Jetzt ist die Zeit für Business Alignment

20.05.2009
Von 
Bernd Seidel ist freier Journalist und Coach in München.
Welchen Beitrag leisten ERP-Systeme in schwierigen Zeiten? Dazu befragte die COMPUTERWOCHE Alexander Arnold, Steeb Anwendungssysteme GmbH, und Andreas Kerbusk, SE Strategies & Engineering GmbH.

CW: Die weltweite Rezession hat die deutsche Wirtschaft unterschiedlich erfasst. Welchen Anforderungen müssen sich ERP-Systeme und -Projekte zurzeit stellen?

ARNOLD: Die mittelständische Konsumgüterindustrie ist bislang weitgehend verschont geblieben. Deshalb halten viele Unternehmen in diesem Bereich an ihren Investitionsentscheidungen fest. Sie wollen vor allem ihre Prozesse harmonisieren. In Branchen, die besonders hart getroffen wurden, wie Automotive oder Maschinenbau, gibt es hingegen oft nur ein Gebot: Die finanzielle Transparenz zur Optimierung des Betriebskapitals sicherstellen.

CW: Es geht also um Kostenreduktion?

ARNOLD: Kurzfristig ja. Langfristig verbirgt sich dahinter oft der Wunsch, eine möglichst hohe Prozesseffizienz zu erreichen, um schneller zu werden, die Liefertreue zu verbessern und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.

KERBUSK: Im Mittelstand haben wir es mit zwei Qualitäten zu tun. Zum einen liegt der Fokus stark auf der Optimierung primärer Kernprozesse wie Produktion, Beschaffungs- und Lieferketten, Reduzierung des gebundenen Kapitals. Zum anderen haben wir es mit Themen wie Governance und Sicherstellung von Compliance zu tun. In beiden Fällen muss der CIO seinen operativen Geschäftsauftrag hinterfragen.

CW: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um an Business Alignment zu denken?

KERBUSK: Wichtig ist doch die Frage, wofür sich die Unternehmen Zeit nehmen sollen. Ist jetzt die Zeit für hektische Betriebsamkeit und kurzfristige Einsparungen ohne Nachhaltigkeit? Ich denke, nein. Vielmehr ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um langfristig zu denken und die Dinge zu betrachten, die in der Vergangenheit schlecht gelaufen sind. Dazu gehört das Alignment, also die Ausrichtung der IT am Geschäft, und die bessere, weil geschäftsgetriebene Kommunikation zwischen IT und Fachbereichen.

CW: Durch Schnelligkeit und Flexibilität sichern sich die Unternehmen Wettbewerbsvorteile. Wie kann ein ERP-System dazu einen Beitrag leisten, wenn die Projekte neun bis zwölf Monate dauern?

ARNOLD: Ich stelle eine Gegenfrage: Ist das Maß für Flexibilität tatsächlich die Projektlaufzeit? Die Technik ist doch eine Möglichkeit, um Schnelligkeit und Flexibilität überhaupt zu erreichen. Sicher kann eine komplette ERP-Einführung mit individueller Prozessanpassung bis zu einem Jahr dauern. Doch die Unternehmen müssen nicht alle Prozesse auf einmal in Angriff nehmen. Wenn sie standardisierte branchenspezifische Prozesse einführen, verringert sich die Projektlaufzeit deutlich: Drei bis sechs Monate für eine Implementierung sind heute üblich.

KERBUSK: Lange Projektlaufzeiten sind kein Problem der Software. Sie stellt doch lediglich ein Funktionsportfolio bereit. Viel entscheidender ist die Frage, ob jemand im Unternehmen in der Lage ist, beispielsweise den Produktionsprozess hinsichtlich seiner Effizienz oder Ineffizienz exakt zu beschreiben und zu beurteilen. Erst dann gilt es, die Kluft zwischen den gewachsenen Prozessen und den in softwarebasierenden Industriestandards als Best Practice vorgeschlagenen Abläufen zu schließen.

CW: Die Praxis zeigt immer wieder, dass heutige ERP-Systeme nicht flexibel genug sind, um der Veränderungsgeschwindigkeit des Business zu folgen.

ARNOLD: Einspruch! Sicher muss die Software flexibel sein, aber das sind die integrierten Lösungen heute. Noch einmal: Technik ist nicht der limitierende Faktor. Was kann ein mittelständisches Unternehmen mit einem bestimmten Budget innerhalb einer vorgegebenen Zeit umsetzen? Sind spezifische Anpassungen nötig? Oder inwiefern reichen Standards aus? Wenn das einmal definiert ist, lässt sich ein Projekt sehr schnell realisieren. (qua)

ERP-Initiative 2009

Am 23. Juni 2009 findet im Sheraton Hotel in Offenbach bei Frankfurt am Main die COMPUTERWOCHE-ERP-Initiative 2009 statt. Das Motto der Veranstaltung ist "Integrationsplattform ERP: Grundlage für die solide Unternehmensentwicklung". SE-Geschäftsführer Andreas Kerbusk referiert dort zum Thema "IT - Die Welt zwischen ‚Äöist teuer` und ‚Äöin target`. Beschreibungen eines Spielraums". Weitere Informationen finden Sie unter: www.idgevents.de.