Branchenverband Bitkom schlägt Alarm

"Jede sechste Stelle bleibt unbesetzt"

09.03.2001
MÜNCHEN (CW) - Von Entspannung auf dem IT-Arbeitsmarkt könne keine Rede sein. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Bitkom-Studie. So sollen in Deutschland in zwei Jahren 723000 Fachkräfte fehlen.

Zurzeit geht der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom) von einer Nachfrage nach 2,95 Millionen IT-, TK-, E-Business und Call-Center-Spezialisten in Deutschland aus. 444000 dieser Stellen könnten nicht besetzt werden. Damit ist der Fachkräftemangel in Deutschland im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern am höchsten. In den nächsten beiden Jahren soll sich die Qualifikationslücke sogar auf 723000 fehlende Experten vergrößern. In Europa soll sich die Zahl von derzeit 1,9 Millionen auf 3,8 Millionen fehlende Spezialisten verdoppeln. Somit werde ein potenzielles Wirtschaftswachstum von bis zu drei Prozent verschenkt. "Jede sechste Stelle bleibt unbesetzt", warnt Bitkom-Vizepräsident Jörg Menno Harms.

Der deutsche Branchenverband hat mit seiner europäischen Dachorganisation European Information Technology Observatory (Eito) und den Marktforschern von IDC den Fachkräftemangel in Europa analysiert. Den enormen Bedarf erklärt die Studie mit dem starken Wachstum im IuK-Markt und der weiter steigenden Nachfrage nach E-Business-Lösungen. Besonders Banken, Versicherungen oder das produzierende Gewerbe investierten in digitale Geschäftsprozesse. Dazu Harms: "Auf einen Arbeitsplatz in der IT-Branche kommen künftig zwei Arbeitsplätze auf der Anwenderseite."

Noch vor zwei Jahren rechneten die Verbände mit 75000 bis 100000 fehlenden IT-Profis. Dass der Bitkom mit viel höheren Zahlen jongliert, liegt auch an der Definition der gesuchten Fachkräfte. So wird zum ersten Mal zwischen ITK- und E-Business-Spezialisten unterschieden.

Starke Nachfrage nach E-Business-Profis

Zu den Ersteren gehören Berufsbilder wie Nachrichtentechniker, Programmierer, Systemadministratoren, IT-Berater und Fachkräfte in der Hardwareproduktion. Zu der zweiten Gruppe zählen alle Beschäftigten, die in den Bereichen Web-Marketing, E-Government und E-Commerce tätig sind. Hier geht der Bitkom von einer rapide steigenden Nachfrage aus: So sollen in Europa im E-Business-Sektor 3,5 Millionen neue Jobs bis 2003 entstehen, von denen jede dritte Stelle aber nicht besetzt werden kann.

Ein enormes Potenzial prophezeien die Experten auch dem Call-Center-Markt. Demnach soll es in zwei Jahren bereits 30000 Call-Center in Europa geben, die 2,58 Millionen neue Mitarbeiter benötigen. Die Personalnot halte sich aber hier in Grenzen, da die Qualifikationsanforderungen an Call-Center-Agenten gering seien und die Bildungssysteme mit diesem Wachstum Schritt halten könnte.

Reformiert werden müsse dagegen die Ausbildung der IT-Spezialisten. Laut Harms sind nach wie vor Studienzeiten wie Studienabbrecherquoten zu hoch.