40 Jahre bei der gleichen Firma

Je älter, desto unkündbarer? Ein Trugschluss

18.07.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Arbeitnehmer wachsen mit zunehmender Betriebszugehörigkeit nicht automatisch in eine Unkündbarkeit hinein. Auch eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit schließt eine Entlassung nicht zwingend aus.

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 09.09.2009, 3 Sa 153/09, schließen eine lange Betriebszugehörigkeit, hohes Lebensalter oder ein aus anderen Gründen bestehende besondere soziale Schutzbedürftigkeit eine Kündigung nicht zwingend aus.

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Arbeitnehmer wachsen mit zunehmender Betriebszugehörigkeit nicht automatisch in eine Unkündbarkeit hinein, denn eine solche Rechtsfolge ist weder gesetzlich geregelt noch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben beabsichtigt, so der Hamburger Rechtsanwalt und Lehrbeauftragte für Arbeitsrecht Stefan Engelhardt, Landesregionalleiter Hamburg der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Bezugnahme auf diese Entscheidung.

Der Kläger dieses Verfahrens war seit ca. 40 Jahren bei der Beklagten beschäftigt, die Autos einer bestimmten Marke verkauft und einen Reparaturbetrieb betreibt. Der Kläger ist 55 Jahre alt und war in der Werkstatt eingesetzt worden. Er hat keine Ausbildung absolviert, hat eine Lese- und Rechtsschreibschwäche und kann daher beispielsweise keinen PC bedienen. Er besitzt zudem keinen Führerschein. In der Werkstatt sind neben dem Kläger zwei ausgebildete Kfz-Mechaniker beschäftigt, von denen einer Werkstattleiter ist und in Abwesenheit von dem anderen vertreten wird.

Am 18.11.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum 30.06.2009 und begründete diese mit einem Umsatzeinbruch von 70 Prozent, sodass sie Personalkosten reduzieren müsse. Sie habe sich für die Kündigung des Klägers entschieden, weil dieser wegen der zunehmenden Elektronisierung der Autos und der Tatsache, dass er weder einen PC noch elektronische Messgeräte bedienen könne, immer weniger einsetzbar sei. Ihm könne auch keine Probefahrten übertragen werden, da er keinen Führerschein habe.

Längste Betriebszugehörigkeit, höchstes Lebensalter

Bei seiner Kündigungsschutzklage macht der Kläger nunmehr einen Verstoß gegen § 242 BGB geltend, weil er der Auffassung war, dass sein Arbeitgeber unberücksichtigt gelassen habe, dass er im Betrieb die längste Betriebszugehörigkeit und das höchste Lebensalter habe und somit der sozial schwächste Arbeitnehmer sei. Im Übrigen hätte die Beklagte ihn im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht auf die zunehmende Technisierung vorbereiten und entsprechend fortbilden müssen. Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg, betont Engelhardt.