Machtwechsel bei Lotus

Jeffrey Papows wirft das Handtuch

14.01.2000
MÜNCHEN (CW) - Jeffrey Papows, Lotus umstrittener, aber auch erfolgreicher President und Chief Executive Officer (CEO), verlässt überraschend zum 1. Februar das Unternehmen.

In einer internen Mail erklärt Papows seine Entscheidung damit, dass er sich bereits seit längerer Zeit den Kopf über Lotus und seine eigene berufliche Zukunft zerbrochen habe. Es sei mit Rücksicht auf die Mitarbeiter, Kunden und IBM nur fair, seine Stelle als Lotus-Vormann aufzugeben, statt insgeheim nach einem neuen Arbeitgeber Ausschau zu halten. Als Nachfolger ist bereits der IBM-Veteran Al Zollar nominiert worden.

Von offizieller Seite gab es, abgesehen von der bloßen Ankündigung auf der Lotus-Website, keine Stellungnahmen zu Papows Rücktritt. Mitarbeiter und Analysten betonten aber, dass der Firmenchef seine Arbeit gut gemacht habe. So sei es ihm laut Ian Campbell, Marktforscher bei IDC, gelungen, sich mit der Groupware "Notes" im harten Wettbewerb mit Microsoft und dessen Konkurrenzprodukt "Exchange" zu behaupten.

Manche Kommentatoren sind skeptisch, ob Papows den Rückzug tatsächlich freiwillig antritt. Sie vermuten, dass es nicht zuletzt seine umstrittene Persönlichkeit war, die ihm die Arbeit bei Lotus immer mehr erschwerte. So hatte das "Wall Street Journal" im April 1999 berichtet, dass Papows jahrelang in Berichten, Ansprachen und sonstigen Äußerungen falsche Angaben über seinen Militärdienst, universitären Werdegang und weitere Aspekte seiner Biografie gemacht hatte. Papows gab damals zu, seinen Lebenslauf aus geschäftlichen Gründen geschönt zu haben. Ein weiterer Skandal folgte im Mai 1999, als eine ehemalige Lotus-Managerin den Firmenchef wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz anzeigte. IBM hat diese Vorwürfe allerdings als "schamlose und unbegründete Behauptungen" verurteilt.