Planspiel, Simulation, informationretrieval und Grafik-output per Informathek

Jetzt endlich intelligente DV für die Städteplanung

11.12.1974

KÖLN - DV-Abteilungen haben alle großen Städte. Nur Köln hat eine Informathek. Diese Unterabteilung innerhalb der "Zentralen Datenverarbeitung" der Stadt Köln dient der Gewinnung von Informationen für kommunale Planungen und Entscheidungen.

Sechs Kalenderjahre dauerte die Arbeit, hundert Mannjahre und einen Fünf-Millionen-Mark-Zuschuß des Bundesministeriums für Forschung und Technologie verbrauchte man. Jetzt ist das Forschungsprojekt "Kommunale Planung" abgeschlossen, das die Stadt Köln, der Verein Datum und die Firma Siemens gemeinsam verwirklicht haben.

Bis zu 1 Million Mark im Jahr

Fazit für die Stadt Köln nach Erledigung von 51 Auftragen in der Erprobungsphase: Die Arbeitsergebnisse einer eigenen Informathek werden wesentlich billiger als vergleichbare Untersuchungen auswärtiger Institute. Zu diesem Ergebnis kam man, obschon eine Informathek im Köln-Stil zwischen 500 000 und 1 Million Mark im Jahr kostet. Eingesetzt sind zehn Mann und eine Siemens 4004/45 F mit 256 K.

Zu Beginn stellte man folgende Grundanforderungen an die Informathek:

1. Keine Aufsplitterung in ressortgebundene Untersysteme;

2. politische Neutralität;

3. Vergleichbarkeit und Austauschbarkeit der Daten;

4. Brauchbarkeit für kurzfristige Entscheidungen wie für die mittel- und langfristige Planung - keine "Ideal-Lösungen";

5. ein Aufwand, der für eine Großstadtverwaltung zumutbar ist;

6. Verknüpfung mit der Verwaltungsautomation;

7. Verwendung von Daten, die schon auf elektronischen Speichermedien fixiert sind.

Entwickelt wurde in den sechs Jahren ein System zur Speicherung, Aufbereitung, Wiedergewinnung und Auswertung planungsrelevanter Daten, ein Programmpaket für demografische Verfahren und ein Verfahren für kurzfristige Wirtschaftsprognosen.

Praktisch verwendbar ist die Informathek mit den auf Planung zugeschnittenen Programmen beispielsweise, um den besten Standort für eine Tageserholungsanlage zu suchen. Weitere Möglichkeiten: Vorschläge für Verkehrsumleitungen, Vorbereitung von Bebauungsplänen oder Auswahl von Sanierungsgebieten. Die folgenden Beispiele aus dem Abschlußbericht, den das Bundesministerium für Forschung und Technologie herausgab, zeigen Einsatzmöglichkeiten.

Analyse eines Villenviertels

Im ehemaligen Villenviertel Köln-Marienburg beobachtete man eine Zunahme der Arbeitsstätten. Um die Entwicklung zu steuern, sollte ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Als Basis diente eine mit 140 Programmläufen und 13 Stunden Rechenzeit erstellte Strukturanalyse des Gebietes.

Eingegeben wurden die Daten über Einwohner, Beschäftigte, Gebäude und Grundstücke. Analysiert wurde unter anderem die derzeitige bauliche Nutzung, die man dann in Form verschiedener Karten darstellte. Solche Karten stellen dann etwa die Grundstücksnutzung entsprechend der Geschoßflächenzahl dar.

Städtebauliche Einheiten als Planungsbasis

Ein Stadtgebiet wird von den Verwaltungen vielfältig eingeteilt - in Postzustellgebiete, Versorgungsbereiche oder Schuleinzugsräume. Der Bürger identifiziert sich aber nicht mit einem Müllabfuhrbezirk, sondern mit einem bestimmten städtebaulichen Lebensraum. Daß solche Gebiete keiner Verwaltungsgrenze folgen, weiß jeder Einzelhändler, der sich Gedanken darüber gemacht hat, woher seine Kunden kommen. Die Informathek erlaubt es, alle Daten nach bestimmten Gebäudeblöcken, nämlich den städtebaulichen Einheiten aufzulisten oder zu kartieren. Es zeigt sich dann in der Karte, ob rechts oder links von einer Durchgangsstraße mehr Ausländer wohnen oder in welchen Gebäudekomplexen besonders viele Kinder leben.

Wo fehlen Spielplätze?

Um zu ermitteln, wo am dringendsten Spielplätze gebaut werden müssen, wertete man Bevölkerungsdaten und Angaben über den Spielplatzbestand aus. Ausgedruckt wurde eine Liste, auf der zuoberst das Stadtgebiet stand, wo es pro Kopf der Sechs- bis Achtzehnjährigen die wenigsten Spielplatzquadratmeter gibt. Da 1974 die Zahl der Ein- bis Sechsjährigen bekannt war, konnte man dazu gleich angeben, wie die Lage 1980 sein wird - allerdings ohne Berücksichtigung der "Wanderung".

Autofahrer werden nicht mehr gefragt

Als besonders nützlich erwies sich die Informathek bei Verkehrszahlungen. In der Zählliste werden außer Uhrzeit und Stückzahl die Kfz-Kennzeichen erfaßt. So vermeidet man Stauungen, die auftreten, wenn man die Fahrer befragt. Zwar läßt sich so nur die Herkunft, nicht aber das Fahrzeug ermitteln - die Arbeitserleichterungen sind aber so beträchtlich, daß künftig regelmäßig bei Zählungen die Kennzeichen mit berücksichtigt werden sollen. Ausgedruckt werden Kreuztabellen, die Einfahrt, Ausfahrt und Verkehrsart bzw. Zählzeit darstellen. "Ein großer Fortschritt gegenüber der manuellen Auswertung", konstatieren die Sachbearbeiter.

Ein Modulsystem

Anders als bei der Massenarbeit, die beispielsweise 10 000 Einladungen an Schulneulinge erbringt, werden bei der Planungsarbeit Ergebnisse in der Regel nur einmal benötigt und bei jedem Job andere.

Die in Köln entwickelte Software besteht daher aus zahlreichen Modulen, die nach Bedarf zu den unterschiedlichsten Programmketten zusammengesetzt werden können. Das Zusammensetzen der Programmbausteine besorgen in jedem Einzelfall die DV-Fachleute der Informathek durch Steueranweisungen.

Unterstützung für gute Politik

Die Frage nach dem Verhältnis von Aufwand und Erfolg beantwortet Dr. Lehmann-Grube von der Stadt Köln so:

"Wo mit vieler Mühe verwaltet und Politik gemacht wird, da braucht man Unterstützung, denn die Aufgaben werden mit dem beschleunigten Wandel von Gesellschaft und Umwelt schwieriger. Eine Kosten-

Nutzen-Rechnung ist bisher nicht möglich, weil es keine Maßstäbe für den Nutzen guter und schneller Planung gibt. Etwas enttäuschend war für uns, daß der Verfahrensablauf von der Fragestellung des Benutzers bis zur Auslieferung der Information komplizierter wurde als geplant. Die Benutzung der Informathek erfordert gründliche DV-Kenntnisse. Das ist heute vom normalen Benutzer noch zuviel verlangt. Wir hoffen aber, daß es unserem Projekt geht wie dem Automobil, das einst auch nur von einem versierten Techniker fortzubewegen war und das heute von jedem Erwachsenen relativ sicher gesteuert werden kann."

Nur Planspiele?

Wer die Ordner und Atlanten kennt, die öffentliche Planungseinrichtungen; ausstoßen, fragt sich, ob man diese Produktion noch mittels Computer beschleunigen muß. Es geht nicht um eine größere Menge - Aktualität und Qualität der Planungsunterlagen müssen verbessert werden.

Das Kölner kommunale Planungssystem läßt aber auch die Wirtschaft hoffen. Untersuchungen über Standorte von Einzelhandelsgeschäften, Einrichtung von Fußgängerzonen oder den Parkplatzbedarf lassen sich schneller und besser anstellen. Man kann auch analysieren, ob ein Industriegebiet für die Arbeitnehmer gut zu erreichen ist oder wo der beste Standort für eine Werkstatt wäre. py