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Jobs prescht durch neue Programme und Portables

08.01.2003
Das Publikum seiner Macworld-Keynote überraschte Apples CEO gestern unter anderem mit einem Browser und einem Präsentationsprogramm für OS X und zwei neuen Powerbooks - davon eines mit 17-Zoll-Bildschirm.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Apple-Chef Steve Jobs eröffnete gestern Abend kurz nach 18 Uhr (MEZ) mit seiner rund zweistündigen Keynote-Ansprache die Macworld Expo in San Francisco. Hinsichtlich der zu erwartenden Neuigkeiten hatte die Geheimhaltung des Macintosh-Herstellers diesmal ausgesprochen gut funktioniert, sodass es für das Publikum und die weltweit per Quicktime zugeschalteten Apple-Jünger doch einige Überraschungen gab. "Wir haben locker Zeug für zwei Macworlds", versprach der Firmengründer zum Start und kündigte deswegen an, diesmal etwas schneller zu reden als üblich.

Zum Anfang gab es das übliche kurze Update zur Lage des Unternehmens. Hier ging Jobs unter anderem auf die Switcher-Kampagne, die inzwischen auf 51 Filialen angewachsene und sich in Sachen Umsatz planmäßig entwickelnde Applestore-Ladenkette, Apples Engagement im Bildungssektor (US-Lehrer erhalten Mac OS X umsonst), die bereits veröffentlichten Updates für "iCal" und "iSync", die kostenpflichtigen .Mac-Internet-Services mit inzwischen mehr als 250.000 zahlenden Kunden und last, but not least den überaus erfolgreichen "iPod" - in 14 Monaten über 600.000 mal verkauft - ein, für den der Snowboard-Hersteller Burton jetzt eigens eine Schneejacke mit iPod-Tasche und Fernbedienung im Ärmel entwickelt hat (limitiert und 500 Dollar teuer).

OS X - bis auf Nachzügler alles im Lot

Danach ging es um Mac OS X. Die angepeilten fünf Millionen Nutzer seien erreicht, fast alle wichtigen Anwendungen verfügbar (an dieser Stelle gab es einen kleinen - anonymen - Seitenhieb in Richtung Quark, das sein "XPress" noch immer nicht für das neue Unix-System anbietet). Dave Lebolt von Digidesign durfte dann die neue Audioanwendung "Pro Tools" vorstellen, die in diesem Monat nativ für OS X erscheint.

Jobs lobte anschließend die hauseigene Videobearbeitung "Final Cut Pro" und kündigte dann überraschend deren abgespeckte Version "Final Cut Express" an, die mit einem Preis von 381,64 Euro zwischen der kostenlosen Consumer-Anwendung "iMovie" und dem gut 700 Euro teureren Highend-Produkt positioniert wird. Marketing-Chef Phil Schiller bekam danach einige Minuten Zeit, die Features - unter anderem Effekte und Farbkorrektur in Echtzeit - der neuen Software vorzuführen.

Jobs bekräftigte dann nochmals die Aussage, dass künftige Mac nur noch OS X booten sollen. Das alte klassische Betriebssystem bleibe aber weiterhin in Form der Classic-Umgebung verfügbar, so Jobs. Sprach's und widmete sich umgehend dem Kernthema "Digital Hub". Dieses bediene Apple mit seinen iApps als einziger Hersteller am Markt komplett, behauptete der Apple-Chef. Festgestellt habe man dabei seit rund einem Jahr, dass die einzelnen Programme zunehmend stärker miteinander interagierten. Deswegen kombiniere man jetzt neue Versionen zu einem integrierten Paket, das den digitalen Lifestyle in ähnlicher Weise revolutionieren werde wie Microsofts Office die Büroarbeit.

Statt separater iApps ein integrierteres iLife

"iPhoto 2" beispielsweise kann künftig einfach eine Playlist aus "iTunes 3" (bereits weiterentwickelt und daher nicht upgedatet) übernehmen, um eine Diashow zu untermalen. Daneben bietet das Programm in Sachen Bildbearbeitung eine neue Ein-Klick-Optimierung, einen intelligenten Retuschepinsel sowie die Archivierung von Fotos auf CD oder DVD. "iMovie 3" unterstützt Kapitel, ausgefeilteres Audio-Editing und den so genannten "Ken-Burns-Effekt" (Kamerafahrten über Ausschnitte von Fotografien, die sich auch betiteln lassen). Außerdem läuft die mit neuen Effekten, Titeloptionen und Soundeffekten versehene Software nun endlich in einem Fenster und belegt nicht länger den kompletten Bildschirm. "iDVD 3" kann Filme aus iMovie direkt übernehmen und erstellt sogar Menüs aus dessen Kapiteln. Dazu gibt es unter anderem 24 schicke neue Themenvorlagen - unter anderem ein bewegtes "Bild im Bild" -, an denen sich Jobs minutenlang wie ein kleines Kind erfreute ("Das können

Sie an Ihrem Mac machen und Ihren Freunden schicken - das ist besser als das, was die aus Hollywood kriegen").

Seine Programme für den Digital Hub fasst Apple nun zu einem Paket zusammen: "iLife" gibt es ab 25. Januar zu kaufen und als kostenlose Dreingabe zu jedem neuen Mac. iTunes, iPhoto und iMovie bleiben wie gehabt kostenlos und auch als separate Downloads erhältlich; das gesamte Paket mit allen vier iApps inklusive iDVD (das auch bis dato nie verschenkt wurde und mit seinen Themen ein paar Hundert Megabyte groß ist) kostet 56,84 Euro.

Safari: Endlich ein schneller Browser für OS X

Jobs bestätigte anschließend die seit einiger Zeit kursierenden Gerüchte: Apple hat einen eigenen Browser für Mac OS X geschrieben - laut diverser iBench-Tests schneller als jeder anderer Webseiten-Betrachter für den Mac (was auch keine wirkliche Kunst ist, wie jeder weiß, der regelmäßig mit Macs und unter Windows surft). "Safari" hat unter anderem Google direkt in die Toolbar integriert und verfügt über eine ausgefuchste Bookmark-Verwaltung. In Jobs' Demo sah der neue Browser sowohl sehr schnell als auch standardkonform und technisch auf der Höhe der Zeit aus.

Praktisch: Aus jeder Verschachtelungstiefe einer Site lässt sich auf die Hauptebene zurückspringen. Safari basiert zu 40 Prozent auf der Open-Source-Engine "KHTML" - erstaunlicherweise nicht Mozilla - und steht ab sofort kostenlos zum Download (zirka 3 MB) zur Verfügung, allerdings zunächst noch als laut Jobs "ausgesprochen stabile" Public Beta.

Keynote: Ein Programm eigens für Steve

Überraschenderweise hat Apple aber nicht nur einen eigenen Browser, sondern auch gleich noch ein eigenes Präsentationsprogramm entwickelt. Es heißt "Keynote" und wurde, so Jobs scherzhaft, eigens für ihn und seine Macworld-Ansprachen entwickelt (alle in 2002 will er damit bereits gestaltet haben). Zu den Features der Software gehören Hilfslinien, Schrift-Antialiasing, Grafiken mit vollen Alphakanälen, Transparenzeffekte und andere Nettigkeiten, die der "Quartz"-Grafiklayer von OS X möglich macht. Dazu gesellen sich Editoren für Tabellen und Charts sowie professionell gestaltete Themen und Überblendeffekte; letzere machen sich die 3D-Pipeline von OpenGL zunutze.

Ziel der Software sei schlicht gewesen, jede Präsentation so aussehen zu lassen, als habe eine komplette Grafikabteilung drei Monate lang daran gesessen, so Jobs. Keynote importiere und exportiere Powerpoint und speichere noch dazu PDF und Quicktime. Es verwende außerdem ein offenes, vollständig XML-basierendes Dateiformat, erklärte der Apple-Chef. Das Programm kostet 114,84 Euro und ist ab sofort erhältlich (alle Keynote-Besucher erhielten eine Kopie umsonst und applaudierten auch artig).

Und dann doch noch: Neue Hardware

"Wie machen wir uns bis jetzt?" fragte Jobs dann und erhielt einigen Beifall. Es gehe ab sofort um Hardware, erklärte der Apple-Chef, und zauberte zunächst eine neue Version des Highend-Notebooks "Powerbook Titanium" aus dem Hut. Als erster Portable weltweit hat dieses ein 17-Zoll-Display - das gleiche wie im iMac G4 -, und ist trotzdem zugeklappt nicht einmal einen Zoll (2,54 Zentimeter) dick. "Das ist ganz klar das abgefahrenste Notebook, das je auf diesem Planeten gebaut wurde", prahlte Jobs , der Apple nun dem Wettbewerb um Längen enteilt sieht.

1440 x 900 Bildpunkte löst das Widescreen-Display des Geräts auf, das noch dazu bei Dunkelheit automatisch seine Tastatur per Glasfaser von innen beleuchtet. Rund 3,5 Kilogramm wiegt das 17-Zoll-Powerbook, dessen Gehäuse aus einer aus der Luftfahrt übernommenen Aluminiumlegierung besteht (anodisiert - da blättert kein Lack ab, Titanium-Besitzer wissen was gemeint ist). Der eingebaute G4-Chip taktet mit 1 Gigahertz, die neue Firewire-800-Schnittstelle ist doppelt so schnell wie zuvor, der Nvidia-Grafikchip "Gforce 4 440 Go" greift auf 64 MB Videospeicher zu.

Als Funktechniken sind Bluetooth und IEEE 802.11g (WLAN mit 54 Mbit/Sekunde, anders als das gleich schnelle 802.11a kompatibel mit älteren 11-Mbps-Hotspots mit 802.11b) serienmäßig eingebaut. Der Akku des 17-Zoll-Flachmanns ist in neuester "Lithium-Prismatic"-Technik ausgelegt und ermöglicht laut Hersteller 4,5 Stunden Betriebsdauer. Das neue Highend-Powerbook ist laut Jobs mit 512 MB RAM, 60-GB-Platte und "Superdrive"-CD/DVD-Brenner ab dem kommenden Monat für 4058,84 Euro zu haben.

Seine restliche WLAN-Technik hat Apple ebenfalls entsprechend mit 802.11g aufgebohrt. "Airport extreme" unterstützt 50 Nutzer pro Basisstation und bietet Wireless Bridging (Übergang von einer Basis zur nächsten) sowie USB-Druck - ein Drucker lässt sich an den Universal Serial Bus der Basis anschließen und von allen drahtlosen Nutzern gemeinsam nutzen. Die Basisstation kostet 230,84 Euro (mit V.90-Modem 288,84 Euro); die Karte zum Einbau in Macintosh-Rechner schlägt mit 114,84 Euro zu Buche.

"Noch eine kleine Sache"

Und dann gebe es da noch das kleinste "Vollwert-Notebook" der Welt, so Jobs - eine neue Subnotebook-Version des Powerbook mit 867 Megahertz schnellem G4-Prozessor und 12-Zoll-Display (1024 x 768 Bildpunkte, Grafikchip Nvidia "Gforce 4 420 Go"). Neben 256 MB RAM, einer Harddisk mit 40 GB und einem Combodrive (CD-RW/DVD-ROM) hat "das Kleine" Bluetooth bereits eingebaut und ist vorbereitet für Airport Extreme (die Karte muss extra gekauft werden). Es soll in zwei Wochen für 2204,84 Euro erhältlich sein - per Built-to-Order gibt es gegen Aufpreis auch hier ein Superdrive.

"Dies wird ganz klar das Jahr des Notebooks für Apple", versprach Jobs zum Schluss seiner Ansprache, die mit Minuten langen Werbefilmen zu den neuen Portables ausklang. Apple wolle künftig Desktops durch Notebooks ablösen - erstere entwickelt der Hersteller aber hoffentlich auch noch weiter. Anders als von vielen Gerüchte-Sites prophezeit, sei das wohl doch nicht die langweiligste Macworld-Keynote aller Zeiten geworden, bilanzierte Jobs, und schüttete zu guter Letzt angesichts der vielen Neuheiten ein extradickes Lob über seine Mitarbeiter aus.

Kommentar: Apple ist es gelungen, seine loyale Anwenderschaft positiv zu überraschen - und zwar nicht nicht mit zuvor spekuliertem Schnickschnack wie einem Video-iPod, Smartphone oder PDA. Sondern stattdessen mit alltagstauglichen Programmen wie einem schnellen, schlanken Browser, neuester WLAN-Technik und technisch feinen, preislich konkurrenzfähigen Profi-Portables (vermisst haben wir allerdings das RAID-Array für den Xserve). Ärgern dürfte sich über die Neuheiten aus Cupertino eigentlich nur Microsoft - ein Apple-Browser auf Open-Source-Basis und ein ernst zu nehmender Powerpoint-Konkurrent graben der Redmonder Macintosh Business Unit doch einiges Wasser ab. (tc)