DIVSI-Studie

Jeder Dritte würde für Datenschutz zahlen

03.12.2014
Von 
Ulrich Hottelet ist freier Wirtschaftsjournalist in Berlin. Besonders gerne beschäftigt er sich mit gesellschaftlich und wirtschaftlich wichtigen Technologietrends, IT-Sicherheit und Datenschutz.
Würden die Deutschen für den garantierten Schutz ihrer persönlichen Daten im Internet zahlen können, ergäbe sich daraus ein Investitionsvolumen von 900 Millionen Euro - rein theoretisch. Praktisch sieht es vielmehr nach Absichtserklärungen ohne realistische Grundlage aus.

Jeder dritte Internet-Nutzer wäre bereit, für den Datenschutz Geld auszugeben - durchschnittlich 41 Euro pro Jahr. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der Studie "Daten - Ware und Währung" des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). 1000 Nutzer in Deutschland ab 14 Jahren wurden im Oktober dazu befragt. Demnach sind Akademiker mit 41 Prozent eher dazu bereit als Menschen mit Hauptschulabschluss (27 Prozent). Gespalten sind die Verbraucher bei der Frage, ob sie an den Umsätzen, die mit ihren Daten erzielt werden, beteiligt werden sollten. Nur 19 Prozent glauben, dass eine Umsatzbeteiligung umsetzbar wäre.

Drei Viertel der deutschen Internet-Nutzer davon indes aus, dass die meisten Anbieter kostenloser Online-Plattformen mit den persönlichen Daten ihrer Nutzer Geld verdienen. Gleichzeitig lehnen 80 Prozent diese Praxis ab. Angst vor Datenmissbrauch und die Unklarheit darüber, was mit den eigenen Daten geschieht, sind die wichtigsten Gründe für diese Einstellung. Knapp jeder dritte Konsument hat jedoch resigniert und glaubt nicht, dass sich an der ungenehmigten Datenverwertung etwas ändern lasse.

Mehr als die Hälfte der Befragten würde deshalb kein Geld für Datenschutz ausgeben, wie folgende Ergebnisgrafik zur Frage "Warum wären Sie nicht bereit, für Datenschutz Geld zu bezahlen?" zeigt:



Stärkere Verfolgung von Datenmissbrauch

"Angesichts der Problematik, dass persönliche Daten häufig als Ware gehandelt werden, sehen die Nutzer vor allem die Politik und die Unternehmen in der Pflicht. Fast alle fordern, dass der Missbrauch persönlicher Daten stärker verfolgt und bestraft wird", sagte der Geschäftsführer des für die Studie verantwortlichen Marktforschungsinstituts dimap, Reinhard Schlinkert. Als Mittel zum Datenschutz sehen die Deutschen jedoch nicht nur Sanktionen: 72 Prozent sind der Meinung, dass Internet-Angebote, die sich an strenge Datenschutzregeln halten, von der Politik besonders gefördert werden sollten.

DIVSI-Direktor Matthias Kammer empfiehlt datenverarbeitenden Unternehmen, in ihren Geschäftsmodellen den Datenschutz als zentralen Punkt zu berücksichtigen und sich so vom Wettbewerb abzuheben.
DIVSI-Direktor Matthias Kammer empfiehlt datenverarbeitenden Unternehmen, in ihren Geschäftsmodellen den Datenschutz als zentralen Punkt zu berücksichtigen und sich so vom Wettbewerb abzuheben.
Foto: Frederike Heim Photography

"Die Politik sollte eine Debatte zwischen Anbietern und Nutzern für solch neue Angebote initiieren", forderte DIVSI-Direktor Matthias Kammer im Rahmen der Vorstellung der Befragungsergebnisse. Auch die Unternehmen werden in die Pflicht genommen: 96 Prozent fordern, dass diese transparenter über den Verbleib der persönlichen Daten informieren sollten. Die eigene Einflussmöglichkeit wird hingegen schwächer eingeschätzt.

"Prinzip der Datensparsamkeit passt nicht"

Im CW-Interview nimmt Matthias Kammer Stellung zu den Konsequenzen der Studienergebnisse für die Unternehmen, die Daten verarbeiten.

CW: Welche generellen Lehren sollten Unternehmen, die Daten verwerten, aus der Studie ziehen?

KAMMER: Big Data ist von der IT-Systematik her ein großer Schritt nach vorne. Durch die Korrelation einer Vielzahl von Daten kann man sich Erkenntnisse verschaffen, die mit einer normalen Logik nicht zustande zu bringen sind. Das deutsche Prinzip der Datensparsamkeit passt dazu gar nicht. Nun stellt sich die Frage, ob sich die Menschen an die Logik der Datensparsamkeit halten. Das war der Ausgangspunkt für unsere Studien. Die jüngste hatte die Fragestellung, inwieweit sich die Menschen im Klaren darüber sind, womit sie in der digitalen Welt bezahlen. Angeblich kosten viele Angebote ja nichts. 76 Prozent wissen aber, dass sie als Währung nicht mit Geld, sondern mit ihren Daten bezahlen. Dieses Bewusstsein zu kennen, ist auch für die Wirtschaft wichtig. Auch bei Online-Käufen bezahlen wir neben dem Produktpreis mit unseren Daten. Dafür bekommen wir die Waren einfach und kostengünstig geliefert.

CW: Welche Geschäftsmodelle empfehlen sich auf Grundlage der Studienergebnisse für Unternehmen, die Daten sammeln und verarbeiten wollen?

KAMMER: Immerhin ein Drittel der Befragten wäre bereit, im Durchschnitt 41 Euro im Jahr dafür zu bezahlen, dass ihre Daten, die sie zur Verfügung stellen, nur für das jeweilige Geschäft genutzt werden. Das ist ein Anknüpfungspunkt für Geschäftsmodelle. Denn vielleicht können Unternehmen daraus ein Modell gestalten, um sich von Wettbewerbern zu unterscheiden. Interessant ist auch, dass die Nutzer ein Kick-back, also die Erlösbeteiligung für die Verwertung ihrer Daten, begrüßen, die Umsetzung aber für unrealistisch halten. Die Nutzer würden ihre Daten einem Provider ihres Vertrauens geben. Wer sie haben will, kann sie sich dort holen. Da stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen man die Daten zur Verfügung stellt und welchen Geldbetrag man erwartet. Soweit sind wir aber noch nicht.

"Sie ziehen kaum Konsequenzen für ihr persönliches Verhalten"

CW: Wie können Anbieter solch ein Vertrauen aufbauen, dass man sicher gehen kann, dass man auch wirklich am Erlös beteiligt wird? Als Nutzer kann man das ja schlecht kontrollieren.

KAMMER: Völlig richtig. Wenn Anbieter sich aber von der Konkurrenz unterscheiden wollen, müssen sie Strategien entwickeln, um so Vertrauen aufzubauen. Anbieter werden das mit Ausnahme weniger bekannter, guter Marken nicht allein schaffen, sondern sie brauchen dafür "Zeugen" wie Gütesiegel oder Zertifikate.

CW: Gütesiegel für Datenschutz gibt es ja schon...

KAMMER: Ich würde das nicht festmachen am engen Wort Datenschutz. Es geht ja nicht darum, irgendwelche Daten zu schützen, sondern darum, dass eine Firma mir in einer Geschäftsbeziehung verspricht, dass sie meine Daten nicht für andere Zwecke verwendet, sie nicht weiter nutzt oder weiterverkauft. Das ist für mich ein Verständnis von Privatsphäre. Es geht um die Frage: Wie bewerte ich diesen Kunden in Gänze?

CW: Es geht auch um Reputation. Wenn ein Anbieter bereits für Datenskandale gesorgt hat, ist das Vertrauen zerstört.

KAMMER: Ja. Vertrauen entsteht durch gute Erfahrungen. Dazu muss eine Firma seriös arbeiten.

CW: Wie erklären Sie sich den Zwiespalt, dass die Nutzer es zwar ablehnen, dass Anbieter mit ihren Daten Geld verdienen, ohne dafür um Erlaubnis zu fragen, die meisten aber dennoch viele Online-Angebote nutzen?

KAMMER: Das ist auf den ersten Blick paradox, aber im Zweifel lassen sich die Nutzer auf ein Angebot ein, wenn die eigene Bequemlichkeit oder die Notwendigkeit, etwas zu kaufen oder zu buchen den Schutzbedarf der eigenen Daten überwiegt. Sie sind zwar grundsätzlich pro Datenschutz, ziehen aber daraus konkret kaum Konsequenzen für ihr persönliches Verhalten. Ein ähnliches widersprüchliches Ergebnis erbrachte eine Umfrage zu den Folgen des NSA-Skandals. (sh)