Je selbständiger der Arbeitnehmer, desto akzeptabler die neuen Techniken, Teil 1

05.02.1982

Bernd Meier, Diplom - Soziologe, Institut der deutschen Wirtschaft,Köln

Soziale Kontrolle des technischen Fortschritts erfährt auf seiten der Gewerkschaften eine hohe Priorität: Erst kürzlich haben in Genf die Führer von 27 europäischen Gewerkschaften aus Ost und West nach Mitbestimmung bei einer noch auszubauenden staatlichen Produktion und Beschäftgungsplanung gerufen, und sie forden eine Beteiligung an Investitionsentscheidungen über die Einführung neuer Technologien und an deren Verwirklichung. Allein von dieser "technologischen Mitbestimmung"erhoffen sich die Arbeitnehmervertreter positive Auswirkungen für den human - sozialen Zielbereich und damit schließlich mehr Akzeptanz.

Vehikel zum Durchsetzen von Interessen

Die öffentliche Debatte um die Folgen der Mikroelektronik legt den Schluß nahe, daß die Akzeptanz - Problematik zu einem Vehikel zwecks Austragung und Durchsetzung sozialpolitischer Interessen hochstilisiert wurde. So war das Thema "Technik - Folgen" Verhandlungsgegenstand nahezu aller sozialpolitisch relevanter Gruppierungen. Dies führte nicht selten zu einer Verdichtung vor allem negativer Einzelbeispiele etwa für eine arbeitsorganisatorisch schlecht gelöste Integration der Datenund Textverarbeitung in die vorhandene Organisation, die dann schließlich beim Unbeteiligten und über Technik häufig uniformierten Leser den Eindruch einer bereits an sich inhumanen Technik erweckte. Schon das Auftauchen des Begriffs"Technik"erzeugt bei ihm sogenannten Dis - Streß.

Da nun menschliche Empfindungen und Einstellungen zu einem nicht unbeträchtlichen Teil von der Art der jeweils empfangenen Information über ein Phänomen beeinflußt werden, kommt der Informationspolitik im Zeitalter der überwiegend technisch verimittelten Information eine um so wichtigere Rolle zu. Heute ist es gerade jene "mittelbare" Erfahrung, die die persönlichen Einstellungen auch zur Technik entscheidend mitprägt. Der vielfach beklagte Erfahrungsverlust des Menschen im Umgang mit der Technik - besonders der neuen Datentechnik - wird so mindestens von zwei Seiten genährt:

- Zweifellos von der Schnelligkeit des technischen Wandels an sich, die die Zeit persönlicher Gewöhnung verkürzt.

- Aber auch von dem wachsenden Anteil der Erfahrungen

"zweiter Hand" - also der Menge an Informationen, die beispielsweise die privaten und öffentlichen Medien übermitteln und welche nur selten überprüft werden können.

Jene Verkürzung des persönlichen Erfahrungshorizontes ist dann besonders problematisch, wenn schließlich die so gemachten "Erfahrungen" die sogenannten Ist - Daten abbilden und in eine subjektive "Kosten - Nutzen - Analyse" einbezogen werden, innerhalb derer sie mit den persönlichen Soll-Daten über den Nutzen der Technik, das heißt den subjektiven Erwartungen verglichen werden. Diese "subjektive Rationalität" ist es dann, die über die Akzeptanz oder Nicht - Akzeptanz einer neuen Technik entscheidet.

Es ist aber nicht nur der Einsatz neuer Techniken am Arbeitsplatz , der die Arbeitssituation sozialpsychologisch im Hinblick auf veränderte Rollenerwartungen und persönlich wünschenswertem Status verändert. Sie steht vielmehr in der potentiellen Gefahr, durch viele weitere interne oder externe nicht-technische Daten tagtäglich verändert zu werden. Hierzu zählen etwa:

- Wechsel des unmittelbaren Vorgesetzten;

- Wechsel einzelner Mitarbeiter;

- inner - oder zwischenbetrieblicher Positionswechsel;

- Wechsel von Arbeitsaufgaben und;

- Veränderungen in der persönlichen Bedürfnispriorität etc.

Diese und andere Determinanten verändern stets bereits vertraute berufliche Situationen und Rollenerwartungen und bringen besonders im Hinblick auf die künftige Bewältigung der neuen Situation den Faktor "Unsicherheit" ins Spiel, der kanalisiert werden muß. Auf die überragende anthropologische Bedeutung des Sicherheitsphänomens wird seit langer Zeit im Schrifttum hingewiesen.

Unsicherheit und Furcht vor Änderungen

Aus dieser Sichtweise erhält die viel diskutierte Technik - Akzeptanz eine andere, vor allem soziologisch-anthropologische Dimension: Es ist weniger die Technik als solche oder gar die Mikroelektronik, die befürwortet oder befürchtet wird, es sind vielmehr sich verändernde Arbeitssituationen beziehungsweise - rollen, die der einzelne anzunehmen bereit ist oder nicht. In diesem Sinne stellt sich die Frage der Akzeptanz von neuen Situationen nahezu täglich, wird jedoch kaum bemerkt. Es kommt mithin darauf an, zum Beispiel Arbeitssituationen und Anforderungen so zu gestalten, daß sie den Bedürfnissen, Anforderungen und Erwartungen des einzelnen weitestgehend entsprechen - diese von ihm akzeptiert werden. In der Vergangenheit wurde dieses Vorgehen gemeinhin mit der Bezeichnung "Arbeitsstrukturierung" beziehungsweise "Humanisierung der Arbeit" beschrieben.