SRS: Sap-Berater ohne Ellenbogenmentalität

Jobhopper sind im Osten die Ausnahme

22.02.2000
Von VON Holger
Die Geschichte der SRS Software- und Systemhaus Dresden GmbH begann kurz nach dem Mauerfall. Heute ist das Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und der SAP AG einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region.

Wer das ehemalige Robotrongebäude in der Dresdner Innenstadt betritt und mit dem noch aus volkseigener Produktion stammenden Takraf-Fahrstuhl in den zweiten Stock fährt, fühlt sich unwillkürlich an DDR-Zeiten erinnert. Beim Verlassen des Aufzugs sind alle Ähnlichkeiten mit der sozialistischen Vergangenheit wie weggeblasen: Hinter der Plattenbaufassade hat ein modernes Beratungsunternehmen Einzug gehalten. Die SRS Software- und Systemhaus Dresden GmbH, mit mehr als 400 Mitarbeitern im R/3-Beratungsgeschäft tätig, ist bundesweit mit IT-Komplettlösungen, Outsourcing und Migrationsprojekten im SAP-Umfeld erfolgreich.

Von Schweden nach Sachsen

Kurz nach der Wende als Tochter der SAP AG und der SNI AG gegründet, ist das Unternehmen mit einem Umsatz von 89 Millionen Mark im letzten Geschäftsjahr zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber in der Region avanciert. Der neue Geschäftsführer Thomas Sauer hat für die SAP AG in Schweden die R/3-Beratung aufgebaut, dann in Finnland die neugegründete Niederlassung geleitet und war seit 1997 Vorstandsassistent in Walldorf. Bei der SRS in Dresden setzt er auf weitere Expansion. Im Ausbau der Branchenkompetenz sieht er den Schlüssel für künftiges Wachstum: "Es gibt einen Wandel im Berufsbild des SAP-Beraters. Früher ging es um Applikationsberatung - meist eines SAP-Moduls. Mittlerweile ist die Prozessintegration in den Vordergrund gerückt, für die fundiertes Branchen-Know-how unerlässlich ist." Die SRS ist auf die Branchen Ver- und Entsorgungswirtschaft/Stadtwerke, Gesundheitswesen, Immobilienwirtschaft, Verlage, Diskrete Fertigung,

Banken und öffentliche Verwaltung spezialisiert.

"Von einem Hochschulabsolventen erwarten wir nicht, dass er schon alle Qualifikationen mitbringt," beruhigt der Manager."Er kann sich während eines sechsmonatigen Traineeprogrammes intensiv und ohne Druck einarbeiten." Die besten Voraussetzungen bringen nach seiner Erfahrung Wirtschaftsinformatiker mit - aber ein Muss sei das nicht. "Auch Betriebswirte, Diplominformatiker und Wirtschaftsingenieure können erstklassige SAP-Berater werden, wenn sie über analytische und konzeptionelle Fähigkeiten verfügen und mit Spaß und Engagement bei der Sache sind."

Es muss auch nicht unbedingt ein Prädikatsexamen sein, "aber aus Studienzeit und Examensnote sollte sich insgesamt ein positiver Gesamteindruck ergeben". Will heißen: Je länger das Studium, um so höher die Erwartungen an die Examensnote. Neben der fachlichen Qualifikation ist soziale Kompetenz gefragt. Der introvertierte Eigenbrötler ist keinem Auftraggeber zuzumuten; die erfolgreiche Projektarbeit hängt auch von der Fähigkeit des Beraters ab, sich vor Ort auf die Arbeitssituation einzustellen und die auftretenden Probleme in Absprache mit dem Kunden eigenständig zu lösen.

Dass die Projektarbeit beim Kunden die Bereitschaft zum Reisen verlangt, liegt auf der Hand. Diese Erfahrung hat auch Tom Kerbach gemacht, der bereits während seines BWL-Studiums vor zwei Jahren bei der SRS angeheuert hat. Inzwischen als SAP-Berater bundesweit im Einsatz, hat er mit dem Leben in Hotelzimmern kaum mehr Probleme. Allerdings bedauert er manchmal, dass die Projekte häufig einen Einsatz verlangen, der kaum Freizeit für kulturelle Aktivitäten läßt. "Man verbringt dann schon mal ein paar Tage in einer Stadt, ohne die Zeit zu haben, sich richtig umzusehen," berichtet er. "Aber in größeren Projekten, wenn wir mit mehreren Beratern unterwegs sind, schafft man es eher, abends wenigstens mal ins Kino oder essen zu gehen."

Seine Entscheidung für die SRS hat er trotzdem nicht bereut. Dass er sich mit der Anstellung verpflichten musste, nach Abschluss seiner sechsmonatigen Ausbildung mindestens weitere zwei Jahre bei der SRS zu bleiben, hält er für legitim: "Schließlich hat das Unternehmen in meine Ausbildung investiert". Im Rahmen seiner Diplomarbeit, die er bei SRS geschrieben hat, war er schwerpunktmäßig mit EDI (Electronic Data Interchange) und der R/3-spezifischen Integrationstechnologie ALE (Application Link Enabling) befasst. Obwohl er als Student der Betriebswirtschaft nahezu keine DV-Vorkenntnisse hatte, ist ihm die Einarbeitung nicht zu schwer gefallen. "Konkrete Aufgabenstellungen und mein jederzeit ansprechbarer Pate haben mir einen problemlosen Einstieg ermöglicht", stellt Kerbach, der heute auch mit ABAP/4 programmiert, rückblickend fest. Zwar hat ihm in seinen ersten Projekten der Verantwortungsdruck ein wenig zu schaffen gemacht - er räumt aber ein, dass gerade die

hohe Verantwortung sehr schnell zu zunehmender Sicherheit und steigendem Selbstbewusstsein geführt habe.

Prämie erhöht Motivation

Dass sein Gehalt bis zu 25 Prozent leistungsabhängig ist, macht Kehrbach keine Probleme. Der flexible Gehaltsanteil hängt von Projekten und dem damit zusammenhängenden fakturierbaren Aufwand ab - das hebt natürlich die Motivation bei der Projektarbeit. Eine Prämie, die an den Gesamterfolg des Unternehmens im Vorjahr gekoppelt ist, bessert in diesem Jahr das Gehalt aller Mitarbeiter um ein zusätzliches Monatsgehalt auf.

Den ersten Kontakt zu seinem Arbeitgeber hatte Kerbach auf einem der monatlichen Bewerbertage an der TU Magdeburg geknüpft. Damit ist er bei der SRS keine Ausnahme: "Wir führen zwar keine Statistik darüber, welche Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern stammen oder dort studiert haben. Aber es fällt schon auf, dass die meisten unserer Bewerber aus den Hochschulen der Umgebung kommen," erläutert Manager Sauer.

Am Gehalt kann das nicht liegen, betont der Geschäftsführer. Das Einstiegsgehalt liegt denn auch im branchenüblichen Rahmen - Bewerber können mit 65 000 bis 75 000 Mark im Jahr rechnen. Trotzdem halten sich Bewerbungen aus dem Westen eher in Grenzen.

Mehr Miteinander

Denn während Kerbach, der aus der Nähe von Magdeburg stammt, den Freizeitwert und das kulturelle Angebot in Dresden als erstklassig einstuft, hält sich die Anziehungskraft für Bewerber aus dem Westen meist in Grenzen. Auch Geschäftsführer Sauer, obwohl erst seit kurzem in Dresden, kann den Reiz der sächsischen Elbmetropole nachvollziehen. Auf die jungen Mitarbeiter aus dem Osten lässt er nichts kommen: "Aufgrund der jüngsten Geschichte und der Arbeitsmarktsituation haben sie oft eine höhere Wertschätzung für einen guten Arbeitsplatz. Außerdem haben Umbrüche und Strukturwandel für sie nicht etwas derart Bedrohliches wie für viele Kollegen aus dem Westen. In Hinblick auf Sozialkompetenz, Leistungsorientierung und Mobilität brauchen sie keinen Vergleich zu scheuen".

Ein Arbeitgeber mit anständigen Leistungen genießt hier durchaus einen Vertrauensvorschuss. Das Vertrauen darf allerdings nicht enttäuscht werden: Deshalb hat für ihn die Personalentwicklung herausragende Bedeutung. Gute Mitarbeiter kann man nicht nur mit Geld halten, die brauchen interessante Aufgaben, qualifizierte Fortbildung und individuelle Förderung." Die geringe Fluktuation führt er deshalb zum einen auf die Personalpolitik zurück. Zum anderen hat er beobachtet, dass Jobhopping im Osten eher die Ausnahme ist.

Weitere Sekundärtugenden fallen ihm ein: Durch die junge Firmengeschichte und den abrupten Umbruch im Osten gibt es hier weniger tradierte Verhaltens- und Verfahrensweisen. Das Innovations hemmende "Das haben wir schon immer so gemacht" hat Sauer noch nicht gehört. Er meint auch einen Unterschied in der Arbeitsatmosphäre festzustellen: Mehr Miteinander - weniger Ellenbogenmentalität.

*Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg.