Just-in-Sequence-Lösung

JIS - mit Netz und doppeltem Boden

26.02.2013
Von Michael  Schwengers
Johnson Controls hat eine weltweit standardisierte Just-in-Sequence-Lösung eingeführt - inklusive eines Notfallsystems auf Basis von SAP-Software.

Sitz-, Klima- und Sicherheitssysteme, Cockpits, Mittelkonsolen und Innenleuchten - die Produktpalette des Automobilzulieferers Johnson Controls ist breit. Mindestens ebenso breit ist das Unternehmen mit Hauptsitz in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin geografisch aufgestellt. Allein in den Geschäftsfeldern Automotive Seating, Automotive Interiors und Automotive Electronics unterhält Johnson Controls 240 Standorte in mehr als 30 Ländern. "Für uns ist es sehr wichtig, mit Produktionsstätten in allen Teilen der Welt präsent zu sein, weil auch unsere Kunden global agieren", sagt Volker Raupach, Vice President IT bei Johnson Controls. "Das ist die Grundvoraussetzung, um den Automobilherstellern in kurzer Zeit die gewünschten Komponenten liefern zu können."

Was die sequenzgenaue Fertigung von der IT fordert

In seinem brandneuen Werk im rumänischen Craiova fertigt Johnson Controls Autositze.
In seinem brandneuen Werk im rumänischen Craiova fertigt Johnson Controls Autositze.
Foto: Johnson Controls

Mittlerweile erwarten die OEMs aber nicht mehr nur, dass die Komponenten rechtzeitig die eigene Fertigung erreichen. Die Teile sollen auch sequenzgenau - also in der Reihenfolge, in der sie verbaut werden - ankommen. Auf diese Weise senken die Hersteller ihre Kosten; die Zulieferer hingegen müssen eine zusätzliche logistische Herausforderung meistern.

Johnson Controls hat die Just-in-Sequence-(JIT-)Produktion schon auf die Reihe gebracht: Die Teile werden in der richtigen Reihenfolge gefertigt, verpackt und auf den LKW geladen - aber erst dann, wenn der Kunde sie bestellt hat. Der Vorteil dieser Strategie ist aus Sicht der Zulieferer, dass die eigene Lagerhaltung im Rahmen bleibt. Die JIT-Fertigung setzt allerdings genau definierte Prozesse und eine ausgeklügelte IT-Unterstützung voraus.

Bislang ist diese IT-Unterstützung an den einzelnen Standorten nicht einheitlich geregelt. Auf Basis unterschiedlicher ERP-Systeme gab und gibt es noch verschiedene IT-Lösungen für die sequenzgenaue Steuerung der Fertigung. IT-Chef Raupach kommentiert: "Wie bei vielen Konzernen unserer Größe hat sich über die Jahre eine heterogene Systemlandschaft herausgebildet." Dafür gebe es nachvollziehbare Gründe, aber keine Entschuldigung, es dabei zu belassen, denn: "Ideal ist die Vielzahl von Lösungen und Systemen nicht, um global standardisierte Geschäftsprozesse zu etablieren."

Integriertes System in Form von Templates ausgerollt

Volker Raupach, Vice President für IT bei Johnson Controls: „Jetzt können wir die eingehenden Warenströme viel detaillierter planen als bisher.“
Volker Raupach, Vice President für IT bei Johnson Controls: „Jetzt können wir die eingehenden Warenströme viel detaillierter planen als bisher.“
Foto: Volker Raupach, Johnson Controls Automotive Experience

Vor zwei Jahren, also 2011, machte sich Johnson Controls im Rahmen des Projekts "Saturn" daran, ein integriertes und zentrales ERP-System auf SAP-Basis zu entwickeln. Anschließend wurde es in Form eines Templates sukzessive ausgerollt. In diesem Zusammenhang sollte zudem an 80 Standorten eine möglichst weit standardisierte JIS-Lösung die bislang genutzten Just-in-Sequence-Module ersetzen.

Bei der Auswahl der JIS-Software achtete Johnson Controls auf zwei Kriterien: Sie sollte sich nahtlos in das neue SAP-System einbinden lassen, so dass die Sequenzinformationen in die Materialbedarfsplanung und Verfügbarkeitsprüfung einfließen könnten. Außerdem sollte die Software über eine universelle Schnittstelle zu jedem beliebigen Manufacturing Execution System (MES) verfügen. Das Rennen machte das JIS/JIT-Modul von SAP.

Das Notfallsystem war eine entscheidende Anforderung

Da die hochsensiblen JIT-Systeme gewisse Risiken bergen, plante Johnson Controls ein Sicherheitsnetz gleich mit. "Für die sequenzgenaue Produktion ist ein kontinuierlicher Datenfluss erforderlich", erläutert Helmut Knauss, auf Seiten der IT-Abteilung von Johnson Controls für das Saturn-Projekt verantwortlich: "Deshalb wollten wir mit der Einführung der neuen JIS-Lösung unbedingt auch ein dezentrales Notfallsystem aufsetzen." Dieses System sollte immer dann einspringen, wenn aufgrund von Infrastrukturproblemen nicht auf die zentrale Lösung zugegriffen werden könnte, wie Knauss weiter ausführt.

Zwar sind solche JIS-Notfallsysteme am Markt verfügbar, doch hätten sich die Anwender bei Johnson Controls beim Einsatz einer Nicht-SAP-Lösung an eine zusätzliche Oberfläche gewöhnen müssen. Das wollte das Projektteam vermeiden. Deshalb entschieden sich die Verantwortlichen des Automobilzulieferers dafür, einen Vorschlag der Prozess- und IT-Beratung Mieschke Hofmann und Partner (MHP) anzunehmen. Die Porsche-Tochter hatte den Plan, neben dem zentralen JIS-System ein zweites und auf die wesentlichen Funktionen reduziertes System aufzubauen, das dezentral auf den Servern der einzelnen Standorte installiert wäre. So können die Anwender im Notfall einfach in der gewohnten Umgebung weiterarbeiten.

Hinsichtlich der technischen Umsetzung war eine entscheidende Anforderung, dass die Sequenzierungsinformationen der Kunden in beiden Systemen parallel abgebildet wurden. Im zentralen Hauptsystem sowie im dezentralen und permanent im Hintergrund mitlaufenden Notfallsystem müssen die Daten konsistent bleiben.

Der Key-User schaltet auf den dezentralen Live-Betrieb um

"Für den Datenabgleich zwischen zentralem und dezentralem System haben wir ein iDoc-Interface programmiert, das Stamm- und Bewegungsdaten überträgt", konkretisiert André Unger von MHP die Lösung. Fällt die Verbindung zum Produktivsystem einmal aus, müssen sich die Anwender nur über ein SAP-Logon im dezentralen System anmelden, während der verantwortliche Key-User auf Live-Betrieb schaltet.

Dann laufen alle neuen EDI-Nachrichten vom Kunden im Notfallsystem ein, und die Produktion kann wie gewohnt fortgesetzt werden. Ist die Störung beseitigt und kann wieder auf das zentrale System zugegriffen werden, aktualisiert sich dieses automatisch; der Datenfluss kehrt sich im Live-Betrieb um.

An den ersten Standorten bewährt sich die JIS-Lösung bereits

Seit Herbst 2012 nutzen zwei Johnson-Controls-Standorte die neue JIS-Lösung und das Notfallsystem. Die übrigen 78 Werke werden sukzessive folgen.

IT-Chef Raupach ist vom bisher Erreichten schon jetzt überzeugt: "Mit Hilfe der standardisierten JIS-Lösung ist es uns möglich, die eingehenden Warenströme viel detaillierter als bisher zu planen und unseren Lieferanten die exakte LKW-Beladung vorzugeben", sagt er. Bei etwaigen Lieferengpässen könnten die Supply-Chain-Verantwortlichen vorab die betroffenen Fahrzeuge identifizieren und Korrekturmaßnahmen einleiten: "Und dadurch sind wir wiederum in der Lage, den JIS-Anforderungen unserer Kunden nachzukommen - jederzeit und ohne Ausfälle." (qua)