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Jeffrey Papows wirft des Handtuch

07.01.2000

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - MÜNCHEN (Computerwoche) - Jeffrey Papows, Lotus´ umstrittener, aber auch erfolgreicher President und Chief Executive Officer (CEO), will zum ersten Februar das Unternehmen verlassen. Als Nachfolger ist bereits der IBM-Veteran Al Zollar nominiert worden. Dieser leitete zuletzt die Network Computing Software Division innerhalb von Big Blues Software Group.

In einer internen Mail erklärt Papows seine Entscheidung damit, dass er sich bereits seit längerer Zeit den Kopf über Lotus und seine eigene berufliche Zukunft zerbrochen habe. Letztere sieht er offensichtlich nicht mehr unter den Fittichen von IBM. Es sei daher, so Papows, mit Rücksicht auf die Mitarbeiter, Kunden und Big Blue nur fair, seine Stelle aufzugeben, statt als Lotus-Vormann insgeheim nach einem neuen Arbeitgeber Ausschau zu halten.

Bisher gab es bis auf eine bloße Ankündigung auf der Lotus-Website keine offiziellen Stellungnahmen zu Papows Rücktritt. Mitarbeiter und Analysten betonten aber, dass er seine Arbeit gut gemacht habe. So sei es ihm laut Ian Campbell, Marktforscher bei IDC, gelungen, sich im harten Wettbewerb mit Microsoft und dessen Groupware-Produkt "Exchange" zu behaupten. Zwar habe die Gates-Company im erster Halbjahr 8,1 Millionen, Lotus jedoch nur 7,4 Millionen Benutzer hinzugewinnen können. Campbell sei aber sicher, dass die - noch nicht vorliegenden - endgültigen Zahlen für 1999 zu Gunsten der IBM-Tochter ausfallen müssten.

Zudem wies Lotus bis zum Juni 1999 insgesamt 36 Millionen Benutzer auf, während Microsoft auf 28 Millionen Anwender kam. Daniel Rasmus, Vice President der Giga Information Group, schränkt jedoch ein, dass Lotus derzeit Technik biete, für die der Markt erst in gut zwei bis drei Jahren aufnahmefähig ist. Er begrüße daher das Engagement von Zollar, der als Software-Spezialist in der Lage sei, die Produktentwicklungszyklen künftig besser mit den Lieferterminen abzustimmen.

Dem Lob schließt sich auch John M. Thompson an, der als Senior Vice President von IBMs Software Group die Strategie des Unternehmens wesentlich mitbestimmt. So habe Lotus 1999 das beste Jahr seit der Fusion mit IBM gehabt. Thompson bedaure Papows Ausscheiden, bezeichete dessen Entscheidung aber als selbstgewollt. "Das war Jeffs persönliche Entscheidung." Manche Kommentatoren sehen dies jedoch anders und sind skeptisch, ob Papows den Rückzug tatsächlich freiwillig antritt. Sie vermuten, dass es nicht zuletzt auch seine umstrittene Persönlichkeit war, die ihn die Arbeit bei Lotus immer mehr erschwerte. So charakterisierte das "Wall Street Journal“ im April letzten Jahres Papows als ehrgeizigen Manager, der es mit der Wahrheit nicht sehr ernst nehme, um an die Spitze zu gelangen.

Laut der Zeitung hatte er jahrelang in Berichten, Ansprachen und Zitaten Äußerungen über seinen Militärdienst, universitären Werdegang und seine Biographie gemacht, die sich als unwahr herausstellten. Papows hatte damals behauptet, er könne sich an seine Bemerkungen nicht mehr erinnern, gab aber zu, dass er seinen Lebenslauf aus geschäftlichen Gründen aufgebauscht und geschönt habe. Ein weiterer Skandal um seine Person folgte im Mai 1999, als eine ehemalige Lotus-Managerin ihn wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz anzeigte. IBM hat diese Vorwürfe allerdings bis heute als "schamlose und unbegründete Behauptungen“ stets öffentlich verurteilt. Für Analysten wie Jay P. Stevens vom New Yorker Marktforschungsunternehmen Buckingham Research hängt Papows Abschied dennoch mit seinem angekratzten Images zusammen: "Bei all den Kontroversen über seine Person, wundert es mich nicht, dass er zurücktritt.“