Neuer CEO sorgt für reinen Tisch

Jo Lernout ist endgültig aus dem Spiel

09.03.2001
MÜNCHEN (CW) - Jo Lernout, einer der Gründer der belgisch-amerikanischen Softwarefirma Lernout & Hauspie und zuletzt deren Cheftechniker, musste das Unternehmen verlassen. Der neue CEO Phi-lippe Bodson setzt damit auf einen vollständigen Neuanfang der angeschlagenen Firma.

Lernout war der letzte Vertreter der "alten Riege", die das Softwarehaus in massive finanzielle Turbulenzen gesteuert hatte. Mitgründer Pol Hauspie musste ebenso wie Vice Chairman Nico Willaert und Ex-CEO Gaston Bastiaens bereits im vergangenen November seinen Hut nehmen, nachdem bekannt geworden war, dass die Firma ihre Bilanz manipuliert hatte. Lernout & Hauspie verbuchte in seiner ersten Abschlussrechnung nach US-Richtlinien im Juli 2000 Umsätze in Korea in Höhe von knapp 60 Millionen Dollar. Im Vorjahr waren es in dem Land noch nicht einmal 100000 Dollar gewesen, weshalb Analysten misstrauisch wurden.

Zwar leugnete das Management zuerst jede Schuld, im Dezember kam es dann jedoch zu einem Konkursverfahren. Auch musste das Management eingestehen, falsche Bilanzen erstellt zu haben. Insgesamt wurden die Umsätze in zwei Jahren um 277 Millionen Dollar beschönigt.

Hire and Fire

Für seine damalige Offenheit gegenüber den Strafverfolgern und der Börsenaufsicht wurde der während des Skandals eingesetzte CEO John Duerden Mitte Januar wieder gefeuert - auf Betreiben von Jo Lernout und einigen seiner treuen Direktoren.

Duerdens aktueller Nachfolger Philippe Bodson, der auch von Lernout ausgesucht worden war, drehte jetzt den Spieß um. Am vergangenen Freitag verkündete er, dass Lernout das Unternehmen verlassen habe. Seinen Posten im Verwaltungsrat hatte er auf Drängen von Bodson bereits im Januar aufgeben müssen. Lernout hatte bis zuletzt geleugnet, an den Bilanzmanipulationen beteiligt gewesen zu sein. Ende April sollen nach Angaben von CEO Bodson auch die restlichen sieben Direktoren aus der Firma ausscheiden.

Den radikalen Neuanfang begleitet der geplante Verkauf der Unternehmenssparte Mendez. Mehr als 150 Millionen Dollar will Lernout & Hauspie damit erzielen, angeblich gebe es bereits sechs oder sieben Interessenten. Die Firma muss einen kurzfristigen Kredit in Höhe von 60 Millionen Dollar von Cerberus Capital Management zurückzahlen, mit dem unlängst der Bankrott abgewendet werden konnte. Rund 1100 der einst 6500 Mitarbeiter wurden inzwischen entlassen, allerdings sind die Positionen des Chief Operating Officer (COO) und des Chief Financial Officer(CFO) immer noch vakant.