Je selbständiger der Arbeitnehmer, desto akzeptabler die neuen Techniken

12.02.1982

Teil II

Bernd Meier

Diplom- Soziologe, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln

Die Voraussetzungen dafür, daß die durch die Mikroelektronik bewirkten Veränderungen gesamtgesellschaftlich als auch am Arbeitsplatz zunächst rein emotional akzeptiert werden, sind nach neueren Befunden gegeben. Dies zeigen Befragungsergebnisse zur Einstellung der Bevölkerung zum Thema Mikroelektronik.

Im Rahmen vieler Untersuchungen wird darauf verwiesen, daß der Grad der Kenntnis über eine Technologie ihre Einstellung wesentlich zu beeinflussen scheint - und zwar in Richtung einer positiven Korrelation. Die Studien weisen aber auch auf das hohe

Veränderungspotential hin, welches vor allem im bildungspolitischen, aber auch im Persönlichkeitsbereich noch bewältigt werden muß. Aus diesen Befunden kann im Hinblick auf die Chance der Akzeptanz neuer Berufsrollen insgesamt folgende These ab geleitet werden:

Selbständig planen und Entscheiden

Die dezentral anwendbare Nutzung der Mikroelektronik verlangt von "Nicht-Selbständigen" (also den Arbeitnehmern) in wachsendem Maße nicht nur die Persönlichkeitseigenschaften von Selbständigen wie zum Beispiel Kreativität, Verantwortungsbereitschaft oder Eigenständigkeit, sondern auch die "unternehmerische Fähigkeit" in Gesamtzusammenhängen zu denken, zu planen und selbständig

zu entscheiden.

Die human-soziale Bewältigung des technischen Wandels, so wie er sich zum Beispiel in der Entwicklung der Datentechnik und Kommunikationstechnik darstellt, ist da her nur durch eine bewußte Stärkung des Selbständigen Momentes im Selbstverständnis des einzelnen Arbeitnehmers zu erreichen. Beteuerungen, daß nur durch eine Solidarisierung der sogenannten Betroffenen die Technik bewältigt werden kann, bewirken eher das Gegenteil: persönliche Unselbständigkeit und Unsicherheit. Die Anwendung der neuen Technik "Mikroelektronik" macht jedoch neben dem steigenden Stellenwert individueller Selbständigkeit einen weiteren Gesichtspunkt deutlich: Immer klarer kristallisiert sich heraus, daß auch unter maximalem Einsatz von Technik (Kapitalintensität) eine funktionsfähige Organisation mindestens zur Hälfte aus dem Faktor "Mensch" besteht, dessen Handeln auf "Daseinsstabilisierung" ausgerichtet ist.

Bei der künftigen Gestaltung der Akzeptanz-Rahmenbedingungen drängt sich nun geradezu eine Analogie aus dem Bereich des Verkaufs und des "Produkt-Marketings" auf: Es gehört hier nahezu zur Selbstverständlichkeit, Kundenwünsche und Bedürfnisse zu ermitteln und bei der Produktinnovation zu berücksichtigen. Denn jedes Produkt, welches keinen Markt hat, wäre eine unternehmerische Fehlkalkulation. Nur auf entsprechende Weise kann auch der "Kunde" Mitarbeiter zufriedengestellt und eine Verhaltensänderung im Sinne der Akzeptanz ständig wechselnder Berufs- und Arbeitsrollen erwartet werden.

Ein sinnvolles "Personal-Marketing" bedeutet daher vor allem für ein sich ständig in der Evolution befindliches System, sich wiederholt folgende Fragen zu stellen:

- Was will der Mitarbeiter, und was erwartet er von seinem Arbeitsplatz und der Arbeitsaufgabe? (in Analogie zum Verkauf: Kundenwünsche kennenlernen);

- Welche Möglichkeiten gibt es für eine weitestmögliche und ständige Einbeziehung seiner Vorstellungen bei der Neugestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen? (Kunden einbeziehen);

- Wie kann für den Mitarbeiter als Benutzer einer neuen Technik durch frühzeitige und kontinuierliche Information und Schulung ein hohes Maß an Transparenz und Sachkenntnis hergestellt werden? (Kunden informieren);

-Wie kann eine Vertrauensatmosphäre zwischen Vorgesetzten, Mitarbeitern und EDV-Experten hergestellt beziehungsweise verbessert werden? (Vertrauen des Kunden gewinnen).

Hauptziele eines betrieblichen "Personal-Marketing " sollten sein:

- Gestaltung und Durchsetzung des "Produkts" Arbeitsbedingungen entsprechend den Wünschen seines "Verbrauchers", des Arbeitnehmers, unter Berücksichtigung technisch-ökonomischer Rahmenbedingungen.

- Förderung der Selbständigkeit des einzelnen zur Bewältigung sich ständig ändernder Rollenanforderungen durch eingeleitete Prozeßinnovationen.

Das Bindeglied zwischen "Personal"- und "Produkt-Marketing" liegt in der gemeinsamen Aufgabe, einerseits Veränderungen menschlichen Verhaltens auszumachen und andererseits auch darauf einzuwirken. Die analytischen und strategischen Instrumente hierzu stehen einerseits in der Verbraucherforderung und Werbung als auch andererseits in der arbeitswissenschaftlichen und sozialpsychologischen Forschung wie auch in der Mitarbeitermotivation zur Verfügung. In der Praxis wird der steigende Stellenwert des Führungsverhaltens unter den Bedingungen eines sich verstärkenden technischen Wandels immer klarer erkannt.

Effizientes "Personal-Marketing"

Diese Führungsfrage hat im Laufe der Geschichte des technischen Fortschritts gerade deshalb so ein entscheidendes Gewicht erhalten, weil dieser Fortschritt immer weniger aufgrund endogener Bedingungen einer Arbeitssituation entwickelt wurde, sondern verstärkt exogenen Ursprungs ist. So besteht die Führungsaufgabe der Zukunft im Sinne eines effizienten "Personal-Marketing" darin, einen Beitrag zur Sicherheit ("Daseinsstabilisierung") des einzelnen Mitarbeiters im Hinblick auf eine aktive Zukunftsbewältigung zu leisten - dies erst kann zur wirtschaftspolitisch notwendiger Akzeptanz neuer Berufsrolle - bedingt durch neue Techniken - führen.