträchtigen.

Zu dieser Auffassung ist die Prüfgruppe der KJM nach Aussage des Zeugen W. insbesondere deshalb gelangt, da in der Internet-Präsentation des Klägers einzelne bildliche Darstellungen von Frauen mit abschätzigen Kommentierungen in vulgärer Sprache kombiniert wurden. Der Vortrag des Klägers, sein Angebot weise aufgrund von Ziel, Darstellung und fehlender Jugendnähe kein Gefährdungspotenzial auf, vermag die Kammer insbesondere aus diesem Grunde nicht zu folgen. Daher kann der Kläger auch mit seinem Einwand, der BGH habe einem generellem Werbeverbot für Prostitution in mehreren Entscheidungen vom 13.07.2006 deutlich widersprochen, im vorliegenden Fall nicht durchdringen, da die Kammer insoweit die Auffassung der Beklagten teilt, wonach eine Werbung dort ihre Grenze findet, wo sie das Stadium der Entwicklungsbeeinträchtigung im Sinne des Paragraf 5 Abs. 1 JMStV - wie vorliegend - erreicht.

Da die Augenscheinseinnahme auch die von der KJM festgestellten weiteren Inhalte der Internetpräsenzprüfung bestätigt hat, ist die im angefochtenen Beanstandungsbescheid getroffene Wertung, dass das Internet-Angebot des Klägers unter der URL F. am 30.09.2008 geeignet gewesen ist, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, als überzeugende Äußerung eines sachverständigen Gremiums anzusehen und damit der Entscheidung zugrunde zu legen.

4. Beispiel: TV-Formate, in denen Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken angeregt, durchgeführt oder begleitet werden (so der BayVGH München, Beschluss vom 22.03.2005, Az. 7 CS 05,79).

5. Beispiel: Die Verknüpfung des in Deutschland in den rechtlichen Grenzen zulässigen Abtreibens mit dem Holocaust im geschichtlichen Sinne, vgl. hierzu das Urteil des VG Köln vom 16.11.2007 - Az. 27 K 1764/07.

Der Autor

Max-Lion Keller, LL.M. (IT-Recht), ist auf Internet-Recht spezialisierter Anwalt in München.

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